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Kirchenasyl

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Neue Regelungen: Kirchenasyl wird erschwert

Die Innenministerkonferenz verlängert die Frist, Flüchtlinge nach einem Kirchenasyl abzuschieben, die unter die Dublin-Verordnung fallen. Ab sofort ist eine Abschiebung bis zu 18 Monate lang möglich, bisher waren es sechs Monate.

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Über dieses Thema berichtet: radioWelt am .

Diakon David Geitner konnte die Nachricht seines Anwalts erst nicht fassen. Der Diakon betreut in Ottensoos bei Nürnberg zwei Menschen im Kirchenasyl, ein Geschwisterpaar aus Syrien. Die 26- und der 28-Jährige warten seit einem halben Jahr, dass Deutschland ihnen ein Asylverfahren eröffnet. Ohne Erfolg. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) habe nun klar gemacht, dass für die beiden Syrer schon jetzt die 18-monatige Rücküberstellungsfrist für eine Abschiebung ins Land ihrer Ersteinreise, also nach Italien, gilt.

"Es ist sehr schwierig, weil mit jeden Tag für die Betroffenen die Situation angespannter wird. Auch die psychischen Auffälligkeiten werden dramatischer. Wir werden alles geben, aber es ist schwierig, das noch ein Jahr durchzuziehen." David Geitner, Diakon in Ottensoos

Für Diakon David Geitner ist die neue Frist ein eindeutiger Angriff auf das Kirchenasyl an sich. Auch andere Kirchengemeinden und Bischöfe, das Zentralkomitee der deutschen Katholiken sowie die Ökumenische Bundesarbeitsgemeinschaft Asyl sehen die neue Regelung des BAMF mit Sorge. "Natürlich wären 18 Monate eine wesentliche Erschwerung für alle Beteiligten", sagt Thomas Zugehör, der offizielle Berater für Kirchenasyl der evangelischen Landeskirche, "der Asylbewerber wäre frustriert über diese lange Zeit und auch die Helfer wären frustriert, weil sie wissen, sie sind über diese Zeit an das Engagement gebunden. Das erschwert Kirchenasyl beträchtlich."

Streitpunkt in Sachen Kirchenasyl: Was bedeutet "flüchtig"?

Nach der Dublin III-Verordnung muss ein Flüchtling innerhalb von sechs Monaten in den zuständigen EU-Staat überstellt werden. Bleibt er solange im Kirchenasyl, konnte er bislang danach in Deutschland Asyl beantragen. Die Dublin-Verordnung sieht eine Verlängerung dieser Frist auf 18 Monate nur dann vor, wenn der Asylbewerber als „flüchtig“ gilt. Und hier scheiden sich die Geister: Viele Ausländerbehörden und einzelne Verwaltungsgerichte sehen im Kirchenasyl eine Art Flucht und drängen daher auf die 18-Monatsfrist. Die Kirchen argumentieren dagegen, dass jedes Kirchenasyl dem BAMF und den Ausländerbehörden gemeldet wird und somit der Geflüchtete nicht untergetaucht ist.

"Ein Kirchenasyl ist nie gleichgesetzt mit flüchtig sein, weil es ja kein Verstecken ist, sondern, weil die Behörden von Anfang an wissen, wo der Betroffene sich aufhält. Sie könnten jederzeit die Abschiebung vollziehen und tun es nicht aufgrund politischer und kirchlicher Vereinbarungen." Dieter Müller, Flüchtlingsdienst der Jesuiten in München

Gemeinde muss Kirchenasyl rechtzeitig anmelden

Das BAMF will die neue 18-Monatsfrist trotzdem anwenden. Die Frist solle nur dann nicht gelten, wenn die Gemeinde das Kirchenasyl rechtzeitig anmeldet, ein Dossier erstellt mit Auflistung der Gründe, die gegen eine Abschiebung sprechen und die Behörden damit überzeugt. Da aber zuletzt nur bei etwa 20 Prozent aller eingereichten Dossiers das BAMF ein neues Asylverfahren gestartet hat, halten viele diese Dossiers für nutzlos. Nur bei der Hälfte der 1.561 gemeldeten Kirchenasyle im vergangenen Jahr haben die Gemeinden ein solches Papier eingereicht.

Dossiers werden nicht eingereicht oder bleiben wirkungslos

"So ein Pfarrer hat sehr viele Dinge zu tun, der wartet nicht unbedingt darauf, ein Dossier ausfüllen zu müssen", sagt Thomas Zugehör von der evangelischen Landeskirche, "in der Vergangenheit wurden oft Dossiers abgelehnt, dann hat man gesagt, man füllt es erst gar nicht aus."

Fragt man das bayerische Innenministerium nach den Gründen für die neue Frist, wird man ans BAMF verwiesen. Dort wiederum berufen sich die Vertreter auf die Konferenz der Innenminister: Änderungen der bisherigen Praxis seien erforderlich, so die knappe Antwort. Für Dieter Müller vom Jesuiten Flüchtlingsdienst wäre nun der Gang bis vors Bundesverfassungsgericht denkbar, um die 18-Monatsfrist zu stoppen. Auch Diakon David Geitner aus Ottensoos will mit der Hilfe eines Anwaltes die neue Regelung in seinen Kirchenasylfällen anfechten.