In den letzten Tagen vor den Ferien wird in der Schule sowieso kein richtiger Unterricht gemacht und kurz nach Ferienbeginn schnellen die Preise für Flüge und Zugtickets in die Höhe. So oder so ähnlich dachten wohl einige Familien und fuhren kurzerhand etwas verfrüht in den Urlaub - mit schulpflichtigen Kindern im Gepäck. Weil die Polizei etwa und am Allgäu Airport , ist eine Diskussion darüber entbrannt, wie viel "Trickserei" in diesem Fall vertretbar ist. Der findet die Polizeiaktion zum Beispiel übertrieben, der spricht hingegen von einem notwendigen "Schuss vor den Bug".
Auch in den Kommentaren auf BR24 und in den sozialen Medien gibt es höchst unterschiedliche Meinungen. So schrieb Martin Kraus auf Facebook: "Sehe ich etwas differenziert, in anderen Ländern gibt es Gleittage, um der Tourismusmafia zu entgehen." Wie aber nun ist die rechtliche Lage - hierzulande und bei unseren Nachbarn?
Deutschland: Schulpflicht einhalten - sonst droht Bußgeld
Die allgemeine Schulpflicht gilt in Deutschland seit 1919. Der regelmäßige Besuch der Schule ist seither ein Recht, auf das sich alle berufen können - aber eben auch eine Pflicht. Im heutigen Grundgesetz findet sich allerdings nur der staatliche Erziehungsauftrag - Details sind Sache der Länder. Das jeweilige Schulgesetz regelt Dauer und Inhalt der Schulpflicht ebenso wie die Strafen, die drohen, wenn man dagegen verstößt. Das können etwa Verwarn- oder Bußgelder für die Eltern sein, deren Höhe Städte und Kommunen selbst festlegen. In Berlin wurde eine Mutter 2013 sogar zu neun Monaten Haft auf Bewährung verurteilt, weil ihr die Verletzung der Fürsorge- und Erziehungspflicht vorgeworfen wurde. Ihr Sohn hatte an fast 1.000 Tagen die Schule geschwänzt.
Frankreich: Laissez-faire - aber nicht zu sehr
Bei unseren französischen Nachbarn gilt die Schulpflicht obligatorisch bis zum Alter von 16 Jahren. Die Abwesenheit vom Unterricht ist nur in Ausnahmefällen gerechtfertigt - etwa, wenn das Kind oder ein Familienmitglied erkrankt, bei Autopannen oder einer wichtigen Familienfeier. Die Haltung zum Schulschwänzen könnte man mit "kann ja mal vorkommen" zusammenfassen: Geahndet wird das Fernbleiben selten. Wenn doch, dann droht eine Geldstrafe: 135 Euro werden im Normalfall fällig. Bezahlt man schnell, kann sich das auf 90 Euro reduzieren, bei verzögerter Zahlung erhöht sich der Betrag auf 375 Euro. Auch in Frankreich gab es aber schon Härtefälle: Ein Schüler schwänzte etwa zwei Jahre lang immer wieder die Schule. Als sich seine Fehltage auf fast 80 erhöht hatten, wurde seine Mutter zu einer Bewährungsstrafe von vier Monaten verurteilt.
Informationen von Barbara Kostolnik, ARD-Korrespondentin in Paris
Italien: Großzügige Regelung - bei guten Leistungen
Gesetzlich gilt in Italien: Mindestens drei Viertel der Schultage muss ein Kind anwesend sein, um die Versetzung zu schaffen. Auch hier gilt die Schulpflicht bis zum 16. Lebensjahr, gegenüber gelegentlichen Schwänzern scheint man aber kulant zu sein. Vorhersehbare Absenzen - und dazu gehört auch Urlaub - müssen angekündigt und genehmigt werden, die Entscheidung fällen die Schulen je nach Einzelfall. Ob die Schüler frei bekommen, hängt auch davon ab, ob sie sonst regelmäßig zum Unterricht kommen und dort gute Leistungen erbringen. Ein großes Thema ist das Schulschwänzen speziell in den Ferien zwar nicht, weil die Sommerferien satte drei Monate dauern - genug Zeit also, um ausgiebig in den Urlaub fahren. Allerdings gehen in Italien fast alle Kinder auch am Samstag zur Schule. Wer über das Wochenende wegfahren will, muss streng genommen also auch schwänzen.
