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Warnlabel bei Unkrautvernichtungsmittel mit Glyphosa

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Streit um Glyphosat geht in die nächste Runde

Streit um Glyphosat geht in die nächste Runde

In Brüssel geht der Streit um die Zulassung für das umstrittene Pflanzenschutzmittel Glyphosat in eine neue Runde. War anfangs von einer Verlängerung um 15 Jahre die Rede, waren es später noch zehn, jetzt geht es um fünf Jahre. Von Ingrid Wolf

Von
Gerlinde Baun

Über dieses Thema berichtet: BR24 Infoblock am .

Für heute bietet die Kommission eine Verlängerung der Zulassung um fünf Jahre an. Es ist aber mehr als fraglich, ob sich die Mitgliedsstaaten darauf einlassen. Denn die Einschätzungen, wie gefährlich das Pflanzenschutzmittel tatsächlich ist, gehen nach wie vor weit auseinander. Die Krebsforschungsagentur der WHO hält das Pflanzengift für "wahrscheinlich krebserregend". EU-Behörden widersprechen.

Was ist Glyphosat?

Glyphosat ist ein Wirkstoff, der von Monsanto in den 70er Jahren entwickelt und der dann zunächst unter dem Produktnamen Round up vertrieben wurden. Es ist ein sogenanntes Totalherbizid; vereinfacht gesagt, macht es alles platt, was grün ist. Glyphosat blockiert die Produktion bestimmter Aminosäuren, die für das Wachstum von Pflanzen entscheidend sind. Diesen Stoffwechselweg gibt es aber nur bei Pflanzen, Pilzen und Bakterien – nicht bei Tieren und nicht bei Menschen – deswegen war Glyphosat lange so eine Art Wunderwaffe für die Landwirtschaft. Die Anwendung spart viel Zeit und ist obendrein sehr billig. Seit einigen Jahren sind jetzt aber Zweifel aufgekommen, ob das Mittel doch so harmlos ist.

Krebserregend und giftig?

Es hat sich ein regelrechter Experten- und Wissenschaftlerstreit entwickelt. Einerseits hat 2015 die renommierte Krebsforschungsagentur der Weltgesundheitsorganisation Glyphosat als "wahrscheinlich krebserregend" eingestuft. Davor hat es aber im Zuge der angestrebten Verlängerung der Zulassung für Glyphosat schon eine Unbedenklichkeitserklärung des deutschen Bundesinstituts für Risikobewertung gegeben. Also zwei völlig gegensätzliche Einschätzungen.

Risikobewertung durch Hersteller Monsanto

Das klingt nach genau dem Brüssel-Lobbyismus, den die Bürger so verabscheuen; dahinter steckt aber ein Prinzip, das so dumm eigentlich nicht ist. In Europa ist es so, anders als in den USA zum Beispiel, dass ein Unternehmen nachweisen muss, dass ein neues Produkt für den Markt, also auch ein Pflanzenschutzmittel, unbedenklich ist. Und dazu muss die Firma entsprechende Studien auf eigene Kosten machen lassen und diese dann bei der Zulassungsbehörde vorlegen. Deshalb arbeitet das Bundesinstitut für Risikobewertung naturgemäß mit den Studien, die das Unternehmen vorlegt. Darüber hinaus gehören zu dem Prüfverfahren aber auch alle anderen wissenschaftlichen Studien, die es zu dem Produkt irgendwo auf der Welt gibt – von Universitäten, Fachverbänden, Institutionen.

Fragwürdige Zuslassungsverfahren

Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) hat nun aber gerade bei diesen neutralen Studien, die nicht von der Industrie stammen und die eben zum Teil sehr glyphosat-kritisch waren, die Bewertung von Monsanto und Co. einfach übernommen, ohne das entsprechend zu kennzeichnen. Und beurteilt wurden diese Studien in der Regel als "not reliable" – also nicht relevant. Das hat insgesamt das Vertrauen in die Zulassungsverfahren massiv erschüttert. Dazu kommen noch die so genannten "Monsanto Papers" aus den USA, die den Verdacht nähren, der Glyphosat-Hersteller könnte die Arbeit von Behörden und Forschern beeinflusst haben.

