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Rettungswagen in München

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Rettungsdienste in Not: Sparmaßnahmen bei Rettungswagen

Seit Jahren steigen die Einsätze von Rettungsdiensten in Bayern. Trotzdem haben die Krankenkassen bis 2020 eine Ausweitung der Nutzungsdauer für die Autos durchgesetzt. Das bedeutet: mehr Kilometer und längere Haltezeit. Von Mathias Flasskamp

Über dieses Thema berichtet: Bayern am .

In der Mercedes-Werkstatt Ottobrunn steht ein Sprinter mit Kastenaufbau. Die beiden Blaulichter auf der Fahrerkabine, die rot-goldenen Streifen an den Seiten und das Emblem der Johanniter am Heck weisen ihn als Rettungswagen aus. Da steht er und sollte doch eigentlich fahren. Rettungswachenleiter Stefan Füger wartet darauf, dass der Wagen endlich fertig wird. Er braucht ihn auf der Wache.

"Das war jetzt eine normale Servicereparatur, aber mit der erhöhten Laufleistung wird das natürlich immer aufwendiger und auch die Kosten immer höher." Stefan Füger, Rettungswachenleiter

Abschlussgespräch mit dem Kundendienstbetreuer, Schlüsselübergabe und dann fährt Füger mit dem Rettungswagen vom Hof. Das Einsatzfahrzeug ist vier Jahre alt. Der Tacho zeigt über 230.000 Kilometer an. Früher war das ziemlich genau die Nutzungsgrenze. Aber jetzt müssen die Bayerischen Rettungsdienste ihre Fahrzeuge bis zu 40.000 Kilometer und mindestens ein Jahr länger nutzen. Das hat die Arbeitsgemeinschaft der Bayerischen Krankenkassen durchgesetzt. Der Kostenträger verspricht sich durch gestiegene Materialqualität Einsparungen, wie er auf BR-Anfrage schreibt. Stefan Füger kann das nicht verstehen.

Sparmaßnahmen belasten Mensch und Material

Denn die Sparmaßnahmen belasten zwei wichtige Säulen im Einsatz erheblich: Mensch und Material.

"Die Zuverlässigekeit sinkt einfach im Laufe der Jahre. Viele Verschleißreparaturen, die durch die geringere Laufleistung gar nicht angefallen wären, werden auf uns zu kommen. Und es muss auch mehr Zeit und mehr Geld eingesetzt werden, um das Fahrzeug einsatzklar zu halten." Stefan Füger, Rettungswachenleiter

Die Rettungswache in Ottobrunn ist kein Einzelfall. Mehrere Regionalverbände sowohl vom Bayerischen Roten Kreuz als auch von Maltesern und Johanniter klagen über Probleme mit der gestiegenen Nutzungsdauer. Trittbretter brechen ab, Turbolader geben den Geist auf und Kupplungen quittieren den Dienst mitten im Einsatz. Auch Jürgen Wanat, der Landesgeschäftsführer der Johanniter-Unfallhilfe in Bayern, ist unglücklich über die Sparmaßnahmen und bezweifelt auch deren Erfolg

"Wenn sie diese Fahrzeuge früher aussondern, haben sie auch einen höheren Verkaufserlös. Es ist ja nicht so, dass die Fahrzeuge weggeworfen werden, sondern sie werden verkauft. Und ich glaube nicht, dass sich dieser höhere Erlös dann noch erzielen lässt, wenn die Fahrzeuge immer älter werden." Jürgen Wanat, Landesgeschäftsführer der Johanniter-Unfallhilfe

Hinzu kommt, dass die Einsatzzahlen der Bayerischen Rettungsdienste von 2007 bis 2016 um mehr als 50 Prozent gestiegen sind. Das belegt der Bayerische Rettungsdienstbericht 2017. Angesichts der steigenden Belastungsintensität herrscht in der Branche Unmut über die Sparauflagen.

BRK will Beschluss zurücknehmen lassen

Im 5. Stock eines weißen Hochhauses am Münchner Westpark sitzt Leonhardt Stärk, der Landesgeschäftsführer des BRK, an seinem Schreibtisch und zieht ein missmutiges Gesicht. Das Bayerische Rote Kreuz besorgt federführend für alle Rettungsorganisationen in Bayern die Einsatzwagen und verhandelt mit den Krankenkassen. Jetzt, wo sich die ersten Auswirkungen zeigen, müsse das Verhandlungsergebnis nochmal überdacht werden, meint er.

"Wir werden den Kostenträgern jetzt nachweisen, dass wir hier doch eine enorme Belastung haben und müssen in die Belastung wieder einsteigen. Sachlich nachweisen, wie diese Entwicklung ist und verlangen, dass man diese Entwicklung zurücknimmt." Leonhardt Stärk, Landesgeschäftsführer des BRK

Stefan Füger hat unterdessen den Krankenwagen von der Werkstatt in der Rettungswache gefahren. Er stellt den Wagen einsatzbereit in der Garage ab, geht in sein Büro und heftet die Werkstattrechnung bei den anderen in einem dicken Aktenordner ab. Dann widmet er sich seiner eigentlichen Aufgabe. Dienstplan- und Einsatzbesprechung mit seinen Mitarbeitern. Trotz der Probleme tun sie alles dafür, um jederzeit einsatzbereit zu sein.