Informationen von Julia Mumelter, ARD-Korrespondentin in Rom
Österreich: Fünf Stufen - für notorische "Schulstangler"
Stangeln, so nennt man das Schulschwänzen in Österreich. Wer es damit übertreibt, dem drohen Maßnahmen, die sich - je nach Verhalten des Schwänzers - über fünf Stufen erstrecken können. Zunächst stehen Gespräche mit Verantwortlichen der Schule und den Eltern an, weiter geht's dann zum Beispiel zum Schulpsychologen. Schließlich drohen rechtliche Schritte und eine Meldung an die Jugendwohlfahrt. Hilft das alles nichts, muss die Schulleitung eine Strafanzeige stellen - bis zu 440 Euro werden dann fällig. Ab Herbst soll das Gesetz sogar verschärft werden. Fehlt ein Schüler bis zu drei Tage lang unentschuldigt, wird er verwarnt, ab dem vierten Fehltag droht eine Verwaltungsstrafe von mindestens 110 Euro. Zahlen die Eltern die Strafe nicht, kann eine Ersatzfreiheitsstrafe ausgesprochen werden. Polizeieinsätze bei Schulschwänzern wie in Deutschland sind in Österreich jedoch nicht geplant.
Informationen von Ruslan Amirov, ARD-Studio Wien
Schweiz: Jeder zweite schwänzt - aber es gibt Joker
Bei Fachleuten in der Schweiz heißt das unerlaubte Fernbleiben vom Unterricht Schulabsentismus. Und der ist offenbar verbreitet: Laut einer vor sechs Jahren veröffentlichten landesweiten Studie schwänzte jeder zweite Schweizer Schüler gelegentlich den Unterricht - Jungs häufiger als Mädchen. Damit lag das Alpenland im internationalen Vergleich über dem Durchschnitt. Oft tolerierten Eltern das: Fast 30 Prozent gaben an, bereit zu sein, eine Entschuldigung zu schreiben oder ein Arztzeugnis einzuholen. Das Schulschwänzen hat je nach Kanton und Schule unterschiedliche Konsequenzen. So muss nicht nur der Lernstoff nachgeholt werden, sondern es drohen mitunter auch Arbeitseinsätze im Altersheim oder auf einem Bauernhof. Auch in der Schweiz kommt es übrigens vor, dass Eltern ihre Kinder vor den Schulferien plötzlich krank werden, weil die Familie schon vor dem offiziellen Ferienbeginn eine Reise antreten will. Hier drohen zum Teil saftige Geldstrafen, die Bußgelder liegen je nach kantonaler Bildungsdirektion zwischen 200 und 2.000 Franken. In der Regel werden sie zunächst "nur" angedroht und erst im Wiederholungsfall beantragt. In vielen Kantonen hat man die Möglichkeit geschaffen, an einer bestimmten Zahl von sogenannten Jokertagen die Schüler vom Unterricht zu befreien.
Informationen von Dietrich Karl Mäurer, ARD-Korrespondent in Zürich
Belgien und Niederlande: Entspannter als die Bayern
Grundsätzlich wird das Thema Schule von unseren belgischen und niederländischen Nachbarn ähnlich streng gehandhabt wie bei uns. Sowohl in Belgien als auch in den Niederlanden gilt seit Beginn des 19. Jahrhunderts Schulpflicht. Wird ein schulpflichtiges Kind nicht in einer staatlichen oder staatlich anerkannten freien Schule eingeschrieben oder planen seine Eltern aus besonderen Gründen Heim-Unterricht, müssen die Behörden bis spätestens zum 30. September informiert werden. Im Föderalstaat Belgien sind für das Kultus-Ressort die drei Sprachgemeinschaften zuständig, also die flämische, die wallonische oder die kleine deutsche, im Osten des Landes. Personen, die dieser Verpflichtung nicht nachkommen, werden angezeigt. Auch das Schwänzen ist natürlich rechtlich geregelt. Allerdings sieht man dieses Problem zum Ferienbeginn etwas entspannter als offenbar in Bayern. So müssen Eltern in Belgien nicht mit Konsequenzen rechnen, wenn sie zum Beispiel schon am Freitagmorgen mit dem Nachwuchs in den Urlaub starten. Die Zeugnisse werden mit Bedacht einfach einen Tag früher verteilt. In den liberalen Niederlanden sind Schüler ab 12 sogar selbst für den regelmäßigen Schulbesuch verantwortlich. Unentschuldigtes Fehlen wir erst nach dem dritten Tag ans Ordnungsamt gemeldet. Notorisches Schulschwänzen wird zwar auch hier verfolgt. Geldbußen oder gar Gefängnisstrafen sind aber äußerst selten, da sich eigens angestellte Gemeindebeamte schon früh um "Wiederholungstäter" kümmern, um den individuellen Ursachen auf den Grund zu gehen.
Informationen von Holger Romann, ARD-Korrespondent in Brüssel