Waffentraining für ukrainische Soldaten
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Ukrainische Soldaten studieren einen sowjetischen RPG-7-Panzerabwehrwerfer

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Durch Ausbildung ukrainischer Soldaten zur Kriegspartei?

Ab welchem Punkt kann Deutschland völkerrechtlich als Kriegspartei gewertet werden? Waffenlieferungen bedeuteten kein Kriegseintritt, sagt ein Rechtsgutachten. Weniger eindeutig könnte das bei der Ausbildung ukrainischer Soldaten aussehen.

Ab welchem Punkt lässt sich von einer Kriegsbeteiligung des Westens ausgehen? Bei dieser Frage könnte die Ausbildung ukrainischer Soldaten an westlichen Waffen auf deutschem Boden in einen Graubereich fallen. Das geht aus einem Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags hervor, der die Bundestagsabgeordneten berät.

Beteiligung an Kampfhandlungen als Kriegseintritt gewertet

Demnach gelten westliche Waffenlieferungen völkerrechtlich nicht als Kriegseintritt – solange es keine Beteiligung an Kampfhandlungen gebe. Dabei sei egal, wie viele oder wenige Waffen Deutschland liefert, ob eher defensive Waffen oder schwere Waffen, heißt es in dem Papier. Und weiter: "Erst wenn neben der Belieferung mit Waffen auch die Einweisung der Konfliktpartei beziehungsweise Ausbildung an solchen Waffen in Rede stünde, würde man den gesicherten Bereich der Nichtkriegsführung verlassen."

Das Gutachten bezieht sich an dieser Stelle auf ein Interview des Völkerrechtlers Pierre Thielbörger in der Neuen Züricher Zeitung. Dort schränkt der Jurist die Aussage zudem ein und betont, "auch hier bleibt die Betrachtung des Einzelfalls ausschlaggebend". Die Ausbildung ukrainischer Soldaten liegt nach dieser Interpretation möglicherweise im Graubereich, stellt aber nicht zwangsläufig völkerrechtlich eine Kriegshandlung dar.

Der Rechtsstatus der "Nichtkriegsführung" habe in der Völkerrechtspraxis die "traditionelle Neutralität" in den vergangenen Jahrzehnten ersetzt, um eine Unterstützung von angegriffenen Staaten – wie derzeit die Ukraine – mit Waffenlieferungen und Geld zu ermöglichen, schrieben die Experten dem Bericht zufolge weiter.

Bundesregierung: Ausbildung kein direkter Kriegseintritt

Regierungssprecher Steffen Hebestreit will das Gutachten nicht direkt kommentieren. Jedem sei klar, dass sich die Bundesregierung immer wieder in einer schwierigen Abwägung befände, sagt Hebestreit. Er ist überzeugt, dass auch die Ausbildung ukrainischer Soldaten kein direkter Kriegseintritt sei.

Das zwölfseitige Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes, der die Bundestagsabgeordneten neutral beraten soll, trägt den Titel "Rechtsfragen der militärischen Unterstützung der Ukraine durch Nato-Staaten zwischen Neutralität und Konfliktteilnahme". Es wurde demnach bereits im März erstellt, also vor dem Beschluss von Bundesregierung und Bundestag, deutsche Panzer direkt an die Ukraine zu liefern und zugleich ukrainische Soldaten an westlichen Waffen auszubilden.

Pentagon: Training in Deutschland findet bereits statt

Das US-Verteidigungsministerium hatte am Freitag erklärt, dass ukrainische Soldaten bereits an Waffensystemen ausgebildet würden. Das Training finde auf US-Militär-Stützpunkten in Deutschland in Absprache mit der Bundesregierung statt, die bei der Koordinierung und Organisation helfe. Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) sagte am Dienstag bei einer Militärkonferenz in Ramstein, Deutschland werde sich stärker bei der Ausbildung ukrainischer Truppen an Artilleriesystemen auf deutschem Boden engagieren.

Die Linke im Bundestag kritisierte dies als deutschen Eintritt in den Ukraine-Krieg. "Die Ampel-Koalition und die Union haben Deutschland mit ihrem Bundestagsbeschluss, schwere Waffen an die Ukraine zu liefern und darüber hinaus auch ukrainische Soldaten 'in Deutschland oder auf Nato-Gebiet' auszubilden, zur aktiven Kriegspartei gemacht", sagte die Linken-Obfrau im Verteidigungsausschuss, Zaklin Nastic, dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. "Die Bundesregierung setzt ganz Europa einer völlig unkontrollierbaren Gefahr aus."

Melnyk: "Für Putin ist Deutschland längst Kriegspartei"

Der ukrainische Botschafter in Deutschland, Andrij Melnyk, hatte am Sonntag Befürchtungen, dass Deutschland durch Waffenlieferungen zur Kriegspartei werden könnte, zurückgewiesen. Für Kreml-Chef Wladimir Putin sei "Deutschland längst Kriegspartei", sagte er. "Wer eine Ausweitung seines Kriegs verhindern möchte, muss uns jetzt helfen, Putin in die Schranken zu weisen. Ein Sieg Russlands in der Ukraine wäre das Schlimmste, was Deutschland passieren könnte."

Die Angst vor einem dritten Weltkrieg kann Melnyk laut eigener Aussage nur bedingt nachvollziehen: "Der dritte Weltkrieg hat bereits begonnen." Putins Angriff auf die Ukraine betrifft seiner Ansicht nach alle, auch die Deutschen, "wenn auch noch nicht militärisch".

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