Einen Tag nach der schweren Explosion im Leverkusener "Chempark" mit mindestens zwei Toten hat die Betreiberfirma keine Hoffnung mehr, die fünf noch vermissten Menschen lebend zu finden. "Wir gehen davon aus, dass wir sie nicht mehr lebend finden", sagte Frank Hyldmar, Geschäftsführer von Currenta, in Leverkusen.
Nach dem Unglück waren zunächst zwei Menschen tot geborgen worden. 31 Menschen wurden verletzt. Die Ursache ist auch am Mittwoch unklar.
Dioxinverbindungen in Rauchwolke
Das nordrhein-westfälische Landesumweltamt (LANUV) geht derweil davon aus, dass Giftstoffe über die Rauchwolke in umliegende Wohngebiete gelangten. Nach Informationen des Amtes wären in den betroffenen Tanks unter anderem auch chlorierte Lösungsmittel gelagert worden, teilte ein Sprecher am Mittwoch mit. "Daher gehen wir derzeit davon aus, dass über die Rauchwolke Dioxin,- PCB- und Furanverbindungen in die umliegenden Wohngebiete getragen wurden", hieß es. In welcher Konzentration dies tatsächlich geschehen sei, werde aber aktuell noch untersucht. Die Untersuchungen seien recht aufwendig.
Gesundheitsgefahr für Bevölkerung unklar
Die Frage nach der Konzentration ist entscheidend. "Dioxin,- PCB- und Furanverbindungen werden durchaus in Zusammenhang gebracht mit Missbildungen bei Neugeborenen von Tieren, weniger beim Menschen, als Umweltöstrogene oder auch Krebs erregende Substanzen beim Menschen", sagte Daniel Dietrich, Leiter der Arbeitsgruppe Human- und Umwelttoxikologie an der Universität Konstanz. "Aber – und das ist das große Aber – nur in hohen Konzentrationen. Und die liegen nicht vor, wenn das entsprechende Gebiet im Laufe der Zeit gereinigt und dekontaminiert wird." Die Stoffe klebten an Oberflächen, sagte Dietrich. "Sie springen einen nicht an, man müsste sie schon aktiv in den Körper transportieren – etwa, wenn man sich nach der Arbeit im Garten die Hände abschleckt."
Da die endgültige Analyse noch aussteht, hält die Stadt Leverkusen ihre Empfehlungen an die Bürger aufrecht. Der Ruß sollte nicht in die Wohnung getragen werden. Neben Obst und Gemüse seien in den betroffenen Arealen etwa auch Gartenmöbel oder Pools zu meiden. Wer dringend im Garten arbeiten müsse, sollte dabei vorsorglich Handschuhe tragen. Die Spielplätze in den - nahe am Explosionsort gelegenen - Stadtteilen Bürrig und Opladen bleiben vorerst gesperrt.
Explosion im Tanklager
Die Detonation hatte sich am Dienstagmorgen laut Werksleitung im Tanklager der Sondermüllverbrennungsanlage des Chemieparks ereignet, in der Produktionsrückstände der dort ansässigen Firmen gesammelt und entsorgt werden. Drei Tanks mit organischen Lösungsmitteln gerieten in Brand. Darin befanden sich nach ersten Schätzungen der Betreiber 600.000 bis 900.000 Liter Lösungsmittel. Wegen der Rauchwolke wurden Warnungen an die Bevölkerung herausgegeben. Bürger waren aufgerufen, Wohnungen und Häuser nicht zu verlassen sowie das betroffene Gebiet zu meiden.
Der nordrhein-westfälische Innenminister Herbert Reul (CDU) sprach den Angehörigen sein Beileid aus. Er sei "in Gedanken bei den Angehörigen der Toten und den anderen Betroffenen". Er hoffe, dass die Vermissten schnell gefunden würden.
Disclaimer 12.08.21, 09:57h: Das Landesumweltamt NRW konnte eine Gefährdung der Bevölkerung nicht bestätigen (https://www.br.de/nachrichten/meldung/keine-rueckstaende-von-dioxin-nach-explosion-in-leverkusen-gemessen,3003e07a4). Dennoch sei ergänzt: Dioxine sind nicht nur in hohen Konzentrationen gefährlich, wie ein Zitat in diesem Artikel den Anscheinen erwecken könnte. Dioxine können auch in niedrigen Konzentrationen schädlich sein. Der Münchner Toxikologe Andreas Dietrich sagt dazu auf BR24-Anfrage: "Da Dioxin sehr stark fettlöslich ist, kann es sich (…) im Fettgewebe anreichern und so chronisch toxisch wirken. Toxizität muss also genau definiert werden, um verlässliche Aussagen für den Menschen und die Umwelt treffen zu können. Mit der Definition einer sog. minimaltoxischen Dosis für den Menschen und einem Vergleich mit anderen Giften ist also Vorsicht geboten."
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