Dieter Wedel

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Fall Wedel: So ist die Rechtslage bei Verjährung

Die Verjährungsfristen und die juristische Beurteilung der von mehreren Frauen erhobenen Vorwürfe gegen Regisseur Dieter Wedel sind kompliziert. Eine Gesetzesänderung aus dem Jahr 2015 änderte die Rechtslage – und macht nun Ermittlungen möglich.

Aktuell ermittelt die Staatsanwaltschaft München gegen den 75-Jährigen wegen einer mutmaßlichen Vergewaltigung der Schauspielerin Jany Tempel, die sich im Münchner Hotel "Vier Jahreszeiten" im Jahr 1996 abgespielt haben soll. Der Münchner Anwalt Alexander Stevens, spezialisiert auf Sexualstrafrecht, erläutert die juristischen Schwierigkeiten bei der Strafverfolgung solch lange zurückliegender Fälle.

Bei Vergewaltigung beträgt die Verjährungsfrist 20 Jahre, anders als bei anderen Straftaten sei aber nicht der Tatzeitpunkt ausschlaggebend, sondern das Alter des Opfers zum Tatzeitpunkt, sagt Stevens. Bei Sexualdelikten beginnt die Verjährung frühestens mit Vollendung des 30. Lebensjahres des Opfers, um traumatisierten Menschen auch später noch die Möglichkeit zu geben, Sexualverbrechen im Erwachsenenalter anzuzeigen. Diese neue Rechtslage gilt seit 2015. Das bedeutet, wer unter 30 missbraucht oder vergewaltigt wurde, kann bis zum 50. Geburtstag Anzeige erstatten oder - wie jetzt im Fall Wedel - die Staatsanwaltschaft von sich aus Ermittlungen einleiten.

Kein Rückwirkungsverbot bei Verjährung

Die mutmaßlich von Wedel vergewaltigte Schauspielerin war zum Tatzeitpunkt 27, heute ist sie 48. Das bedeutet, dass ihr Fall eigentlich 2016 (Tatzeitpunkt 1996) verjährt wäre. Durch die Gesetzesänderung 2015 verschob sich aber die Verjährung um drei Jahre. Weil die Verjährung also erst an ihrem 30. Geburtstag im Jahr 1999 begann, könnte der Fall bis 2019 verfolgt werden.

Grundsätzlich gelte im Strafrecht ein sogenanntes Rückwirkungsverbot, erklärt Strafrechtsexperte Stevens. Das heißt, vor Gericht gilt immer die Gesetzeslage, die zum Zeitpunkt der Tat aktuell war. Bei der Verjährung ist das anders, hier gilt das Rückwirkungsverbot nicht, das heißt die Verjährungsfristen können sich in bestimmten Fällen rückwirkend verlängern - außer die Straftat war bereits vor der Ausweitung einer Frist endgültig verjährt. Das ist bei Jany Tempel aber nicht der Fall.

Unterscheidung schwierig

Für die Vorwürfe gegen Wedel sei nicht nur entscheidend, wann eine Tat stattgefunden hat, sondern auch um was für eine Tat es sich juristisch gehandelt hat - Vergewaltigung oder "nur" sexuelle Nötigung, so Stevens. Denn nur bei Vergewaltigung gilt die 20-jährige Verjährungsfrist, die sogenannte "einfache sexuelle Nötigung" hat nur eine Verjährungsfrist von 10 Jahren.

Juristisch sei diese Unterscheidung auch deshalb schwierig, meint Stevens, weil der Tatbestand der Vergewaltigung mehrfach geändert wurde, zuletzt im November 2016. Vor der aktuellen "Nein heißt Nein"-Gesetzesreform musste der Geschlechtsverkehr mit Gewalt, einer Gewaltandrohung oder durch das Ausnutzen einer schutzlosen Lage erzwungen werden, damit es sich juristisch um eine Vergewaltigung handelte.

Laxe Gesetze vor 1998

Vor 1998 waren die Gesetze sogar noch laxer, betont Stevens. Damals seien weder das Ausnutzen einer schutzlosen Lage noch die Vergewaltigung in der Ehe strafbar gewesen. Für mögliche Taten, die sich vor 1998 abgespielt haben, bedeutet das: "Wenn eines der mutmaßlichen Wedel-Opfer schildert, von ihm an einen entlegenen Waldrand gefahren worden zu sein und nur deshalb mit Wedel Sex gehabt zu haben, weil es sich ihm ob des düsteren Ambientes schutzlos ausgeliefert fühlte, war das damals gar nicht erst strafbar, ungeachtet der Verjährung", sagt Stevens.