Gegner der Coronamaßnahmen am 2.1.22 in Schweinfurt
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Gegner der Coronamaßnahmen am 2.1.22 in Schweinfurt

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Gilt für "Corona-Spaziergänge" das Versammlungsrecht?

Mit unangemeldeten Protesten versammeln sich Gegner der Corona-Maßnahmen regelmäßig auf den Straßen. Sind solche "Corona-Spaziergänge" auch Versammlungen im juristischen Sinne und geschützt? Und wie darf die Polizei vorgehen? Ein Überblick.

In vielen Städten sind in den vergangenen Wochen immer wieder Menschen zu sogenannten "Corona-Spaziergängen" zusammengekommen und haben gegen die Maßnahmen der Bundesregierung zur Eindämmung der Pandemie protestiert. Oft blieben diese "Spaziergänge" unangemeldet.

Insbesondere Städte und Kommunen in Bayern und Baden-Württemberg versuchen, solche unangemeldete "Spaziergänge" per Allgemeinverfügung zu verbieten. Auch das Landratsamt Starnberg hatte per Allgemeinverfügung sogenannte nicht angemeldete "Corona-Spaziergänge" untersagt. Nun entschied der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, dass das Landratsamt Starnberg sein Verbot nicht ausreichend begründet hatte. Doch die Frage bleibt: Wie sind diese Zusammenkünfte rechtlich einzuordnen?

  • Zum Artikel: "Corona-Proteste in Bayern - Ein Gerichtsurteil mit Folgen"

Gelten "Corona-Spaziergänge" juristisch als Versammlungen?

Auch bei diesen "Spaziergängen" dürfte es sich in aller Regel um Demonstrationen handeln, auf denen das Versammlungsrecht gilt. Im Rechtssinne liegt eine "Versammlung" vor, wenn sich mehrere Personen treffen, um gemeinschaftlich an der öffentlichen Meinungsbildung teilzuhaben, also um etwas zu erörtern oder kundzutun. Voraussetzung ist, dass die Teilnehmerinnen und Teilnehmer dabei nach außen hin wahrnehmbar einen Standpunkt einnehmen oder Stellung beziehen. Dies muss nicht unbedingt ausdrücklich geschehen, sondern kann auch durch die näheren Umstände klar werden – etwa durch ihre bloße Anwesenheit oder die Wahl eines bestimmten Ortes.

Verschiedene Umstände können dabei auf den Willen zu einer gemeinsamen Kundgebung hinweisen: Wenn die Teilnehmer sich etwa im Internet, etwa auf Telegram oder Facebook, zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort verabreden, wenn sie Fahnen oder Plakate bei sich tragen, aber auch, wenn die "Spaziergänger" jetzt auffällig koordiniert eine festgelegte Strecke ablaufen. All das deutet dann darauf hin, dass es sich um eine "Versammlung" handelt.

Gemessen daran dürften für die allermeisten "Corona-Spaziergänge" die gesetzlichen Regeln für Versammlungen greifen. Die Behauptung, es handele sich aber nur um einen "Spaziergang", ändert nichts daran, wenn sie lediglich vorgeschoben ist.

Wann ist eine Versammlung geschützt?

Die Versammlungsfreiheit ist in Artikel 8 des Grundgesetzes garantiert. Aus verfassungsrechtlicher Sicht genießt dieses Grundrecht besonderen Schutz. Das Bundesverfassungsgericht stuft es als "konstitutiv für den demokratischen Rechtsstaat" ein. Wie alle anderen Grundrechte gilt natürlich die Versammlungsfreiheit auch in Pandemiezeiten. Genauso wie andere Grundrechte kann aber auch die Versammlungsfreiheit unter bestimmten Voraussetzungen eingeschränkt werden.

So unterliegen "Versammlungen" im Sinne des Grundgesetzes immer mehreren Bedingungen, denen die "Corona-Spaziergänge" oft nicht gerecht werden: Sie müssen friedlich sein, dürfen also keinen gewalttätigen oder aufrührerischen Verlauf nehmen. Auch müssen sie ohne Waffen stattfinden. Zudem muss ein "Versammlungsleiter" benannt werden. Darüber hinaus müssen laut Versammlungsgesetz Demonstrationen unter freiem Himmel mindestens 48 Stunden vor der Bekanntgabe, dass sie stattfinden sollen, bei der zuständigen Behörde angemeldet werden. Das gilt nicht, wenn es sich um eine Spontanversammlung handelt, die nicht angemeldet werden muss, weil sie sich aus einem spontanen Anlass entwickelt – also etwa dem Tod einer bekannten Person. Die Proteste gegen die Corona-Maßnahmen werden aber zumeist im Vorfeld über die sozialen Medien geplant und müssen deshalb auch angemeldet werden. 

  • Zum Artikel: "Wie sich die Corona-Proteste verändert haben"

Wie kann die Polizei vorgehen?

Wird eine Demonstration unter freiem Himmel nicht angemeldet und findet trotzdem statt, so begeht jeder Teilnehmer und jede Teilnehmerin eine Ordnungswidrigkeit, wenn er oder sie sich auch nach dreimaliger Aufforderung der Polizei nicht entfernt. Es drohen dann Bußgelder. Diese kann die Polizei auch schon dann verhängen, wenn Personen gegen die Masken- oder Abstandspflicht verstoßen.

Außerdem kann die Polizei unangemeldete Versammlungen auflösen. Sie muss dabei jedoch mit Augenmaß agieren und insbesondere den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz beachten. Als elementar wichtiges Grundrecht für die freiheitliche demokratische Grundordnung darf die Versammlungsfreiheit nämlich nur eingeschränkt werden, wenn Interessen von sehr hoher Relevanz ihrer Ausübung entgegenstehen. Die Auflösung einer Demonstration darf deshalb nur das letzte Mittel sein, wenn keine milderen Maßnahmen ersichtlich sind.

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