Ein ehrenamtlicher Helfer von Planned Parenthood überwacht den Protest vor der Klinik.
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Texas: Weniger Abtreibungen, mehr Hilferufe

Texas: Weniger Abtreibungen, mehr Hilferufe

Seit einem Monat hat Texas das strengste Abtreibungsgesetz der USA - auch bei Vergewaltigung sieht es keine Ausnahme vor. Das US-Justizministerium klagt daher gegen den US-Bundesstaat. Nun gibt es die erste Anhörung.

Wenig ist los an diesem Morgen auf dem Parkplatz des Women's Health Center in Austin: Das große Holzhaus ist hinter Bäumen versteckt, Kameras halten fest, wer auf den Parkplatz fährt. "Privatgrundstück, Aufenthalt nur mit Termin", steht auf rot-weißen Hinweisschildern. Das Austin Women's Health Center ist eine von insgesamt drei Einrichtungen der texanischen Hauptstadt, in denen Schwangerschaftsabbrüche durchgeführt werden.

Seit dem 1. September ist dieser Eingriff nur bis zur sechsten Schwangerschaftswoche legal - viele Frauen wissen zu dem Zeitpunkt noch gar nicht, dass sie schwanger sind. Das Gesetz zeigt Wirkung: Wie beispielsweise die Klinik Whole Woman's Health mitteilte, ist die Zahl der durchgeführten Abbrüche um 90 Prozent zurückgegangen.

Ghazaleh Moayedi ist Abtreibungsärztin in Dallas. Vor einem Ausschuss im Justizministerium sagte sie in dieser Woche: "Es gibt nur noch sehr wenige Schwangerschaftsabbrüche in Texas. Nur ein Bruchteil der Patientinnen bekommen die Hilfe, die sie suchen. Um die übrigen kümmern sich Organisationen, die dafür sorgen, dass die Frauen außerhalb von Texas den gewünschten Eingriff bekommen."

Hilfsorganisation unterstützt Frauen

Für Sarah dagegen hat sich das Arbeitspensum seit dem 1. September vervielfacht. Ihren Nachnamen möchte sie nicht nennen. Sarah arbeitet bei der Organisation Fund Texas Choice. Hier werden Frauen finanziell unterstützt, die noch nach der sechsten Schwangerschaftswoche eine Abtreibung vornehmen lassen möchten - und dafür nun in einen anderen Bundesstaat reisen müssen.

Fund Texas Choice versorgt die Betroffenen mit Geld: "Viele können die Kosten dafür einfach nicht aufbringen - Geld für ein Flugticket, Hunderte Dollar für ein Hotelzimmer. Sie kommen gerade so über die Runden und sind mit diesen plötzlichen Mehrausgaben überfordert", sagt sie. Vor dem 1. September hatte Sarah rund 40 Anrufe im Monat abzuarbeiten, nun sind es bis zu 30 am Tag.

  • Zum Artikel: Wegen Abtreibungsrecht - TV-Produzent dreht nicht mehr in Texas

Größte Beschränkung seit den 1970ern

Die Abtreibungsregelung von Texas ist die größte Beschränkung von Abtreibungen in den USA seit ihrer Legalisierung in den 1970er-Jahren. Für Joe Pojman von dem Verband Texas Alliance for Life ist das ein Riesenerfolg: "Wir freuen uns riesig, dass das Gesetz in Kraft getreten ist. Jedes gerettete Leben ist für uns ein Erfolg."

Die Zahl der Abtreibungen in Texas sinkt seit Jahren: 54.000 waren es im vergangenen Jahr. Frauen, die nun für eine Abtreibung in einen anderen Bundesstaat reisen, werden in dieser Statistik nicht auftauchen. Das heißt aber eben nicht, dass die Zahl der Schwangerschaftsabbrüche sinken wird. Kliniken in New Mexiko, Colorado, Oklahoma und Louisiana berichten von einem großen Zulauf aus dem Lone Star State.

Keine Ausnahmen vorgesehen

Für Pojman eine Tragödie: "Es ist tragisch, dass Frauen das auf sich nehmen, wo es doch hier in Texas so viele gewillte und qualifizierte Paare gibt, die gern ein Baby adoptieren würden." Für die Organisation Texas Alliance for Life gilt: Eine Schwangerschaft sollte nie abgebrochen werden, auch nicht, wenn sie durch Vergewaltigung oder Inzest zustande kommt. Der Klage des US-Justizministeriums sieht Pojman gelassen entgegen.

Bei Susan Hays löst das Verfahren ebenfalls keine Aufregung aus - aber anders als Pojman ist die Anwältin von den aktuellen Entwicklungen besorgt. Für viele Frauen sei mal eben ein Trip in einen anderen Bundesstaat für eine Schwangerschaftsunterbrechung unmöglich, sagt sie: "Am schlimmsten trifft es arme Frauen oder diejenigen mit Jobs und Kindern - oder Frauen, die von ihren Partnern misshandelt werden. Sie können alle nicht mal eben so einfach weg."

Roe vs. Wade könnte gekippt werden

1973 verankerte der Oberste Gerichtshof das Recht von Frauen auf Abtreibung in dem Urteil Roe versus Wade. Anwältin Hays schliesst nicht aus, dass dieses Grundsatzurteil kippt. Im Herbst befasst sich der mehrheitlich konservativ besetzte Supreme Court mit einem Abtreibungsgesetz aus Mississippi.

Fällt Roe v. Wade tatsächlich, löst das eine Kettenreaktion aus. Dann treten nämlich automatisch in elf Bundesstaaten sogenannte "trigger laws" in Kraft: Nicht nur in Texas, sondern beispielsweise auch in Louisiana, Mississippi oder Utah werden dann Abtreibungen komplett verboten sein.

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