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Ursula Münch, Leiterin der Akademie für politische Bildung Tutzing

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"Seehofer steht unter ganz massivem Druck!"

Die Sondierungsgespräche sind zurzeit das politische Top-Thema des Landes - und für Horst Seehofer wegweisend. Ursula Münch, Chefin der Akademie für Politische Bildung in Tutzing, sagt: Wenn sich die CSU billig verkauft, hat er ein großes Problem.

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Im Interview der Woche auf B5 aktuell legt Politik-Professorin Ursula Münch dar, wie schwierig die Lage für die CSU ist in der jetzigen Sondierung: Da ist zum einen das schwache Ergebnis bei der Bundestagswahl, das noch immer auf das Selbstbewusstsein drücken dürfte. Da ist zum anderen die Landtagswahl im nächsten Jahr, vor der die CSU die sogenannte rechte Flanke schließen will - entsprechend dazu vermutet Münch, dass die Christsozialen weiterhin alles tun werden, um der AfD keine Angriffspunkte und keine Lücke zu bieten; genau das wiederum irritiert die Grünen. Sie hatten ja zuletzt von der CSU verlangt, mit dem "Gerede von der rechten Flanke" aufzuhören. Aber: eben wegen der AfD und der Landtagswahl werde die CSU dieser Forderung nicht entgegenkommen, sagt Münch. Und zu guter Letzt sind da noch die Differenzen mit den anderen Parteien - zwischen CSU, Grünen und FDP gebe es mehr als zwischen CDU, den Grünen und der FDP.

Schwieriges Schwesternverhältnis

Hinzu kommt: Das angespannte Verhältnis der Schwesterparteien. Münch verweist zwar darauf, dass die Beziehung von CSU und CDU auch früher schon oft schwierig war - Stichwort Kreuth, der Trennungsbeschluss von 1976. Aber dass es zurzeit so viele Unterschiede gebe, mache es jetzt den Verhandlungsführern beider Seiten schwer. "Es besteht immer die Gefahr, dass man sich gegenseitig ausspielt." Der Unions-Konsens in der Einwanderungspolitik sei zwar eine Basis - aber womöglich auch keine sonderlich stabile, "wenn einer reingrätscht".

Womit wir bei Horst Seehofer sind, eine der entscheidenden Personen dieser Sondierung. Für Ursula Münch ist klar: Seehofer steht unter ganz massivem Druck. Erstmals gebe es lautstarke Stimmen in der Partei, die fordern, dass er nicht mehr bei der Landtagswahl als Spitzenkandidat antritt. Jetzt also müsse Seehofer ein Jamaika-Ergebnis liefern, das die Basis, "vor allem aber auch die Landtagsfraktion" zufriedenstelle: "Wenn sich die CSU zu billig verkauft, dann ist die Sache auf jeden Fall gelaufen." Hohe Erwartungen haben die CSU-Wähler laut Münch an Seehofer nun vor allem in der Asyl-, in der Landwirtschafts- und in der Industriepolitik. Und natürlich im Bereich Innere Sicherheit. Das sind auch die Themen, die - neben der Klimaschutzpolitik - für Münch die größten Spannungsfelder in den Sondierungsgesprächen sind.

Eine Regierung womöglich erst im neuen Jahr

Besonderer Knackpunkt natürlich: die Flüchtlingspolitik und hier konkret der Schutz der politisch verfolgten Flüchtlinge. Vergleichsweise schnell könnten sich die Jamaika-Partner zwar bei Fragen der Digitalisierung und der sozialen Sicherheit (Renten!) einigen, sagt Münch. Dennoch rechnet sie mit einer langwierigen Sondierung, mit ebenso schwierigen Koalitionsverhandlungen - und damit, dass eine neue Regierung vermutlich erst im nächsten Jahr steht.

Wenn überhaupt. Was ist, wenn Jamaika im Vorfeld scheitert? Stünde die SPD erneut zur Großen Koalition bereit? Eher nicht, meint die Direktorin der Akademie für Politische Bildung in Tutzing. Zwar sei die SPD eine "verantwortungsbewusste" Partei. Aber Martin Schulz, da ist sich Münch sicher, wird nicht unter einer Kanzlerin Merkel arbeiten. Blieben noch Neuwahlen - oder aber eine Minderheiten-Regierung unter der Kanzlerschaft Merkels. Beides möglich, meint Münch. Und beides liegt dann auch in der Entscheidungsgewalt des Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier: "Er wird sich das ganz genau überlegen, was das kleinere Übel ist für das Land."