ARCHIV (23.10.2015): Hebamme hält ein Neugeborenes
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Das verdienen Hebammen: Gekürzte Pauschalen verschärfen Mangel

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Das verdienen Hebammen: Gekürzte Pauschalen verschärfen Mangel

Die Suche nach einer Hebamme kann zermürbend sein. Eine staatliche Kürzung von Dienstpauschalen in München verschärft den Hebammenmangel in der Landeshauptstadt zusätzlich. Über einen Fall, der bayernweite Folgen haben könnte.

Über dieses Thema berichtet: Notizbuch am .

Es ist früh am Morgen und bei Elisabeth Bender zuhause herrscht Aufbruchstimmung. Gleich wird die selbstständige Hebamme eine junge Familie und ihr Neugeborenes besuchen. Sie packt gewissenhaft ihren Rucksack und geht nochmal alle Utensilien durch: eine Hängewaage zum Wiegen der Säuglinge, Tropfen für die Augen und Zäpfchen gegen Koliken. Dazu kommen noch einige Medikamente. Bei Hausbesuchen wie heute muss sie auf alles gefasst sein.

Große Verantwortung beim Hausbesuch

Die Hebamme hat schon einige heikle Fälle erlebt: "Keine Gewichtszunahme der Kinder oder Abnahme. Die Gelbsucht der Kinder ist eine ganz wichtige Sache. Außerdem sind Entzündungen der Gebärmutter ein Thema oder Thrombosen bei der Frau. Ich schaue mir auch immer die Blutdruckwerte an. Die Vorgeschichte ist da entscheidend, deswegen ist auch die Anamnese so wichtig."

Dafür nimmt sich Elisabeth Bender auch Zeit: Bevor sie das erste Mal zu einer Familie fährt, hat sie meist etwa zwanzig bis dreißig Minuten mit der Mutter ein Vorgespräch geführt, die sogenannte Anamnese.

HebaVaria: Auffangnetz für das überlastete System

Heute ist Elisabeth Bender im Namen von HebaVaria unterwegs. HebaVaria ist eine letzte Chance für Familien, die keine Hebamme gefunden haben. Der Verein fragt bei kooperierenden Hebammen an, ob sie Kapazitäten für einzelne Hausbesuche haben. Der Freistaat Bayern unterstützt die Städte und Gemeinden bei der Hebammenversorgung durch Vereine wie HebaVaria mit einer Pauschale von bis zu 40 Euro für eine Arbeitsstunde.

Doch jetzt heißt es: HebaVaria sei aufgrund einer App zur Vermittlung sehr effizient – die Hebammen hätten keinen Arbeitsausfall mehr. Und so gibt es nur noch zehn Euro pro Stunde. Seit Jahren seien zu hohe Pauschalen gezahlt worden. HebaVaria fürchtet sogar, eine Rückzahlung leisten zu müssen. Es fühlt sich für Hebammen wie Elisabeth Bender so an, als würde man für die Effizienz bestraft. Und natürlich habe sie Arbeitsausfälle, sagt sie.

BR24 begleitet sie bei ihrem Arbeitsalltag und stellt fest: Für einen Hausbesuch von HebaVaria kann aufgrund der langen Verkehrswege schon mal ein halber Arbeitstag anfallen, bei dem sie nicht für andere Familien da sein kann. Wie viel sie dabei verdient, haben wir unten zusammengefasst.

Gekürzte Dienstpauschalen treffen die Stadt München

München springt anstelle des Freistaates ein. Das ist es der Gesundheitsreferentin Beatrix Zurek wert. Schließlich wurden 2022 etwa 16.500 Kinder in München geboren, deren Eltern in der Landeshauptstadt gemeldet sind. "Dem gegenüber stehen 480 Hebammen. Da sieht man, dass Engpässe bei der Versorgung mit Hebammen vorhanden sind. Insbesondere in Ferienzeiten. Wir sind mit HebaVaria in engem Austausch, weil der Verein eine so wichtige Arbeit für die Münchner Familien leistet."

München: So viel verdient eine Hebamme beim Hausbesuch

Die Familie, die Elisabeth Bender heute im Namen von HebaVaria besuchen soll, wohnt am anderen Ende der Stadt. Die Hebamme muss eine halbe Stunde Fahrtzeit mit ihrem E-Bike einplanen. "Die Fahrtstrecke ist natürlich aufwendig. Heute mit einer halben Stunde hin und einer halben Stunde zurück. Das ist eine Stunde Arbeitszeit, die ich mit einundachtzig Cent pro Kilometer vergolten bekomme. Wenn ich hier in meinem Quartier meine Frauen betreuen würde, würde ich etwa einen Kilometer als Fahrtstrecke haben und somit in dieser halben Stunde schon wieder einen ganzen Hausbesuch machen können, der mir jetzt wegfällt."

Zu dem Kilometergeld kann Elisabeth Bender eine Pauschale von der Krankenkasse der Mutter abrechnen. Das sind etwa achtunddreißig Euro für den Hausbesuch. Die Krankenkassen gehen von einer Besuchszeit von zwanzig Minuten aus. Es wird sich zeigen: Dieser Hausbesuch heute soll eine Stunde dauern – kein Einzelfall.

Insgesamt wird die Hebamme für diesen Hausbesuch etwa einen halben Arbeitstag beschäftigt sein. Denn Elisabeth Bender führt noch zwei Telefonberatungen mit der Familie. Dafür rechnet sie je sieben Euro bei der Krankenkasse ab. Für diesen Einsatz sind das insgesamt mit Vor- und Nachbereitung knapp über siebzig Euro brutto.

"Risiko eines finanziellen Ausfalls niedriger"?

Die Regierung von Oberfranken verantwortet den Fördertopf bayernweit. Von dort heißt es auf Anfrage von BR24: "Mittlerweile konnte HebaVaria durch verschiedene Umstrukturierungsmaßnahmen und die Entwicklung einer App Effizienzsteigerungen erreichen. Anders als beim früheren, geförderten Bereitschaftsdienst sind die Einsätze der Hebammen mittlerweile mit ausreichender Sicherheit planbar, so dass es in deren Tagesstruktur wenig Leerlauf ohne Verdienstmöglichkeit gibt. Da das Risiko eines finanziellen Ausfalls niedriger ist, wird für eine Rufbereitschaft eine geringere Pauschale in Höhe von zehn Euro pro Stunde angesetzt."

HebaVaria gibt an, nicht einmal die vollen vierzig Euro pro Stunde aus dem Fördertopf beantragt zu haben. Zehn Euro seien aber definitiv zu wenig. "Ich möchte deutlich zum Ausdruck bringen, dass es uns nicht darum geht, so viel Geld wie möglich zu verhandeln", sagt Melanie Marwitz von HebaVaria. "Im Gegenteil: Wir justieren regelmäßig unser Angebot nach und planen unsere Projekte so wirtschaftlich wie möglich, um die Fördermittel möglichst sinnvoll und effizient einzusetzen."

Falls der Freistaat bereits ausgezahlte Fördergelder zurückverlangen sollte, könnte sich das der Verein niemals leisten. Melanie Marwitz ist froh, dass die Stadt München einspringt und die Finanzierungslücke schließt. Doch nicht alle Städte und Kommunen sind finanziell so gut aufgestellt. In ganz Bayern könnten Hebammenvereine unter Druck geraten, wenn der Freistaat die Förderungen kürzt und München zum Präzedenzfall wird.

  • Zum Artikel: Internationaler Hebammentag: Bayernweit "relativer Mangel"

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