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Angela Merkel

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CDU-Chefin Merkel: A wie Angela, A wie alternativlos

CDU-Chefin Merkel: A wie Angela, A wie alternativlos

Trotz des schlechten Wahlergebnisses und dem Scheitern von Jamaika sitzt Angela Merkel bei der CDU fest im Sattel. Wieso gibt es keine Rebellion in der Union? Merkel mag angeschlagen sein - aber offene Kritik? Fehlanzeige. Von Anita Fünffinger

Über dieses Thema berichtet: Dossier Politik am .

Was ist los im Staate Deutschland, wenn sogar ein krawalliger Punksänger - zumindest war er das früher - Merkel zum Durchhalten aufruft? Campino von den Toten Hosen gestand einem Privatsender:

"Diese Person auszutauschen, das wäre für mich das Zeichen, dass die Bundesrepublik Deutschland sich selber zerlegen möchte." Campino, Sänger der Toten Hosen

Merkel scheint als Kanzlerin wie als CDU-Chefin alternativlos zu sein. Nach den gescheiterten Jamaika-Sondierungsverhandlungen gab es in der Union niemanden, der Merkel offen kritisierte. Im Gegenteil, die Parteivorderen schickten sich an, sie als starke Führungsfigur darzustellen. CSU-Chef Horst Seehofer dankte Merkel noch in der Nacht der geplatzten Sondierungsgespräche ausdrücklich. Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther attestierte der Kanzlerin eine meisterhafte Verhandlungsführung. CDU-Präsidiumsmitglied Jens Spahn wehrte kritische Fragen mit den Worten ab:

"Natürlich ist sie die richtige Kanzlerin. Und es ist auch gut, dass sie in dieser Zeit Kanzlerin ist." Jens Spahn, CDU

Königsmörder muss sich nicht fürchten

Jens Spahn gilt wirklich nicht als der größte Fan der Kanzlerin, aber zum Königsmörder will er bestimmt nicht werden. Dafür hat er noch zu viele Ambitionen. Und er ist jung genug, um abwarten zu können. Andere, die sich früher auch nicht scheuten, Angela Merkel zu kritisieren, verordnen sich jetzt Sprechverbot. Die Absage unserer Interview-Anfrage an den Chef der Mittelstandsvereinigung in der Union, Carsten Linnemann, kommt innerhalb von eineinhalb Minuten. Früher hat er schon mal so Worte wie "Irrläuferpolitik" in den Mund genommen. Auch andere potenzielle Merkel-Kritiker in der Union geben stets dieselbe Antwort: Nein, wir sagen nichts.

Kanzlerwahlverein CDU funktioniert

Merkel hat Glück. Ihre Partei funktioniert wie eh und je. Die CDU ist ein Kanzlerwahlverein. Politikwissenschaftler Gero Neugebauer analysiert, dass sich die CDU im entscheidenden Moment immer zusammenreißen kann, öffentlichen Streit und Gestänker vermeidet und so ihre Vorsitzenden schützt.

"Die CDU hat eine Maxime, die heißt: wenn wir die Macht haben, geben wir sie nicht ab." Gero Neugebauer, Politikwissenschaftler

Neugebauer kann sich vorstellen, dass die Diskussion über Angela Merkel später ausbricht, wenn eine neue Regierung steht.

JU-Ortsverband fordert Merkels Rücktritt

Offene Kritik an der Kanzlerin gibt es in diesen Zeiten nur aus den hinteren Reihen. Manchmal muss man bis in die dritte oder vierte Riege schauen, aber dort findet man sie. Die Junge Union Düsseldorf fordert einen personellen Neuanfang. Merkel habe man das schlechteste Wahlergebnis seit 1949 zu verdanken. Auch die Jamaika-Sondierungsgespräche zeigten, dass der Kanzlerin persönlicher Machterhalt wichtiger scheint als die inhaltlichen Positionen der CDU. 

"Daher fordert die JU Düsseldorf den sofortigen Rücktritt der Kanzlerin vom CDU-Parteivorsitz und spricht sich im Falle von Neuwahlen gegen eine erneute Kandidatur Merkels als Spitzenkandidatin aus." JU Düsseldorf auf ihrer Internetseite

Kaum war dies am Dienstag auf der Facebook-Seite der JU Düsseldorf veröffentlicht, wurde der Artikel auch schon von der JU München Nord geteilt. Das muss nicht unbedingt volle Zustimmung bedeuten, aber zumindest Sympathie. Das Signal der Kanzlerdämmerung gibt es, den Ruf nach ihrem Rücktritt hört man. Unionsfraktionsmitglieder senden ihn vereinzelt und ganz heimlich an die SPD aus.

Bei den Sozialdemokraten berichtet man von ersten unmoralischen Angeboten nach dem Motto: Fordert doch mal Verhandlungen OHNE Angela Merkel - und dann sehen wir weiter. Laut darüber nachgedacht hatte bereits unmittelbar nach der Wahl der ehemalige SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann. Auf die Frage, ob er sich eine Neuauflage der Großen Koalition vorstellen könne, wenn Angela Merkel nicht mehr die Kanzlerin antwortete er: "Das wäre in der Tat eine neue Situation."

Angela Merkel ist alternativlos

Merkel-Vertraute wie Thomas de Maizière, Ursula von der Leyen oder Annegret Kramp-Karrenbauer galten einst als potenzielle Nachfolger. Aber sie sind entweder schon verbrannt oder haben keine Hausmacht. Und dafür gesorgt hat laut Politikwissenschaftler Gero Neugebauer die Chefin höchst selbst:

"Die Politik von Frau Merkel als Parteivorsitzende hat dazu geführt, dass es keine relevanten Rivalen gibt. Es gibt keine Alternativen zu ihr. Frau Merkel ist zurzeit nur durch Frau Merkel selbst zu gefährden." Gero Neugebauer, Politikwissenschaftler

Die zweite und dritte Reihe in der Union hat also noch genügend Zeit, um sich vorzubereiten. Ganz zufällig natürlich saßen gestern im Bundestag - hinten, damit es nicht gleich jeder sieht - JU-Chef Paul Ziemiak, der ambitionierte Jens Spahn und eben jener sonst so kritikfreudige Carsten Linnemann zusammen und tuschelten eifrig. Worüber sie gesprochen haben, wird man vorerst nicht erfahren.