Ukraine-Krieg - Butscha
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Ex-UN-Strafrichter sieht Chancen für Kriegsverbrecher-Prozess

Nicht zum ersten Mal deutet im Ukraine-Krieg vieles auf ein Kriegsverbrechen von russischer Seite hin. Wolfgang Schomburg, früher Richter am Internationalen Strafgerichtshof, hält einen Erfolg eines Prozesses gegen russische Truppen für gut möglich.

Über dieses Thema berichtet: radioWelt am .

Im Kiewer Vorort Borodjanka sind nach ukrainischen Angaben zwei weitere Massengräber entdeckt worden. Darin haben sich laut ukrainischen Angaben insgesamt neun Leichen von Zivilisten befunden. Einige von ihnen hätten Folterspuren aufgewiesen. Nicht zum ersten Mal in diesem Krieg deutet vieles auf ein Kriegsverbrechen hin - zuständig dafür ist der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag.

Wolfgang Schomburg, ehemaliger Richter am Internationalen Strafgerichtshof, wertet die Grundlage für einen Prozess wegen Kriegsverbrechen als außergewöhnlich erfolgversprechend. Im Gespräch mit der Bayern 2-radioWelt nannte Schomburg als Grund, dass die Ukraine sich schon nach der russischen Militärintervention von 2014 der Gerichtsbarkeit durch des Strafgerichtshof unterworfen habe. Daher bedürfe es für einen solchen Prozess keinen Beschluss des UN-Sicherheitsrates, in dem Russland ein Vetorecht hat.

Um diese Verbrechen des russischen Militärs könnte es gehen

Mögliche Delikte, die vor dem Strafgerichtshof verhandelt werden könnten, umfassten Kriegsverbrechen der russischen Militärs. "Und es gibt die Verbrechen gegen die Menschlichkeit", sagt Schomburg. Dazu gehörten vorsätzliche Tötungen und Vergewaltigungen. "Insbesondere die so genannte Ausrottung, also die massenhafte Tötung eines Teils oder einer ganzen Zivilbevölkerung." Dies sei vom Völkermord auf der Grundlage der Anti-Genozid-Konvention von 1948 abzugrenzen, bei der sich die Tat gegen eine nationale, ethnische oder religiöse Gruppe richten muss. "Das kann eigentlich erst vor Gericht, wenn es einmal so weit ist, beurteilt werden, was tatsächlich die Motivation und die Zielrichtung der Tat war", so der ehemalige UN-Strafrichter.

Dass man einzelne Soldaten vor Gericht bekommt sei zurzeit unwahrscheinlich. "Aber dadurch, dass man Namen, Nummern von Einheiten und konkreten Personen kennt, ist es relativ einfach, an einer konkreten Situation anzufangen", sagt Schomburg. Gerade das habe sich in den Kriegsverbrecherverfahren nach dem Jugoslawienkrieg als äußerst wichtig erwiesen.

Auch Verfahren gegen Putin möglich

Auf die Frage, ob es in Zukunft auch ein Verfahren gegen den russischen Präsidenten Wladimir Putin vor dem Internationalen Strafgerichtshof geben wird, entgegnet Schomburg: "Ich hoffe es. Er wäre nicht der Erste, der als Staatsführer sich wird verantworten müssen." Er hoffe auf geheime Haftbefehle, die etwa auf künftigen Auslandsreisen des russischen Präsidenten vollstreckt werden könnten. Dass Putin in Moskau gestellt wird sei zwar unwahrscheinlich, "aber ich will in dem Augenblick nichts ausschließen. Wir haben auch erfolgreiche Entführungen aus anderen Staaten erlebt." Es gebe Möglichkeiten, sagt Schomburg.

Professor Wolfgang Schomburg war von 2001 bis 2008 der erste deutsche Richter am Internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien und außerdem Berufungsrichter beim UN-Tribunal für Ruanda.

  • Zum Artikel "Was sind Kriegsverbrechen und wie werden sie verfolgt?"

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