Glyphosat als Unkrautbekämpfer

Glyphosat wird vor allem im Ackerbau zur Unkrautbekämpfung eingesetzt. Eine genaue Einsatzstatistik gibt es nicht. Erfasst ist nur, dass pro Jahr in Deutschland rund 5000 Tonnen des Wirkstoffs verkauft werden. Die Universität Göttingen hat vor einigen Jahren eine Befragung bei 500 Betrieben gemacht und da hat sich gezeigt, dass es ein Nord-Süd-Gefälle gibt. Am intensivsten ist der Glyphosateinsatz demnach auf den ganz großen Betrieben in den neuen Bundesländern. In Bayern und Baden-Württemberg wird der Stoff in deutlich geringerem Umfang verwendet.

Molkerei Berchtesgadener Land verbietet Lieferanten Glyphosat-Einsatz

Die kleine Gruppe "sternenfair Milch" hat ihren Lieferanten die Verwendung von Glyphosat ebenfalls bereits verboten. Darüber hinaus ist vorstellbar, dass sich noch weitere Molkereien anschließen. Es ist ein bisschen so wie bei der Kennzeichnung "gentechnikfrei". Die Molkereien wissen natürlich, dass die Verbraucher gegenüber Glyphosat skeptisch sind; da ist es für das Image nicht schlecht, wenn man sich davon distanziert.

Im Grünlandbereich ist der Glyphosateinsatz ohnehin nicht so ein großes Thema. Zur Erinnerung: Glyphosat macht alles platt, was grün ist – auf einer Futterwiese wäre es eher kontraproduktiv.

Alternativen zu Glyphosat?

Wenn der EU-Ausschuss heute entscheidet, die Zulassung nicht zu verlängern, welche Auswirkungen hat das dann auf die bayerischen Bauern? Sie hätten auf jeden Fall mehr Arbeit, denn sie müssten Unkraut verstärkt mechanisch – also mit Maschinen und Werkzeug - bekämpfen. Das hätte nebenbei den unerwünschten Effekt, dass vermutlich mehr CO2 ausgestoßen wird, weil der Bulldog eben viele Runden mehr auf dem Acker drehen muss. Im Grunde müssten die Landwirte zur Bearbeitungsform vor 1970 zurückkehren. 

Glyphosat-Ersatz umweltschonender?

Viele befürchten, dass Glyphosat dann durch andere, ebenfalls schädliche Herbizide ersetzt wird? Diese Befürchtung gibt es natürlich. Pflanzenbaufachleute sagen aber, dass es bis jetzt gar keine chemische Alternative zum Glyphosat gibt.

Forscher sehen Zusammenhang mit Artensterben

Das ist möglicherweise die noch viel gravierendere Seite. Es ist einfach eine Tatsache, dass vieles von dem, was der Bauer als "Unkraut" bezeichnet, der Lebensraum oder die Futterpflanze einer Vielzahl von Lebewesen ist. Wenn auf riesigen Flächen nichts anderes mehr wächst als nur noch Mais oder Getreide, dann finden die Insekten einfach keinen Lebensraum mehr und auch nichts mehr zu fressen. Und dann geht die Kaskade weiter – wenn es nicht mehr genügend Insekten gibt, dann finden auch die Vögel kein Futter mehr.

Ohne Glyphosat steigen Lebensmittelpreise?

Mehr mechanische Unkrautbekämpfung heißt mehr Arbeit und das bedeutet natürlich auch höhere Produktionskosten. Das heißt aber noch lange nicht, dass das dann auch wirklich auf die Preise durchschlägt. Letztendlich bestimmen immer Angebot und Nachfrage den Preis. Während der Milchkrise hatten die Landwirte unveränderte Produktionskosten. Weil aber so viel Milch auf dem Markt war, ging der Milchpreis in den Keller.