Andrea Nahles

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Nahles stellt sich zur Wahl als neue SPD-Fraktionschefin

Drei Tage nach ihrem schlechtesten Bundestagswahlergebnis der Geschichte trifft sich die neue Bundestagsfraktion der SPD zu ihrer ersten Sitzung. Noch-Arbeitsministerin Andrea Nahles soll neue Chefin werden. Von Daniel Pokraka

Es war ein Appell, den Martin Schulz sicher nicht umsonst an die Konservativen in der SPD richtete. Am Montagabend, beim Gartenfest des Seeheimer Kreises, warb der Parteichef mit Nachdruck dafür, Nahles mit einem ordentlichen Ergebnis ins Amt zu wählen.

"Ich würde mir wünschen, dass Andrea das gleiche Vertrauen bekommt, das ich in den Gremien bekommen habe." Martin Schulz

Spärlicher Applaus der Konservativen für Nahles

Es gab dafür keinen Applaus beim Gartenfest der Seeheimer, und auch ansonsten fiel der Beifall eher spärlich aus, wenn bei den konservativen SPDlern Nahles erwähnt wurde. Dass sie heute ein starkes Ergebnis bekommt, ist keineswegs selbstverständlich. Eine Prognose mögen sie bei der SPD nicht gern abgeben.

Die oberpfälzische Abgeordnete Marianne Schieder sagt schulterzuckend: "Ach, die Mehrheit braucht sie." Bayerns SPD-Generalsekretär Uli Grötsch geht davon aus, dass sich die Fraktion "geschlossen" hinter Nahles stellt, und Martina Stamm-Fibich aus Mittelfranken findet es unwichtig, ob Nahles am Ende 82, 87, 91 oder 100 Prozent bekommt.

Nahles Rolle bei Müntefering-Sturz ist nicht vergessen

Fakt ist: Viele vom rechten Flügel der SPD haben nicht vergessen, dass Nahles 2005 den Sturz von Parteichef Franz Müntefering in Kauf nahm. Sie kandidierte damals gegen dessen Willen als Generalsekretärin. Nahles wurde vom Vorstand gewählt, Müntefering warf hin, Nahles verzichtete - und bekam den Job vier Jahre später doch noch.

Weitere vier Jahre später, 2013, wurde sie Arbeitsministerin, setzte den Mindestlohn und die Rente mit 63 durch. "Sie hat geliefert", wie man im Politikbetrieb sagt, und sogar CSU-Chef Horst Seehofer bescheinigte ihr, eine "sehr gute Ministerin" zu sein.

Oppermann: Nahles ist "gradlinig, kompetent und erfahren"

Heute folgt mit der Wahl zur Fraktionschefin der nächste Karriereschritt. Thomas Oppermann, derzeit noch SPD-Fraktionschef, lobt seine designierte Nachfolgerin als gradlinig, kompetent und politisch erfahren. Die SPD werde mit Nahles jünger, weiblicher und dynamischer.

Dynamisch und sicher auch angriffslustig - aller Voraussicht nach wird Nahles im Bundestag die neue Oppositionsführerin. Einen Vorgeschmack darauf gab sie vor einigen Wochen, bei der letzten Bundestagsdebatte vor der Wahl. Da griff sie Kanzlerin Angela Merkel gleich mehrfach persönlich an.

Nahles' Karriere in der Bundes-SPD begann Mitte der Neunziger als Vorsitzende der Jusos. 1998 zog sie in den Bundestag ein. Arbeitsmarktpolitik machte sie auch damals schon, lange bevor sie Ministerin wurde.

Kind der Eifel, katholisch, eine Tochter, Bauernhof

Geboren und aufgewachsen ist Nahles in Rheinland-Pfalz, in einem Dorf in der Eifel. Mit Berlin hat sie sich arrangiert, aber lieber verbringt sie ihre Zeit in der Heimat. Sie wohnt dort auf einem Bauernhof, der schon ihren Urgroßeltern gehörte. Nahles ist katholisch, und zwar nicht nur auf dem Papier. Außerdem ist sie Mutter einer Tochter, von deren Vater sie getrennt lebt.

Über sich selbst hat Nahles in ihrer Abiturzeitung geschrieben, sie wolle entweder Hausfrau werden oder Bundeskanzlerin. Das erste war sie nie - das zweite kann sie noch werden.