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Martin Schulz, Vorsitzender der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD)

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Der unrühmliche Abgang des Martin Schulz

Kaum sind die Koalitionsverhandlungen vorbei, zerstreiten sich die Sozialdemokraten auf offener Bühne. Martin Schulz muss nicht nur den Parteivorsitz räumen, sondern auch aufs Außenministerium verzichten. Eine Einschätzung von Wolfgang Kerler

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Für etwas mehr als 24 Stunden durfte Martin Schulz träumen. Obwohl er auf ganzer Linie gescheitert war, schien seine Partei ein Trostpflaster für ihn zu haben: Der historische Wahlverlierer, der zu einer neuen Großen Koalition erst ein klares "Nein" und dann ein klares "Ja" abgegeben hatte, sollte Außenminister werden. Schulz hätte das Gesicht wahren können. So schien es für etwas mehr als 24 Stunden. Doch gestern Abend wagte sich Sigmar Gabriel aus der Deckung.

Sigmar Gabriel rechnete mit Schulz ab

Der und beliebteste Politiker Deutschlands rechnete mit Martin Schulz ab. Dabei hatte er ihn persönlich zum Kanzlerkandidaten und Parteichef gekürt. Aber Gabriel war offenbar tief verletzt, weil er das Auswärtige Amt räumen sollte. Er sagte alle noch anstehenden Termine ab, inklusive der hochrangig besetzten Münchener Sicherheitskonferenz.

In einem Zeitungsinterview klagte er, wie wenig ein gegebenes Wort noch zähle – und deutete damit an, Schulz habe ihm zugesagt, Minister bleiben zu dürfen. Der von vielen als geschmacklos empfundene Höhepunkt von Gabriels Einlassungen: Er erzählte von einem Gespräch mit seiner Tochter Marie. Die habe zu ihm gesagt: "Du musst nicht traurig sein, Papa, jetzt hast du doch mehr Zeit mit uns. Das ist doch besser als mit dem Mann mit den Haaren im Gesicht." Gemeint war natürlich: Martin Schulz.

SPD-Führung serviert Martin Schulz ab

In der Öffentlichkeit kochte zunächst die Kritik an Sigmar Gabriel hoch: "Stillos" seien seine Attacken, "armselig". Trotzdem: Die SPD schlug sich auf die Seite des Noch-Außenministers Sigmar Gabriel und servierte den ab.

Gegen Mittag kamen plötzlich Meldungen: Gabriel reise jetzt doch zur Sicherheitskonferenz. Und es erschien der erste Artikel, der den nahenden Absturz von Martin Schulz verkündetet: "Schulz vor dem Aus“, schrieb die Bild. Wenig später hörte man aus SPD-Kreisen, Schulz werde auf das Außenamt verzichten. Der Druck in der Partei sei zu groß.

Dann verschickte Schulz eine öffentliche Erklärung: Er sei stolz auf den , der das Leben der Menschen in vielen Bereichen verbessern könne. Es sei für ihn von höchster Bedeutung, dass die Mitglieder der SPD bei ihrem Votum für die Koalition stimmten. Dann wurde er persönlich:

"Durch die Diskussion um meine Person sehe ich ein erfolgreiches Votum allerdings gefährdet. Daher erkläre ich hiermit meinen Verzicht auf den Eintritt in die Bundesregierung und hoffe gleichzeitig inständig, dass damit die Personaldebatten innerhalb der SPD beendet sind." –Erklärung von Martin Schulz

Futter für die "NoGroKo“-Kampagne

Seine persönlichen Ambitionen müssten hinter den Interessen der Partei zurückstehen, schrieb er außerdem. Eine späte Einsicht, werden sich viele Genossen denken. Denn selbst Mitglieder des Parteivorstands hatten ihn während der Koalitionsverhandlungen mehr oder weniger offen dazu aufgefordert, auf ein Ministerium zu verzichten. Hatte er doch vergangenes Jahr unmissverständlich klar gemacht, er werde nicht in ein Kabinett unter Angela Merkel eintreten.

Trotzdem hatte er nach der Präsentation des Koalitionsvertrags das Außenministerium für sich beansprucht, wollte dafür den Parteivorsitz an Andrea Nahles abgeben. Das Posten-Geschacher lieferte den parteiinternen Gegnern der neuen Großen Koalition Futter für ihre "NoGroKo"-Kampagne. Juso-Chef Kevin Kühnert zeigte sich "fassungslos", dass die SPD-Spitze nach wochenlangen Verhandlungen eine Personaldiskussion anzettelte.

SPD-Streit geht auf offener Bühne weiter

Nun wirft Schulz ganz hin. Es ist nicht abzusehen, was das für das Mitgliedervotum über den Koalitionsvertrag bedeutet. Hätte Schulz von vornherein auf einen Ministerposten verzichtet, wäre der SPD das neue Chaos wohl erspart geblieben. Denn, wie schon vor den Verhandlungen über eine neue GroKo, tobt der innerparteiliche Streit auf offener Bühne.

Während SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil "Respekt" für die Entscheidung von Martin Schulz fordert, heizt der Sprecher des konservativen Flügels in der Partei, Johannes Kahrs, die Personaldebatte weiter an. Auf Twitter forderte er, Sigmar Gabriel sollte Außenminister bleiben. "Alles andere würde ich jetzt nicht mehr verstehen." Der SPD-Fraktionsvize Sören Bartol rüffelt ihn dafür sofort: "Lieber Johannes. Wir haben klar gesagt, dass wir NACH dem Mitgliedervotum über Personen reden", postete er ebenfalls auf Twitter. Die Ex-Juso-Vorsitzende Johanna Uekermann schrieb nur: "Sagt Bescheid, wenn dieser Männerzirkus vorbei ist. Ich hab’s satt." Derzeit bleibt nur noch die Fraktionschefin und designierte Parteichefin Andrea Nahles. Sie ist die einzige, die für Ruhe in der SPD sorgen könnte.