Kosovos Premierminister Albin Kurti.
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Kosovos Premierminister Albin Kurti.

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Kosovos Premierminister Albin Kurti im ARD-Interview

Seit einem Monat ist er im Amt: Kosovos neuer Premierminister Albin Kurti. Er tritt ein schweres Erbe an. Im ARD-Interview verrät er seine Pläne für das Land: Im Zentrum sollen der Kampf gegen Korruption und neue Arbeitsplätze stehen.

Seit Anfang Februar ist der 44-jährige Albin Kurti neuer Ministerpräsident des Kosovo. Der Regierungschef, der lange Zeit einer der scharfzüngigsten Oppositionspolitiker des Westbalkanstaates war, steht mit seiner Koalition aus seiner linksliberalen Partei "Bewegung Selbstbestimmung" und der konservativ-liberalen "Demokratischen Liga Kosovo" vor einer Mammutaufgabe: Das Land ist ohne finanzielle Hilfe von außen kaum lebensfähig.

Bis zur Regierungsübernahme Kurtis hatten seit dem Kosovo-Krieg Ende der 90er und der Unabhängigkeit im Jahr 2008 führende Mitglieder der UCK, der Kosovo-Befreiungsarmee und dessen politischen Arm das Sagen. Korruption und Vetternwirtschaft blockierten den wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Aufbau des Landes.

Schweres Erbe für Albin Kurti

Serbien betrachtet den Kosovo unverändert als abtrünnige Teilrepublik und lehnt mit Unterstützung Russlands die Aufnahme des Landes in internationale Organisationen ab, wie etwa Interpol. Im Herbst 2018 hatte Kurtis Vorgängerregierung deswegen 100 prozentige Strafzölle auf alle Einfuhren aus Serbien und Bosnien-Herzegowina verhängt. Kein Zweifel: Albin Kurti tritt ein schweres Erbe an. Der Premierminister traf sich mit Clemens Verenkotte in seinem Amtssitz in Pristina zum Interview.

Kampf gegen Korruption und neue Arbeitsplätze

Kosovos Premierminister Albin Kurti betrachtet den Kampf gegen die Korruption sowie die Schaffung neuer Arbeitsplätze als die vorrangigen Aufgaben seiner Regierung. Richter und Staatsanwälte würden sich einer gründlichen Überprüfung unterziehen müssen, kündigte der 44-jährige neue Regierungschef im Interview mit dem ARD Studio Südosteuropa an. Dies gelte auch für den Polizei- und Geheimdienstbereich. Z

udem werbe er unter Auslands-Kosovaren dafür, dass die besten Fachleute für ein bis zwei Jahren zurückkehrten, um beim Aufbau eines demokratischen Staates mit westlichem Arbeitsethos mitzuhelfen. Auf diese Weise wolle er ein neues Kapitel in der Geschichte der Republik Kosovo aufschlagen, betonte Kurti.

"Durch die Absetzung korrupter Beamter in einer Hand, durch die Öffnung von öffentlichen Ausschreibungen für neue, frische, ehrliche Fachleute, um die freigewordenen Posten auszufüllen, verbunden mit dem Überprüfungsprozess im Justiz- und Sicherheitssektor: Das ist meines Erachtens die siegreiche Kombination." Albin Kurti

Erwartungen an Kurti sind hoch

Es gebe in der Bevölkerung eine breite Unterstützung für diesen Kurs, betont Premierminister Albin Kurti, der als integer, unabhängig und politisch selbstbewusst gilt. Die Erwartungen der Menschen an die neue Regierung seien sehr hoch. Im Oktober letzten Jahres hatten seine liberalnationale Partei "Bewegung Selbstbestimmung" sowie sein späterer Koalitionspartner, die konservativ-liberale "Demokratische Liga Kosovo" die Parlamentswahlen mit großer Mehrheit gewonnen. Die Wahlen vom 6. Oktober 2019 hätten gezeigt, dass die Opposition gewinnen könne, anders als in anderen benachbarten Balkanstaaten.

Premierminister Kurti erklärte, er wolle die Erwartungen der Menschen erfüllen und nicht managen. Innerhalb des ersten Monats in Regierungsverantwortung sei es gelungen, teilweise den finanziellen Aderlass in den staatlichen Institutionen zu stoppen.

"Zwei Dinge gehen mir dabei durch den Sinn als Top-Priorität: Arbeitsplätze und Gerechtigkeit. Arbeitsplätze bedeutet Beschäftigung, vor allem für junge Menschen und Frauen; und Gerechtigkeit meint Antikorruption, organisierte Kriminalität und Korruption auf Führungsebene bekämpfen. Arbeitsplätze und Gerechtigkeit gehen Hand in Hand. Deshalb brauchen wir wirtschaftliche Entwicklung und Rechtstaatlichkeit." Albin Kurti

Kosovo belegt Platz 100 im Korruptionsindex

Kurti ist der erste Regierungschef, der nicht aus den Reihen der früheren Befreiungsarmee des Kosovo UCK sowie dessen politischen Ableger stammt. Die Bekämpfung der Korruption in seinem Land – Kosovo steht auf dem Korruptionsindex von Transparancy International von 2019 auf Platz 100 – vergleicht Kurti im ARD-Interview mit dem erfolgreichen Kampf des FBI in den 30ziger Jahren des letzten Jahrhunderts unter Eliot Ness gegen den damaligen Mafia-Boss von Chicago, Al Capone:

