Die italienische Regierung ist darum bemüht, möglichst kein Öl ins Feuer zu gießen. Außenminister Enzo Moavero Milanesi warnt ganz zurückhaltend vor einem großen Durcheinander und meint, die Frage einer doppelten Staatsbürgerschaft für Südtiroler sei angesichts der Probleme Europas das Letzte, worüber man im Moment nachdenken sollte.
Dammbruch befürchtet
Die Idee zieht aber weiter ihre Kreise und dazu haben Italiens Politiker nicht wenig beigetragen, zum Beispiel der Präsident des Europaparlaments Antonio Tajani Ende vergangenen Jahres.
"Ich glaube, es ist unrealistisch, zu sagen: Wir geben den deutschsprachigen Italienern, die in Südtirol leben, die doppelte Staatsbürgerschaft. Das würde nicht zur Entspannung beitragen. Das wäre so, als würden wir den Kroaten sagen, wir geben denen von euch den italienischen Pass, deren Muttersprache Italienisch ist." Antonio Tajani Präsident des Europaparlaments
Für italienische Kroaten schon möglich
Genau das tut Italien aber bereits. Menschen, die in Istrien, Fiume und Dalmatien zuhause sind, und die ihre italienische Staatsbürgerschaft durch die Verschiebung der Grenzen nach dem 2. Weltkrieg verloren haben, können diese wieder erwerben. Das gilt auch für deren Nachkommen. Über 25.000 haben von dieser Möglichkeit inzwischen Gebrauch gemacht.
Eine Regelung, von der sich die Südtiroler Volkspartei hat inspirieren lassen, sagt der Südtiroler Landeshauptmann Arno Kompatscher. Man habe gesaht, das könnte Österreich doch in ähnlicher Form für die Südtiroler machen.
Mit einigen ganz praktischen Konsequenzen: Die Doppelstaatsbürger könnten dann beispielsweise problemlos auch im öffentlichen Dienst in Österreich arbeiten oder als Sportler für die Alpen-Republik starten.
Nur Ausdruck persönlicher Verbundenheit
Im Wesentlichen gehe es in der Frage aber vor allem um einen Ausdruck persönlicher Verbundenheit mit Österreich. Unter keinen Umständen wolle man den Autonomiestatus Südtirols in Frage stellen, so Arno Kompatscher.
"Europa war für uns immer Chance, Vision und Hoffnung gleichzeitig. Die Überwindung der Grenzen ist für uns wie eine Befreiung gewesen und deshalb sind die Südtiroler überzeugte Europäer, und wenn man jetzt beobachtet, dass man wieder zurückfällt in nationalstaatliches Denken, dann muss man einfach daran erinnern: Für Südtirol war das im Ersten und Zweiten Weltkrieg die Katastrophe. Wir glauben fest daran, dass es ein Europa der Regionen braucht, wo Südtirol eine Brücke zwischen dem Norden und dem Süden Europas sein kann, eine Art Kulturvermittler." Arno Kompatscher Landeshauptmann Südtirol
Womit sie auch in Rom gut leben können. Der Landeshauptmann aus Bozen trifft hier den richtigen Ton und hat schon einiges für sein Land herausgeholt. Über die Jahre ist Südtirol immer unabhängiger und wirtschaftlich stärker geworden.
"Geht mehr von Wien aus"
Umso irritierter reagieren die Politiker in Italiens Hauptstadt, wenn wieder einmal das Thema Doppelte Staatsbürgerschaft auf die Tagesordnung kommt. Vito Petrocelli von der Fünf-Sterne-Bewegung leitet den Auswärtigen Ausschuss im italienischen Senat vermutet, dass das sehr viel stärker von Wien ausgeht als von Bozen. Er glaube, das gehe von ganz bestimmten Kreisen der österreichischen Regierung aus, nicht einmal von allen politischen Vertretern, so Petrocelli.
Das soll wohl heißen: In Rom werden sie den Verdacht nicht los, dass Rechts-Außen-Politiker in Österreich die Frage der Staatsbürgerschaft dafür einsetzen wollen, die Grenzziehung zwischen Italien und Österreich in Frage zu stellen.
Südtirol als Modell
Südtirol sei weltweit zu einem Modell für das friedliche Zusammenleben unterschiedlicher Volksgruppen geworden, meint der Fünf-Sterne-Politiker Vito Petrocelli. Genau das sei gefährdet, durch den Vorschlag, nur für einen Teil der Südtiroler Bevölkerung die Doppelte Staatsbürgerschaft einzuführen. Warum solle man auch einen Rückschritt machen und Probleme schaffen, die schon lange überwunden sind.
Die Frage ist nur, ob das für die gesamte italienische Regierung gelten kann. Innenminister Matteo Salvini von der rechtspopulistischen Lega hat erst vor wenigen Tagen Verständnis für die Besetzung der Krim durch Russland gezeigt. Zuvor habe es dort schließlich eine Volksabstimmung gegeben, so seine Begründung. Sollten diese Maßstäbe auch für Südtirol gelten, wäre die Diskussion über die Doppelte Staatsbürgerschaft noch harmlos gewesen.