Archivbild: Protest gegen Todesstrafe im Iran
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Drei weitere Todesurteile im Zusammenhang mit Protesten im Iran

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Drei weitere Todesurteile im Zusammenhang mit Protesten im Iran

Im Zusammenhang mit den Protesten hat ein iranisches Gericht drei weitere Todesurteile verhängt. Fünf Männer, darunter Fußballprofi Nasr-Azadani, erhielten lange Haftstrafen. Die Hinrichtungen am Wochenende lösten international scharfe Kritik aus.

Über dieses Thema berichtet: BAYERN 3-Nachrichten am .

Im Iran hat die Justiz drei weitere Todesurteile im Zusammenhang mit den systemkritischen Protesten gesprochen. Wie das Justizportal Misan mitteilte, wird den Verurteilten zur Last gelegt, im November drei Sicherheitsbeamte in der Millionenstadt Isfahan im Zentraliran getötet zu haben. Gegen die Urteile kann noch Berufung eingelegt werden.

26 Jahre Haft für iranischen Fußballprofi Amir Nasr-Azadani

In dem Prozess wurden zudem gegen fünf weitere Männer Haftstrafen verhängt, unter ihnen der ehemalige Fußballprofi Amir Nasr-Azadani. Er wurde in drei Anklagepunkten zu insgesamt 26 Jahren Gefängnis verurteilt. Nasr-Azadani hatte unter anderem für Irans U16-Nationalmannschaft und in der ersten iranischen Liga gespielt. Ein weiterer Mann wurde demnach freigesprochen.

Am Samstag hatte der Iran zwei Männer erhängt. Sie wurden für den Tod eines Sicherheitsbeamten bei Protesten im November verantwortlich gemacht. Aktivisten hatten zuvor das "unfaire Schnellverfahren" angeprangert. Es habe "nichts mit einem aussagekräftigen Gerichtsverfahren" gemeinsam, erklärte Amnesty International. Im Zusammenhang mit den seit mehr als drei Monate andauernden Protesten in dem Land wurden damit offiziell insgesamt vier Demonstranten hingerichtet.

Scharfe Kritik nach Hinrichtungen

Die Hinrichtungen sorgten international für scharfe Kritik. Die Bundesregierung reagierte mit Entsetzen. Das iranische Regime setze "auf die Todesstrafe als Mittel der Unterdrückung", schrieb Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) auf Twitter. "Wir fordern #Iran auf, keine Todesurteile zu vollstrecken und die zu Unrecht Inhaftierten sofort freizulassen."

Regierungssprecher Steffen Hebestreit rief die Regierung in Teheran dazu auf, die Todesstrafe unverzüglich abzuschaffen. Man werde gemeinsam mit den Bündnispartnern den Druck auf den Iran weiter erhöhen, sagte er in Berlin.

Regierungssprecher Steffen Hebestreit
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Regierungssprecher Steffen Hebestreit

Baerbock lässt iranischen Botschafter einbestellen

Nach der Hinrichtung von zwei weiteren Demonstranten im Iran lässt Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) erneut den iranischen Botschafter ins Auswärtige Amt einbestellen. Ihm solle unmissverständlich klargemacht werden, "dass die brutale Repression, die Unterdrückung und die Terrorisierung der eigenen Bevölkerung sowie die jüngsten beiden Hinrichtungen nicht ohne Folge bleiben", sagte sie am Montag in Berlin in einer Pressekonferenz mit ihrem zyprischen Kollegen Ioannis Kasoulides.

Zugleich betonte Baerbock: "Ein Regime, das seine eigene Jugend ermordet, um seine Bevölkerung einzuschüchtern, hat keine Zukunft." Auch auf Twitter äußerte sie sich bestürzt: "Zwei weitere schreckliche Schicksale, die uns bestärken, mit der EU den Druck auf Teheran weiter zu erhöhen", schrieb die Ministerin.

EU und weitere Länder reagieren mit Entsetzen und Empörung

Auch die EU reagierte "entsetzt" auf die Hinrichtungen. Die Europäische Union fordere die iranischen Behörden erneut auf, "die höchst verwerfliche Praxis, Todesurteile gegen Demonstranten zu verhängen und zu vollstrecken, sofort zu beenden" und die jüngst verhängten Todesurteile "unverzüglich aufzuheben", erklärte Nabila Massrali, eine Sprecherin des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell.

