Bildrechte: pa/dpa/Swen Pförtner

Ein Würfel mit der Aufschrift "SPD" bei einem Parteitag (Archivbild)

Artikel mit Bild-InhaltenBildbeitrag

Fünf Gründe für den Niedergang der SPD

Wäre am Sonntag Bundestagswahl, würde die SPD so schlecht wie noch nie abschneiden: Aktuell würden laut dem ARD-Deutschlandtrend nur 16 Prozent der Befragten die Sozialdemokraten wählen. Ein Erklärungsversuch. Von Achim Wendler

Grund 1: Verlust des historischen Auftrags

Die 154 Jahre alte SPD startete als Milieu- und Klassenpartei der Arbeiter. Ihre historischer Auftrag waren die proletarische Emanzipation, Menschenrechte, Freiheit, soziale Gerechtigkeit. Dieser Auftrag ist entweder erfüllt, oder er wird von den anderen Parteien nicht mehr in Frage gestellt. Überdies verliert die SPD ihre wichtigste Zielgruppe - und damit ihre Stammwähler: In den 1970er Jahren war noch jeder zweite Erwerbstätige Arbeiter, heute ist es nur noch jeder vierte.

Grund 2: Die "Agenda 2010"

Die sozialpolitische Reform nutzte Deutschland, ging aber auf Kosten von Arbeitslosen und Sozialhilfeempfängern - klassischer SPD-Wähler. Und damit ging sie auf Kosten der SPD. "Das Schutzversprechen der Sozialdemokratie ist gebrochen worden", sagte Andrea Nahles später, als sie Generalsekretärin war. Keinem Vorsitzenden gelang es seither, die Agenda-Politik mit der SPD in Einklang zu bringen - weder mit ihrem Selbstverständnis noch mit ihrer Selbstdarstellung als "Partei des kleinen Mannes". Folge Nummer 1: die Linkspartei. Folge Nummer 2: Bei der Bundestagswahl 2017 sahen nur noch 38 Prozent die SPD als die Partei der sozialen Gerechtigkeit, bei der Wahl 2002 waren es noch 52 Prozent (Quelle: infratest dimap).

Grund 3: Strategische Ratlosigkeit

Die SPD macht seit Jahren Politik, indem sie Einzelprojekte öffentlichkeitswirksam verfolgt. Mindestlohn, Rente mit 63, Mietpreisbremse sind Beispiele. Jedes dieser Projekte erfreute sich in der Bevölkerung mehrheitlicher Zustimmung. Aber keines der Projekte betrifft eine Mehrheit der Bevölkerung. Die SPD missverstand die Zustimmung zu Einzel-Projekten als Zustimmung zur SPD. Was fehlt, ist ein politisches Angebot, das die Mehrheit der Deutschen für ebenso relevant wie überzeugend hält.

Grund 4: Die Konkurrenz

Angela Merkel hat so mancher Partei zugesetzt - am meisten aber der SPD. Indem sie die Programmatik ihrer eigenen CDU nach links erweiterte, übernahm sie wesentliche sozialdemokratische Inhalte. Zugleich verweigerte sich Merkel dem politischen Streit, dadurch nahm sie der SPD auch noch stilistische Profilierungsmöglichkeiten. Darauf hat kein SPD-Vorsitzender eine Antwort gefunden.

Grund 5: Die Streitlust

Von "Chaostagen" sprach diese Woche die stellvertretende SPD-Chefin Manuela Schwesig. Wie zerrissen die SPD ist, zeigt nicht nur der Streit zwischen Martin Schulz und Sigmar Gabriel. Sondern auch der um die große Koalition: Die Lager der Befürworter und Gegner sind fast gleich groß, siehe Parteitag (56 Prozent Zustimmung) und jüngsten ARD-Deutschlandtrend (51 Prozent der SPD-Anhänger dafür, 49 Prozent dagegen). Im Moment wird diese Streitlust zwar besonders deutlich, aber sie belastet die SPD eigentlich immer. Viel zu selten gelingt es der Partei, Streit einzudämmen oder wenigstens als fruchtbare Debatte zu inszenieren.