Ein Mitarbeiter nimmt ein Blech mit Brezeln aus dem Backofen einer Bäckerei
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Ein Mitarbeiter nimmt ein Blech mit Brezeln aus dem Backofen einer Bäckerei

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12,82 Euro: Wie fair ist der neue Mindestlohn?

Ob Einkäufe, Heizung oder Strom: Zuletzt sind die Preise inflationsbedingt gestiegen. Das spüren vor allem Menschen, die ohnehin wenig Geld haben. Der neue Mindestlohn soll helfen, in zwei Schritten ist ein Anstieg auf 12,82 Euro geplant. Reicht das?

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Wer wenig Geld hat, spürt die Inflation schneller und stärker: egal, ob beim Supermarkteinkauf, beim Heizen oder beim Stromverbrauch. Der neue Mindestlohn könnte Abhilfe schaffen. Empfohlen hat die Mindestlohnkommission eine Erhöhung bis 2024 auf 12,41 Euro und bis 2025 auf 12,82 Euro. Aber reicht das?

Nein, findet zumindest Thorsten Schulten, Tarifexperte von der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung. "Jetzt haben wir diese hohen Inflationsraten gesehen, dementsprechend hätte es eine auch ausgleichende Anpassung geben müssen - und zwar auf 13 oder 13,50 Euro."

Etwa sechs Millionen Menschen verdienen auf Mindestlohnniveau

Laut Statistischem Bundesamt waren zum 1. Oktober 2022 rund 5,8 Millionen Jobs von der jüngsten Erhöhung des Mindestlohns betroffen. Laut Experte dürften es jetzt ähnlich viele Menschen sein. Für viele von ihnen reiche das Geld nicht aus - und am Ende müsse die Allgemeinheit die Kosten dafür tragen, sagt Schulten.

"In vielen Großstädten sind die Wohnkosten so hoch, dass selbst Singles, die nah am Mindestlohn oder knapp darüber verdienen, oft zusätzlichen Anspruch auf Aufstockungsleistungen haben." Familien oder Alleinerziehenden seien noch öfter darauf angewiesen.

Bauernverband und Dehoga fürchten Nachteile für Betriebe

Dass Mitarbeiter von ihrem Lohn leben können sollten, findet auch der Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga). Allerdings sieht der bayerische Landesgeschäftsführer Thomas Geppert die Stellschrauben nicht beim Mindestlohn: "Entscheidend ist, dass bei den Arbeitnehmern mehr Geld übrig bleibt. Deswegen müssen wir eher die Einkommenssteuer senken."

Auch wenn Gaststätten und Hotels jetzt schon oft mehr als den Mindestlohn zahlen würden, um überhaupt Personal zu finden, hält er eine weitere Anhebung für falsch: "Wir werden die Mitarbeiter irgendwann nicht mehr bezahlen können, weil es sich ja vom untersten bis zum obersten durchzieht, diese Lohnsteigerungsspirale. Dann werden wir Betriebe haben, die in Existenznot kommen."

Noch deutlicher kritisiert der Bayerische Bauernverband die vorgeschlagene Mindestlohnerhöhung. Für die Landwirtschaft sei das unzumutbar. Gerade im Bereich Obst-, Gemüse- und Weinanbau werde man Betriebe verlieren, weil die Konkurrenz im Ausland oft niedrigere Mindestlöhne habe.

Tarifexperte: Kritik der Arbeitgeber "Jammerei"

Tarifexperte Schulten hält das für Schwarzmalerei von Seiten der Arbeitgeber: "Schon bei der Einführung des Mindestlohns prognostizierten einige Wirtschaftswissenschaftler Millionen von Arbeitslosen. Das ist nicht eingetreten - und auch bei der letzten Erhöhung auf 12 Euro hieß es das wieder." Nichts davon sei eingetreten - und sogar die Mindestlohnkommission habe das bereits festgestellt. "Das heißt, diese Jammerei gehört offenbar zum Geschäft", so Schulten.

Landratswahl in Sonneberg - eine Folge von niedrigen Löhnen?

Niedrige Löhne, die kaum zum Leben reichten, hätten auch politische Folgen, so der Tarifexperte. Dafür müsse man in den Osten schauen, wo viel mehr Menschen von Mindestlohn leben als etwa in Bayern: "Sonneberg gehört ja zu den Landkreisen, die in Deutschland die höchste Mindestlohnquote haben. Insofern sieht man, dass diese Entscheidungen über den Mindestlohn durchaus politische Implikationen haben", so Schulten. Das thüringische Sonneberg ist der Landkreis, in dem vergangenen Sonntag erstmals ein AfD-Politiker zum Landrat gewählt wurde.

Die Arbeitgeber, die in der Mindestlohnkommission sitzen, müssten sich ihrer gesellschaftlichen Verantwortung stärker bewusst werden, so Schultens Schlussfolgerung.

Im Video: Geplanter Anstieg des Mindestlohns 2024 und 2025

Geplanter Anstieg des Mindestlohns 2024 und 2025
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Geplanter Anstieg des Mindestlohns 2024 und 2025

Dieser Artikel ist erstmals am 27. Juni 2023 auf BR24 erschienen. Das Thema ist weiterhin aktuell. Daher haben wir diesen Artikel erneut publiziert.

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