Die französische Regierung bezeichnete die Hinrichtungen als "empörend". Das Außenministerium in Paris rief Teheran dazu auf, den "legitimen Freiheitsbestrebungen des iranischen Volkes" Gehör zu schenken. Die Niederlande bestellten den iranischen Botschafter ein, um ihm ihre "ernste Besorgnis" mitzuteilen und riefen die EU-Mitgliedsstaaten auf, dies ebenfalls zu tun.

Das US-Außenministerium verurteilte die Hinrichtungen "aufs Schärfste" und sprach von "Scheinprozessen" gegen die beiden Hingerichteten. Kanada forderte den Iran auf, die "sinnlosen Hinrichtungen" zu beenden.

UN-Hochkommissariat für Menschenrechte: "Erpresste Geständnisse"

Das UN-Hochkommissariat für Menschenrechte verurteilte auf Twitter die "auf erpressten Geständnissen" basierenden Prozesse im Zusammenhang mit den Protesten. Es sei "schockierend, dass der Iran trotz des internationalen Aufschreis weiterhin Demonstranten" hinrichte.

Der Chef der in New York ansässigen Menschenrechtsorganisation Center for Human Rights in Iran (CHRI), Hadi Ghaemi, warf der Regierung in Teheran vor, durch "Hinrichtungen und tödliche Gewalt" Angst und Schrecken unter der Zivilbevölkerung zu verbreiten und damit die Hoffnungen nach Veränderung "zunichte zu machen".

Papst fordert Abschaffung der Todesstrafe

Auch Papst Franziskus kritisierte den Iran wegen der Todesurteile scharf. "Das Recht auf Leben ist auch dort bedroht, wo die Todesstrafe weiterhin verhängt wird, wie in diesen Tagen im Iran nach den jüngsten Demonstrationen, die einen größeren Respekt für die Würde der Frauen fordern", sagte das Oberhaupt der römisch-katholischen Kirche in seiner jährlichen Ansprache an die beim Vatikan akkreditierten Diplomaten.

Die Todesstrafe könne nicht für eine angebliche staatliche Gerechtigkeit eingesetzt werden, da sie weder abschreckend wirke noch den Opfern Gerechtigkeit widerfahren lasse, "sondern nur den Durst nach Rache schürt". Der Papst bekräftigte seinen Appell, die Todesstrafe weltweit abzuschaffen. Es ist die bislang schärfste Kritik des Papstes am Vorgehen der iranischen Führung gegen die landesweiten Proteste.

Auslöser der landesweiten Proteste im Iran war der Tod von Jina Mahsa Amini am 16. September 2022 in Polizeigewahrsam. Die iranische Kurdin war von der sogenannten Sittenpolizei wegen Verstoßes gegen die im Iran geltenden islamischen Kleidungsvorschriften festgenommen worden.

Auszeichnung für Menschenrechtsaktivistinnen

Unterdessen wurde bekannt, dass drei Menschenrechtsaktivistinnen aus der Ukraine, Türkei und dem Iran in diesem Jahr mit dem schwedischen Olof-Palme-Preis ausgezeichnet werden. Das gab der Olof-Palme-Gedächtnisfond in Stockholm bekannt. Die Ukrainerin Marta Tschumalo, Eren Keskin aus der Türkei und die Iranerin Narges Mohammadi kämpften in einer Zeit von durch Krieg, Gewalt und Unterdrückung bedrohten Menschenrechten für die Freiheit von Frauen, so die Stiftung. Gemeinsam mit vielen Mitstreiterinnen hätten sie andere inspiriert und den Weg für diejenigen jungen Frauen und Männer geebnet, die nun den Kampf für die grundlegenden Rechte aller Menschen weiterführten.

Der Preis ist mit insgesamt umgerechnet knapp 94.000 Euro dotiert und wurde 1987 in Gedenken an Schwedens Ministerpräsidenten Olof Palme geschaffen, der ein Jahr zuvor in Stockholm ermordet worden war. Geehrt werden die diesjährigen Preisträgerinnen am 1. Februar in Stockholm.

Mit Informationen von dpa, KNA, Reuters und AFP

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