Das Containerschiff "Xin Lian Yun Gang" der Reederei Cosco Shipping liegt am Hamburger Containerterminal Tollerort
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Das Containerschiff "Xin Lian Yun Gang" der Reederei Cosco Shipping liegt am Hamburger Containerterminal Tollerort

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Griff nach Europa: Chinas strategische Käufe

Eine Beteiligung von Cosco im Hamburger Hafen ist von der Politik gebilligt - und würde eine Lücke in Chinas "maritimer Seidenstraße" schließen. Die kommunistische Diktatur hat schon viele Häfen Europas in ihrem Portfolio. Eine Analyse

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Wohl nur wenige Experten hatten auf dem Radar, was es bedeuten könnte, als sich die chinesische Staatsreederei 2016 in den griechischen Hafen von Piräus mit 51 Prozent einkaufte. Bereits 2009 leaste sie dort ein Terminal. Die Pekinger Partei-und Staatsführung hat womöglich damals angefangen, ihren Masterplan einer "maritimen Seidenstraße" zu entwerfen, die sich im Laufe der Zeit mit einer "digitalen Seidenstraße" verknüpft hat.

Scheibchenweise erhöhte die chinesische Reederei Cosco ihren Anteil an Piräus auf heute 100 Prozent. Der Hafen boomt und ist überaus gewinnbringend. Standards für Umweltschutz und soziale Arbeitsbedingung werden laut Gewerkschaften nicht eingehalten.

  • Zum Artikel: "Abhängigkeit: Sind wir China ausgeliefert? Possoch klärt!"

Chinesische Beteiligungen an 14 europäischen Häfen

Piräus war der Anfang. Nach Schätzungen des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW) hält Cosco – und damit China – bereits zehn Prozent der gesamten europäischen Hafenkapazitäten. Insgesamt gibt es eine chinesische Beteiligung an 14 Häfen. Die wichtigsten sind nach Piräus: Seebrügge in Belgien (90 Prozent), Valencia in Spanien (51 Prozent), Bilbao, ebenfalls Spanien (40 Prozent), Vado Ligure, Italien (40 Prozent am Vado Reefer Terminal und 40 Prozent am Vado Container Terminal) und Rotterdam in den Niederlanden (17,85 Prozent am Euromax-Terminal). Über die Beteiligung an der deutschen Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA) hätte Cosco auch Zugang zu Geschäftszahlen und brisante Daten des Adria-Hafens Triest.

Italien wollte Cosco nicht in den Hafen Triest lassen

Triest war erst im vergangenen Jahr mehrheitlich an die HHLA verkauft worden. Es war eine explizit politische Entscheidung des damaligen italienischen Ministerpräsidenten Mario Draghi gewesen – denn auch Cosco hatte sich um die Mehrheit an dem wichtigen Containerhafen bemüht.

Wird das Mittelmeer das "mare nostrum" Chinas?

Chinas strategische Interessen konzentrieren sich auf das Mittelmeer. Am Kumport-Terminal des Istanbuler Containerhafens hält die Supermacht bereits 26 Prozent. Auch in Ägypten und Marokko wurde ein Hafen-Portfolio aufgebaut. Andere chinesische Konzerne haben sich an den Küsten von Israel eingekauft. Haifa gab dem chinesischen Staatsunternehmen SIPG den Zuschlag, den wirtschaftlich wie militärisch bedeutsamen Mittelmeer-Hafen für 25 Jahre zu betreiben.

Chinesische Zugverbindungen nach Duisburg

Die Häfen sind deshalb Schlüsselmärkte für China, weil die global führende Handelsmacht mehr als 90 Prozent seiner In- und Exporte über das Meer abwickelt. Auf jedem chinesischen Container fährt ein Politkommissar mit. Bislang waren aber auch die Zugverbindungen von China nach Europa von großer strategischer Bedeutung. In Duisburg ist man stolz, dass die Stadt ein zentraler Investitionsstandort für chinesische Unternehmen in Europa ist. Jede dritte Zugverbindung aus China geht über den größten Binnenhafen Europas.

Mit Sinotrans, dem größten chinesischen Logistik-Unternehmen, sind insgesamt 19 chinesische Städte mit Duisburg verbunden. Inzwischen ist die Reederei Cosco aber stillschweigend wieder aus einer Beteiligung an dem deutschen Binnenhafen ausgestiegen. Möglicherweise werden die Risiken des Zugverkehrs durch Russland – der bislang noch von EU-Sanktionen ausgenommen ist – zu groß. Deshalb jetzt die Konzentration auf das Seegeschäft.

China kauft sich in Schlüsselindustrien ein

China hat sich in den vergangenen Jahren in europäische Schlüsselindustrien eingekauft. Typisches Beispiel ist das Robotic-Unternehmen Kuka in Augsburg, wo der chinesische Midea-Konzern seit acht Jahren eine Mehrheitsbeteiligung hält. Und derzeit prüft die Bundesregierung, ob die Chip-Fertigung des Unternehmens Elmos mit Stammsitz in Dortmund an das chinesische Unternehmen für 85 Millionen Euro verkauft werden darf. Der Verfassungsschutz, so berichtete das "Handelsblatt", habe von der Übernahme abgeraten.

Newsweek: "Ein Halsband von Häfen"

Das US-amerikanische Magazin "Newsweek" widmete im September mehrere Seiten dem Vormarsch von Cosco in Europa. Es ist von einem "Halsband an Häfen" die Rede, das von Piräus in Griechenland bis nach Gdynia in Polen reicht. Häfen wie Hamburg und der Tiefseehafen Jade-Weser-Port in Wilhelmshaven würden dem eine der "stärksten Handels-Arterien Deutschlands" hinzufügen.

Die China Logistics Group hat am Jade-Weser-Port ein Stück Boden für 99 Jahre gepachtet, um dort ein Logistikzentrum zu bauen. Nur wenige Kilometer entfernt befindet sich Deutschlands größter Militärhafen Deutschlands, wo hochsensible Kommunikation mit NATO-Partnern stattfindet.

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