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Fereshta Ludin

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Fereshta Ludin und das "Kopftuchurteil"

Fereshta Ludin, Deutsche mit afghanischen Wurzeln, wollte einfach unterrichten. Englisch, Deutsch und Gemeinschaftskunde. Aber die Einstellung in den Schuldienst in Baden-Württemberg wurde ihr 1998 verweigert. Der Grund: ihr Kopftuch. Von A. Dechert

Über dieses Thema berichtet: BR24 im Radio am .

"Ich habe all die Qualifikationen mitgebracht, die andere mitbringen, vielleicht sogar besser als durchschnittlich. Aber der Zugang zum Berufsleben wurde mir allein dadurch verwehrt, weil ich ein Tuch über meinem Haupt trage und das hat mich enorm in meiner Würde verletzt", sagt Fereshta Ludin.

Sie will das nicht hinnehmen. Fereshta Ludin beruft sich auf ihr Recht auf Selbstbestimmung und auf Religionsfreiheit , und klagt gegen das Verbot – bis vor das Bundesverfassungsgericht. Das entscheidet 2003 in ihrem Sinne – einerseits: Das gegen sie ausgesprochene Berufsverbot sei unrechtmäßig, weil die gesetzliche Grundlage dafür fehle. Andererseits spielten die Karlsruher Richter damit den Ball wieder an die Länder zurück.

Bayern führt 2005 "Kopftuchverbot" ein

"Mit uns wird es keine Symbole der Unterdrückung und der Unfreiheit von Frauen an unseren Schulen geben." Edmund Stoiber, damaliger bayerischer Ministerpräsident

Die damalige bayerische Staatsregierung (CSU) reagiert wie etwa auch Baden-Württemberg oder Berlin mit einem Kopftuchverbot – vorbeugend gewissermaßen. Denn in Bayern gab es zu diesem Zeitpunkt keinen einzigen Fall einer Kopftuch tragenden Lehrerin. Kritik kam von der Opposition.

Klischeebilder und Vorurteile

Am Kopftuch der Fereshta Ludin hatte sich in ganz Deutschland eine kontroverse, oft undifferenziert ausgetragene Debatte entfacht. Darin ging es um Fragen der Integration und darum, ob der Islam zu Deutschland gehört oder nicht. Ausgetragen wurde die Diskussion auf dem Rücken muslimischer Frauen. Medien und Politik bedienten gleichermaßen Klischeebilder der kopftuchtragenden Muslima. Vorurteile, die bis heute wirken.

"Dass Frauen, die ein Kopftuch tragen, sehr oft damit kämpfen müssen, dass sie unterdrückt sind, dass sie nicht den Männern gleichgestellt sind, dass sie sogar fanatisch sind. Egal, was sie studiert haben - in allen Bereichen haben muslimische Frauen hier bei uns immer noch sehr zu kämpfen, weil sie sich ständig beweisen müssen. Und sie schaffen es einfach nicht, weil sie eben oft rein äußerlich beurteilt werden." Fereshta Ludin

Pauschales "Kopftuchverbot" verfassungswidrig

2015 dann ein neues Urteil des Bundesverfassungsgerichts. Ein pauschales Kopftuchverbot sei verfassungswidrig. Späte Genugtuung für Fereshta Ludin. Sie arbeitet heute an einer Berliner Privatschule. Ihr Fazit: "Ich hatte nie die Möglichkeit gehabt wie andere, die damals mit mir angefangen haben, Beamtin zu sein oder ein Teil vom Ganzen zu sein. Ich hätte die Möglichkeit gehabt, aber nur dann, wenn ich das Tuch abgelegt hätte und es ist daran gescheitert, dass viele Menschen eben etwas sehr Negatives, Schlechtes, Abwertendes hineinprojizieren. Das ist das Dramatische an der ganzen Geschichte."