Seenotrettung vor Libyen
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Das deutsche Rettungsschiff "Sea-Watch 4" rettet Ende August 2020 vor der libyschen Küste 97 Menschen aus Seenot

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Klamme Seenotrettung - Tauziehen um die Finanzierung

Tausende Menschen bewahrt die zivile Seenotrettung jedes Jahr vor dem Ertrinken im Mittelmeer. Geld soll sie unter anderem auch von der Bundesregierung bekommen - zwei Millionen Euro pro Jahr. Doch das Geld fließt nur spärlich, wenn überhaupt.

Über dieses Thema berichtet: BR24 im BR Fernsehen am .

Seenotrettung ist ein Anliegen, dem sich die Ampel-Koalition sogar in ihrem Koalitionsvertrag verpflichtet hat. Vergangenes Jahr hatte der Haushaltsausschuss des Bundestags dann auch beschlossen, dass über die gesamte Legislaturperiode zwei Millionen Euro pro Jahr aus den Mitteln des Auswärtigen Amts in die zivile Seenotrettung fließen sollen.

"Ampel betont Wichtigkeit humanitärer Hilfe"

Zum ersten Mal bezuschusst damit eine Bundesregierung die zivile Seenotrettung. "Damit betont die Ampel die Wichtigkeit humanitärer Hilfe und die Einhaltung internationalen Rechts gegen das Sterben im Mittelmeer", sagte die Münchner Haushaltspolitikerin Jamila Schäfer (B90/Die Grünen).

Verteilen sollte das Geld eine einzige Stelle: das Seenotrettungsbündnis United4Rescue. Dessen Vorstandsmitglied Thies Gundlach erreicht BR24 auf einem Schiff. Gundlach ist leidenschaftlicher Segler und gerade privat in den Gewässern vor Travemünde unterwegs. Als er zuerst hörte, dass die Bundesregierung die zivile Seenotrettung im Mittelmeer mit zwei Millionen Euro pro Jahr unterstützen würde, reagierte er spontan überrascht und freute sich.

Geld nicht nur allein für Seenotrettung

Der schönen Überraschung ist mittlerweile Ernüchterung gewichen - weil das Auswärtige Amt, das das Geld aus seinem Haushalt geben soll, entschied: Das Seenotrettungsbündnis United4Rescue soll das Geld nicht allein bekommen. Die Sprecherin des Außenministeriums, Andrea Sasse, nennt die Seenotrettung zwar eine wichtige Aufgabe, stellt aber auch klar: "Ziel ist es, sowohl die zivile Seenotrettung auf See als auch Projekte an Land für aus Seenot gerettete Menschen finanziell zu fördern."

Gundlach versteht das nicht so ganz - er befürchtet eine schleichende Kürzung. Seine Sorge ist, dass nicht sämtliche zugesagten acht Millionen Euro fließen könnten - und für Landprojekte gebe es schließlich auch noch andere Töpfe.

Im Video: Wie die Seenotrettung versucht, Migranten vor dem Ertrinken zu retten

Überfülltes Flüchtlingsschiff: Seenotretter im Einsatz
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Überfülltes Flüchtlingsschiff: Seenotretter im Einsatz

Erst sollte United4Rescue das Geld verteilen - nun nicht mehr

Warum Geld von der Seenotrettung abgezogen wird, wo es doch für humanitäre Projekte an Land noch andere Geldtöpfe gibt? Vom Auswärtigen Amt gibt es darauf keine Antwort. Bestätigt wird immerhin, dass dieses Jahr die Summe von zwei Millionen Euro gezahlt werden soll. Für den Haushalt der kommenden Jahre ab 2024 existiert lediglich eine Verpflichtungsermächtigung. Das bedeutet: Das Geld ist zwar vorgesehen, aber noch nicht fix.

Auch eine weitere Entscheidung des Außenministeriums irritiert die Seenotretter. Ursprünglich nämlich sollte United4Rescue als Dach-Organisation die zwei Millionen Euro an die anderen Rettungs-Initiativen verteilen. Das wurde geändert: Nun muss jede einzelne Organisation das Geld direkt für sich beim Außenministerium beantragen. Gundlach versteht das Argument, dass es dann mehr Kontrolle über die beantragten Gelder gibt, allerdings weist er daraufhin, wie "ungeheuer umständlich und aufwendig" diese Anträge seien.

United4Rescue, das unter anderem Rettungsschiffe der deutschen NGOs, "Sea Watch", "SOS Humanity" und "Sea Eye" mitfinanziert, hätte seiner Ansicht nach die anderen Organisationen vom hohen Verwaltungsaufwand entlasten können. Dass der Aufwand tatsächlich hoch sein könnte, belegt eine Zahl: Bislang hat nach Recherchen von BR24 erst eine einzige Seenotrettungsorganisation einen Antrag beim Auswärtigen Amt gestellt.

Dieser Artikel ist erstmals am 30. Juli 2023 auf BR24 erschienen. Das Thema ist weiterhin aktuell. Daher haben wir diesen Artikel erneut publiziert.

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