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Sebastian Kurz

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Zeitenwende in Österreich

Die konservative ÖVP hat mit Sebastian Kurz einen fulminanten Wahlsieg eingefahren. Nun zeichnet sich eine Koalition mit der FPÖ ab. Seine Partei hat Kurz schon umgekrempelt, nun soll das Land drankommen. Eine Einschätzung von Clemens Verenkotte

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Der strategische Plan von Sebastian Kurz ist aufgegangen: Er hat die angestaubte, ergraute Volkspartei auf sich zugeschnitten. Der von ihm angestrebte „neue politische Stil“ deutet auf einen koalitionspolitischen Neuanfang hin. Ein „Weiter-so“ mit den abgeschlagenen Sozialdemokraten, dem gefühlt ewigen Regierungspartner der Konservativen, ist für einen Mann höchst unwahrscheinlich, der mit 31 Jahren zum Regierungschef Österreichs aufsteigen wird und dessen Gestaltungswille weit über eine einzige Legislaturperiode hinausgeht. 

Strache spricht von gemeinsamem Erfolg

Heinz-Christian Strache, der Vorsitzende der Freiheitlichen Partei, kann sich als der ideologische Wahlsieger betrachten: Über 55 Prozent der Österreicher hätten für das Programm seiner FPÖ gestimmt, da die Konservativen um den Kanzler in spe Sebastian Kurz die inhaltlichen Positionen der Rechtspopulisten übernommen hätten und daher die Stimmenanteile der beiden Parteien als ein gemeinsamer Erfolg anzusehen seien. Damit hat Strache Recht, denn ohne die „Neuausrichtung“ der Konservativen nach rechts hätte es keinen Platz 1 für Sebastian Kurz gegeben. Die FPÖ sei in der „Mitte der Gesellschaft“ angekommen – auch diese Wahlanalyse Straches trifft zu.

Bitter für Kern

Für Christian Kern war es ein bitterer Wahlausgang: Im Mai 2016 als hochgelobter Seiteneinsteiger in der Politik gestartet, verhakte sich der Bundeskanzler in den parteiinternen Fangstricken, hörte bei der Besetzung von wichtigen Wahlkampf-Posten bei den Sozialdemokraten auf die falschen Leute und musste zum Schluss einräumen, dass das Zeitalter der Sozialdemokratie in einem von populistischen Meinungstrend geprägten Europa - gegenwärtig jedenfalls – zu Ende sei.

Eine Herausforderung für die EU

Diszipliniert und persönlich honorig nahm er die Niederlage der jahrzehntelang dominierenden Regierungspartei entgegen. Es ist eine Zeitenwende in Österreich – und es wird dem von den von Grünen aufgestellten und einer Anti-FPÖ-Bewegung vor einem Jahr unterstützten Bundespräsidenten Alexander van der Bellen nicht leicht fallen, als oberster Notar des Landes die erste schwarz-blaue Regierung Österreichs in einigen Wochen abzusegnen. Die Europäische Union erhält bald einen neuen Partner, der den Chor der nationalstaatlichen Eigenständigkeits-Stimmen verstärken wird.