6. November 2017: Ein Mann mit einem Messer nimmt im Landratsamt Pfaffenhofen eine Mitarbeiterin als Geisel. Der Vater war im Jugendamt wegen eines Sorgerechtsstreits ausgerastet.
3. Dezember 2014: Ein Kunde ersticht im Jobcenter Rothenburg an der Tauber einen Gutachter.
11. Januar 2012: Ein Angeklagter erschießt am Amtsgericht Dachau bei der Urteilsverkündung einen Staatsanwalt.
Sicherheitskräfte patrouillieren im Jobcenter Kempten
Diese Vorfälle haben Behörden in Bayern alarmiert, sie rüsten auf. Im Jobcenter Kempten patrouillieren seit März zwei Sicherheitskräfte durch die Gänge. Denn auch dort gab es jüngst einen Drohanruf: Ein Mann hatte gedroht, mit einer Kalaschnikow ins Wohnungsbauamt zu kommen. Die Sicherheitsleute wurden seit März schon etwa 90 mal gerufen, meist rein vorsorglich. Einschreiten mussten sie in sechs Fällen, weil Kunden laut geworden sind. Und auch im Münchner Sozialamt wachen bereits 25 Sicherheitskräfte darüber, dass alles gewaltfrei abläuft.
Brennpunkt S-Bahn München
Ein Brennpunkt in Bayern ist die S-Bahn München. 850.000 Menschen werden dort täglich befördert. Und dort ereignen sich auch die meisten Körperverletzungen gegen Mitarbeiter der Deutschen Bahn. Die Zahl solcher Vorfälle nimmt seit Jahren zu. 2012 waren es 966 Fälle in Deutschland, 2016 bereits 2.374 – also zweieinhalb mal so viele. 424 davon ereigneten sich in Bayern. Dieses Jahr wird wohl ein neuer Höchststand erreicht.
Rücksichtslosigkeit verursacht hohe Kosten
Weil viele Menschen rücksichtslos nur an ihr eigenes Interesse denken, entstehen auch enorme Kosten: 2016 hatten Mitarbeiter der Bahn in Deutschland 11.985 Ausfalltage aufgrund von Körperverletzungen, in Bayern waren es 1.879 Ausfalltage. Denn häufig können Mitarbeiter der Bahn nach Übergriffen über Wochen oder Monate nicht mehr arbeiten - weil sie so schwer verprügelt wurden, dass sie ins Krankenhaus mussten oder weil sie sich in psychische Behandlung begeben mussten.
Aggressives Verhalten scheint salonfähig zu werden
Pöbeln, Drängeln und Beschimpfen ist auch unter Autofahrern an der Tagesordnung. Die Straßen sind voll, der Zeitdruck steigt. Laut einer Studie ist jeder Zehnte schon einmal Zeuge einer körperlichen Auseinandersetzung geworden. Der Straßenverkehr als Kampfgebiet. 2016 gab es 2,6 Millionen Verkehrsunfälle in Deutschland - häufige Ursache: aggressives Fahrverhalten.
Die Lösung? Nicht einfach.
Es ist etwas ins Rutschen geraten: Die Hemmschwelle in der Gesellschaft, Gewalt anzuwenden und sie gutzuheißen, ist in den vergangenen Jahren gesunken. Doch die Ursachen für Gewaltbereitschaft und Aggression liegen tief in der Gesellschaftsstruktur. Um etwas zu verändern, muss zunächst das Problem erkannt werden. Nach Auffassung von Andreas Zick, Leiter des Instituts für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung, halten die Menschen die Aggression für legitim, das heißt diese Durchsetzung mit Aggression erscheint ihnen gerechtfertigt, weil in unserer Gesellschaft jeder dafür sorgen muss, dass er weiterkommt.
Fehlende Zivilcourage
Und dann gibt es noch ein weiteres Problem, das laut Zick Gewalt in der Öffentlichkeit begünstigt: "Zivilcourage ist nicht vorhanden, das heißt, da greift niemand ein, wenn es eskaliert."