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Perspektivlos in Gaza

Die Wirtschaft ist schwach, die Arbeitslosigkeit hoch – Nährboden für Kriminalität und Extremismus

Vorsichtig schneidet die Seminarleiterin einen schwarz-weiß karierten Stoff. Aus ihm soll später ein Mädchenkleid werden. In der Werkstatt der Hilfsorganisation Almanal im Zentrum des Gazastreifens stehen etwa zehn Frauen. Das Seminar – ein möglicher Ausweg aus der Armut. Keine von ihnen hat einen Job. Eine der Frauen heißt Nuha Abu Sabra, sie hat sieben Kinder. Um ihre Familie zu unterstützen, möchte sie bald eine Schneiderei eröffnen.

"Es geht uns nicht gut. Ständig muss ich mir von meinem Vater Geld leihen. Mein Mann hält sich mit Gelegenheitsjobs über Wasser. Er verdient 500 Schekel im Monat." Nuha Abu Sabra, Seminarteilnehmerin

500 Schekel, das sind umgerechnet 120 Euro. Viel zu wenig, um zu überleben. Die Hälfte der knapp zwei Millionen Einwohner im Gazastreifen ist auf Lebensmittelhilfen angewiesen. „Die Bevölkerung ist verwundbar. Die haben einfach nichts. Wir können nur noch unterscheiden zwischen arm und extrem arm. Die Arbeitslosigkeit im Gazastreifen ist so hoch, wie sonst nirgendwo auf der Welt. Bei den Jugendlichen liegt sie bei 60 Prozent“, sagt Adnan Abu Hasna, Sprecher von UNRWA.

Manche rutschen in die Kriminalität

Selbst mit Schulbildung und Uniabschluss kommen junge Palästinenser im Gazastreifen nicht weiter. Diya Anbar hat zwei Universitätsabschlüsse: Ingenieurswissenschaften und Betriebswirtschaft. Trotzdem hat auch die 30-Jährige keinen Job: „Ich bin frustriert. Die Chancen, im Gazastreifen Arbeit zu finden, sind fast gleich Null. Es gibt Momente, da habe ich einfach keine Lust mehr.“ Adnan Abu Hasna von den Vereinten Nationen warnt: Der Frust bei jungen Palästinensern ist so groß, dass sie psychisch krank werden. 400.000 Palästinenser im Gazastreifen seien betroffen. Manche würden jetzt klauen und Drogen nehmen – Dinge, die es in der konservativen Gesellschaft in Gaza eigentlich nie gegeben habe.

"Die jungen Menschen haben nichts zu verlieren. Sie haben keine Zukunft, keine Hoffnung, keine Jobs. Sie dürfen ja noch nicht einmal den Gazastreifen verlassen. Die Zahl derer, die sich Extremisten anschließen, steigt immer weiter. Wir sind uns dieser Gefahr sehr bewusst." Adnan Abu Hasna, Sprecher von UNRWA

Rund 200 US-Dollar pro Monat zahlen bewaffnete radikale Organisationen wie der islamische Dschihad. Für junge Männer ein attraktives Angebot. Die Absolventin Diya Anbar hat sich fest vorgenommen, nicht auf die schiefe Bahn zu geraten. Anbar will sich auf Werbung im Internet spezialisieren. Denn das Netz kennt keine Grenzen und keine israelischen Blockaden. Nach UN-Angaben arbeiten schon über 10.000 Gazaner über das Internet für Firmen im Ausland. Für Google, Microsoft und sogar für israelische Unternehmen. Diya Anbar würde den Gazastreifen am liebsten verlassen. Auf die Frage, wo sie am liebsten leben würde, zögert sie nicht lange. „Deutschland“, sagt sie, „ja, das ist mein Traum!“

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