"Wir brauchen einige Staatsanwälte, die durch ihr Vorbild führen, d.h. wir brauchen unsere eigenen Leute, die unsere einheimischen Eliot Ness werden, die die organisierte Kriminalität und die Korruption auf hoher Ebene bekämpfen, damit wir unsere inländischen, sagen wir, Al Capones hinter Schloss und Riegel bringen." Albin Kurti

Das jährliche Durchschnittseinkommen liegt bei 10.000 Euro

Die neue Regierung des Kosovo hat eine Fülle von Herausforderungen vor sich: So ist der Kosovo, nach Moldawien, das ärmste Land in Europa, mit einem jährlichen Durchschnittseinkommen pro Kopf von rund 10.000 Euro, einer Arbeitslosenquote von 33 Prozent, einer Jugendarbeitslosigkeit von knapp 60 Prozent. Kosovaren im Ausland tragen mit ihren Überweisungen in die Heimat schätzungsweise zu 17 Prozent zum Bruttoinlandsprodukt bei, weitere zehn Prozent gehen auf Finanzhilfen internationaler Organisationen zurück.

"Für Arbeitsplätze benötigen wir Investitionen in die Wirtschaft, aber ebenfalls brauchen wir eine Brücke zwischen Wirtschaft und Ausbildung. In Deutschland haben Sie ein sehr gutes Modell des dualen Berufssystems, und ich freue mich darauf, dies auch im Kosovo zu haben. Wir haben enorme Lücken bei den Fähigkeiten, die wir dadurch überwinden wollen, den Arbeitsmarkt mit Qualitäts-Ausbildung zu verbinden, um auf diese Weise nicht mehr länger über 20.000 junge Frauen und Männer zu haben, die ihren Universitäts-Abschluss haben und keinen Job auf dem Arbeitsmarkt." Premierminister Albin Kurti

Konflikt mit Serbien dauert an

Handelspolitisch befindet sich der Kosovo seit anderthalb Jahren im Konflikt mit Serbien, das den Kosovo seit dessen Unabhängigkeitserklärung 2008 nicht anerkennt, sondern als abtrünnige Teilrepublik betrachtet. Als Reaktion auf die diplomatische Blockade Belgrads gegenüber den Bemühungen des Kosovo, in internationale Organisationen wie Interpol aufgenommen zu werden, verhängte die Vorgängerregierung Kurtis 100 prozentige Strafzölle gegen Waren aus Serbien und Bosnien-Herzegowina.

Nach seinem Regierungsantritt legte Premierminister Kurti einen mehrstufigen Plan vor, um den Handelskonflikt mit Serbien zu entschärfen – vor allem die US-Regierung drängt derzeit vehement auf eine vollständige Aufhebung der Strafzölle; eine Forderung, der sich Kurti nur eingeschränkt anschließt:

"Mit Blick auf die Beziehungen zu Serbien, habe ich als Zeichen des guten Willens vorgeschlagen – meine Haltung als Premierminister, noch nicht eine Entscheidung unserer Regierung – ab dem 15. März die 100 prozentigen Zölle auf Rohmaterialien aufzuheben. Und dann bis zum 1. April auf Serbien zu warten, sich zu verpflichten, die Ent-Anerkennungs-Kampagne zu beenden und mit der Aufhebung von Nicht-Zoll bedingten Hürden zu beginnen." Albin Kurti

Kurti möchte gute Beziehung zu Serbien

Damit spricht Kurti die Entscheidung Sierra Leones an: Der afrikanische Staat hat in diesem Monat seine Anerkennung des Kosovo zurückgezogen – offenkundig auf serbischen Druck, sowie auf Drängen Russlands und Chinas. Premierminister Albin Kurti appelliert daher an die EU und die USA, zwischen Pristina und Belgrad zu vermitteln sowie die jeweiligen Verstöße zu registrieren.

"Ich möchte gute nachbarschaftliche Beziehungen zu Serbien. Ich denke, dass alle Westbalkan-Staaten der EU beitreten sollen. Früher wäre besser. Wir sind keine Nachbarn der EU. Wir sind von der EU umgeben. Es gibt andere Länder im Osten und im Süden, die Nachbarn der EU sind. Aber nicht die sechs Westbalkan-Staaten, die Investitionen brauchen und im Zentrum der sechs Westbalkan-Staaten ist genau die Republik Kosovo." Albin Kurti

Das Image des Landes soll sich bessern

Serbien, Montenegro, Nordmazedonien, Albanien und Bosnien-Herzegowina werden mit dem Kosovo zur Gruppe der sechs Westbalkan-Staaten gezählt. Im Interview mit der ARD betont Premierminister Kurti, dass drei Dinge in den kommenden Monaten für den Westbalkan von größter Bedeutung sein werden:

"Eröffnung von Verhandlungen mit Albanien und Nordmazedonien auf der einen Seite, und Visa-Liberalisierung für die Einwohner Kosovos auf der anderen Seite. Dies ist es, was ich von unseren EU-Partnern verlange. Wir haben alle Kriterien erfüllt, und die neue Regierung ist entschlossen, das Image des Landes zu verbessern und zuallererst dadurch, die organisierte Kriminalität und Korruption auf hoher Ebene zu bekämpfen. Ich glaube, dass eines Tages – eher früher als später – einige unserer Staatsanwälte die berühmtesten Leute in unserem Land werden und das wird auf der einen Seite Gerechtigkeit als einen Wert unserer Institutionen verbessern und auf der anderen Seite Vertrauen und Zuversicht der ausländischen Investoren erzeugen, in den Kosovo zu kommen, vor allem unserer Leute aus der Diaspora." Albin Kurti

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