Dresden im April 2021: Leere Stühle stehen übereinander gestapelt vor einem Restaurant auf dem Neumarkt vor der Frauenkirche.
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Dresden im April 2021: Leere Stühle stehen übereinander gestapelt vor einem Restaurant auf dem Neumarkt vor der Frauenkirche.

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Bundesnotbremse: Wie entscheidet das Bundesverfassungsgericht?

Das Bundesverfassungsgericht entscheidet heute über die Rechtmäßigkeit von Kontakt- und Ausgangsbeschränkungen sowie Schulschließungen. Das Urteil hat direkte Konsequenzen für die Bund-Länder-Gespräche zur Corona-Pandemie heute Nachmittag.

Im April wurden mit der sogenannten Bundesnotbremse bundesweit einheitliche Maßstäbe geschaffen. Ab einem längeren Inzidenzwert von 100 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner galten deutlich schärfere Maßnahmen: etwa Kontaktbeschränkungen, und – besonders umstritten - eine nächtliche Ausgangssperre. Diese galt von 22 bis 5 Uhr.

Gegen die neuen Regelungen im Infektionsschutzgesetz gingen sehr schnell viele Klagen ein: von betroffenen Bürgerinnen und Bürgern, Rechtsanwälten und Politikern. Heute nun wird das Bundesverfassungsgericht über die Rechtmäßigkeit der Bundesnotbremse entscheiden.

Klage gegen Kontakt- und Ausgangsbeschränkungen

Einer der Kläger ist Joachim Streit von den Freien Wählern. Er ist Jurist, Landtagsabgeordneter und war bis vor kurzem Landrat in Rheinland-Pfalz. Er hält vor allem die damals geltende Ausgangssperre für völlig unverhältnismäßig. "Die Ausgangssperre führt dazu, dass sich Menschen im Haus aufhalten. Wir haben doch gelernt, dass die Ansteckungsgefahr draußen nicht so groß ist wie in geschlossenen Räumen. Und dann das Eigenartige: Ein Ehepartner darf raus. Man darf zu zweit in der Wohnung leben, aber man darf nur alleine spazieren gehen. Das ist – Entschuldigung – völliger Irrsinn", so Streit.

Im Mai hatte das Bundesverfassungsgericht in einer Eilentscheidung die Ausgangssperre vorläufig gebilligt. Nun ist die spannende Frage, was der erste Senat in seinem endgültigen Beschluss dazu entscheiden wird. Ob ein solch massiver Grundrechtseingriff verhältnismäßig und angemessen ist, haben die Richterinnen und Richter in den vergangenen Monaten intensiv geprüft. Gleiches gilt für die Kontaktbeschränkungen. Auch sie waren im Mai in einer vorläufigen Eilentscheidung gebilligt worden.

Entscheidung über Rechtmäßigkeit von Schulschließungen

Mit der Bundesnotbremse wurde bundesweit auch vorgeschrieben, dass bei einem stabilen Inzidenzwert von 165 die Schulen geschlossen werden müssen. Für Eltern, Schülerinnen und Schüler waren die Schulschließungen eine massive Belastung. Die 15-jährige Schülerin Anouk aus Baden-Württemberg schildert, was sie damals erlebt hat. Sie spricht von enormen psychischen Folgen: "Irgendwann war die Stimmung richtig im Keller. Man hatte keine Lust mehr. Man saß nur noch zu Hause. Es hat keinen Spaß mehr gemacht. Man wollte raus, wollte seine Freunde treffen. Das Soziale hat so gefehlt in dieser Zeit. Das hat sich ja über Wochen und Monate hingezogen. Und dann saß man dementsprechend allein zu Hause."

Entscheidung wird wohl Richtschnur für Pandemiebekämpfung

Das Bundesverfassungsgericht wird nun entscheiden, ob die Schulschließungen mit dem Grundgesetz vereinbar waren. Derzeit sind sie nicht möglich, weil die Bundesnotbremse nicht mehr gilt. Das Infektionsschutzgesetz wurde erst kürzlich vom Gesetzgeber geändert. Die Politik erhofft sich aber, dass sie mit den beiden Beschlüssen eine Orientierung bekommt, was bei der Pandemiebekämpfung künftig rechtlich zulässig ist und was nicht.

Dass es eine solche Orientierung geben wird, hatte Gerichtspräsident Stephan Harbarth in einem ZDF-Interview kürzlich klar signalisiert. Damals sagte er: "Das Bundesverfassungsgericht entwickelt Maßstäbe, um im Grunde genommen die Verfassung in einem bestimmten Bereich zu konkretisieren. Und deshalb geben die Begründungen des Verfassungsgerichts üblicherweise Hinweise für Folgefragen, die sich stellen werden, etwa für kommende Pandemien, oder für Maßnahmen in der gegenwärtigen Pandemie für die kommenden Monate."

Heute Vormittag nun wird das Bundesverfassungsgericht die Beschlüsse auf seiner Internetseite schriftlich veröffentlichen.

Wie ist die Rechtslage? Staatsrechtler Prof. Josef-Franz Lindner im BR24-Thema-des-Tages

Außenaufnahme des Bundesverfassungsgerichts
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