Symbolbild: Zwei Frauen
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Nach zwei Jahren beim IS: Frau will zurück nach Deutschland

Nach zwei Jahren beim IS: Frau will zurück nach Deutschland

Einst folgte eine junge Frau dem Ruf des IS und ging nach Syrien. Nun will sie zurück nach Deutschland, richtet sich in einem Video direkt an Kanzlerin Angela Merkel. Aber ist die gebürtige Landshuterin auch glaubwürdig? Von Joseph Röhmel

Vollverschleiert sitzt die 31-jährige Nadja Ramadan vor der Kamera. Der kleine Sohn liegt auf ihrem Schoß und schläft. In einem Video richtet sie sich direkt an Kanzlerin Angela Merkel. Plattform dieses ungefilterten Hilferufs einer Frau mit Wurzeln in Landshut, die mehr als zwei Jahre und offensichtlich auch ideologisch mit der Terrormiliz übereinstimmte, ist das Internetportal der seriösen Wochenzeitung "Die Zeit". Die Stimme der Frau klingt brüchig, als sie die Kanzlerin um Unterstützung bittet.

"Bitte, ich brauche Ihre Hilfe, bitte helfen Sie uns. Ich möchte mit meinen beiden Kindern zurück nach Deutschland. Bitte helfen Sie uns, dass wir ganz schnell zurück nach Deutschland kommen. Ich möchte, dass meine Kinder ganz normal aufwachsen. Dass meine Kinder in den Kindergarten gehen, dass meine Kinder in die Schule gehen." Nadja Ramadan

Kochen und putzen

Der Wunsch der Frau ist nachvollziehbar. Aber sind ihre Worte auch glaubwürdig? Ende Juni 2014 hat die Mutter Deutschland Richtung Syrien verlassen. Das berichtet neben der "Zeit" auch das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel". Sie sei, erzählt die Frau, im syrischen Rakka gelandet, der Hauptstadt der Terrormiliz IS. Gleich nach ihrer Ankunft habe sie einen Mann aus Hamburg geheiratet.

Drei Kinder habe das Paar bekommen. Eines, das mittlere, sei kurz nach der Geburt gestorben. Zudem sagte Nadja Ramadan dem "Spiegel", ihr Mann habe ein Bein bei einem Bombenangriff verloren. Als Invalide habe er im Fernmeldeamt gearbeitet. Sie selbst sei immer zu Hause gewesen: kochen, im Koran lesen, putzen, ab und an einen Film sehen. Schießen könne sie nicht, sie habe Angst vor Waffen. "Ich wollte in Ruhe in einer islamischen Welt leben, Gott dienen und meine Kinder großziehen."

Der Herd als Heimat einer treu sorgenden Ehefrau beim IS oder anderen Terrororganisationen in Syrien: Manche dieser "Hausfrauen" stellen ihre Rezepte sogar ins Netz und nutzen eine harmlos anmutende Tätigkeit für politische Botschaften. Eine Frau erzählte etwa auf einem extra eingerichteten Blog, sie koche "Deutsch-Syrische Spätzle mit Käsesoße" oder "Syrische Brownie während der russischen Invasion".

Auch in schwierigen umkämpften Zeiten, so scheint es, lässt es sich mit dem passenden Radikalisierungsgrad beim IS einrichten und leben. So berichtet Nadja Ramadan aus Landshut von liebevollen Momenten mit ihrem Ehemann, für den sie in Deutschland einen weiteren Ehemann und drei Kinder zurückließ:

"Die Zeit unter IS-Herrschaft war die beste Zeit meines Lebens." Nadja R. im "Spiegel"

Kalifat nicht streng genug

Es ist die gleiche Frau, die wenig später im Video der Zeit erklärt, sie sei nicht gefährlich. Aber gleichzeitig sagt sie, das Kalifat werde jetzt besiegt, weil es nicht streng genug gewesen sei.

Sie alle seien überzeugt gewesen, dass der "Islamische Staat" von Allah gewollt sei. Im IS-Oberhaupt Abu Bakr al-Bagdadi hätten sie den versprochenen Messias gesehen.

Viele Emire seien unehrlich gewesen, und das sei nun die Strafe. Nach einem Beispiel gefragt, erwähnt sie einen Emir, der kampflos ein ganzes Gebiet im Irak den Kurden überlassen habe - weil ihm Geld gezahlt worden sei. Sie sagt, von den Grausamkeiten, den öffentlichen Enthauptungen habe sie nichts mitbekommen.

Heiner Vogel, der den, beobachtet die deutsche Dschihadisten-Szene. Der Freiburger Politikwissenschaftler bemerkt bei Frauen, die beim IS oder anderen dschihadistischen Gruppen gelandet sind, eine gewisse Naivität.

"Diese Naivität, die diese Frauen suggerieren, ist zum Teil wahr, aber eben auch kalkuliert, um zu überleben." Heiner Vogel, Politikwissenschaftler

Ob das auch auf Nadja Ramadan zutrifft? Ihr lag wohl viel daran, ihre Kinder zu schützen. In Medienberichten heißt es, sie sei geflüchtet als sich der Belagerungsring Anfang 2017 um die Gebiete des IS enger zugezogen habe. An einem Kontrollposten der Kurden sei ihr Weg aber zu Ende gewesen. Für 18 Tage sei sie in einem Gefängnis gelandet, danach im Flüchtlingslager von Ain Issa, in der Abteilung für IS-Angehörige.

Sollte sie nach Deutschland zurückkehren, droht ihr ein Verfahren, denn Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung ist eine Straftat.    

Deutsche Staatsangehörigkeit nicht aberkannt

Bis zum Alter von sechs Jahren lebte Nadja Ramadan in Landshut und wurde dann von ihrem libanesischen Vater in den Libanon entführt. Mit 14 Jahren kehrte sie nach Deutschland zurück, als Braut eines Deutschlibanesen im kurpfälzischen Weinheim. Mit ihm bekam sie drei Kinder. Es wird berichtet, sie habe ihre Kinder geschlagen. Ärger mit dem Jugendamt sei die Folge gewesen. Dann folgte die Radikalisierung. Und wie so oft von reuigen ehemaligen IS-Mitgliedern erzählt, waren wohl wieder einmal Videos des bärtigen der Grundstein des Übels. Vogel selbst passt diese Rolle nicht. Er wird ungern zum "Vorteufel" auf dem Weg in die IS-Hölle erklärt.

Nadja Ramadan jedenfalls sagt, sie habe damit begonnen, sich zu verhüllen und eine Burka zu tragen. Über Facebook habe sie ihren jetzigen Mann, den Hamburger IS-Kämpfer, kennen gelernt. Sie habe ihren damaligen Mann und ihre Kinder schließlich in Weinheim sitzen lassen und sei dann nach Syrien aufgebrochen.

Jetzt will sie wieder nach Deutschland. Eine Sprecherin des Auswärtigen Amtes bestätigt der Zeit, dass man ihr die deutsche Staatsangehörigkeit nicht aberkennen werde. Die Botschaft in Ankara bemühe sich darum, sie mit ihren Kindern aus Syrien über die Türkei in die Bundesrepublik ausreisen zu lassen. Die kurdischen Sicherheitskräfte hätten zugestimmt, sie deutschen Diplomaten zu übergeben. Man darf gespannt sein, wie die deutschen Sicherheitsbehörden reagieren. Die Frau sagt im Video, sie habe einen Fehler gemacht. Ob das reicht?