Nach dem Brand in einer Ferienunterkunft im Elsass mit elf Toten steht die Frage nach ausreichenden Sicherheitsvorkehrungen im Raum. Einen verpflichtenden Besuch der Herberge in Wintzenheim durch eine Sicherheitskommission habe es nicht gegeben, sagte die Vizestaatsanwältin von Colmar, Nathalie Kielwasser, am Donnerstag. Dabei hätte unter anderem der Brandschutz kontrolliert werden sollen. Ob das Haus den Vorschriften entsprach oder nicht, wisse man noch nicht.
Frankreichs beigeordnete Ministerin für Menschen mit Behinderungen, Fadila Khattabi, sagte, man dürfe jetzt nicht spekulieren und müsse die Justiz ihre Arbeit machen lassen. "Wir schulden den Familien die ganze Wahrheit."
Brandursache noch unklar - Rauchmelder nicht ausreichend?
Kielwasser berichtete dem französischen Nachrichtensender BFM TV, das Feuer sei am frühen Mittwochmorgen um 6.30 Uhr im Obergeschoss des Hauses ausgebrochen und habe die Bewohner im Schlaf überrascht. Zu dem Zeitpunkt hielten sich zwei Gruppen mit Menschen mit leichter geistiger Behinderung in dem Haus auf. 17 Menschen konnten sich retten, einer von ihnen wurde verletzt. Zehn Menschen mit Lernbehinderungen und ein Betreuer kamen ums Leben. Weitere Einzelheiten zu den Opfern wurden nicht bekannt gegeben. Die Ermittler arbeiteten an der Identifizierung der Leichen mittels DNA-Tests, so Kielwasser. Zudem werde untersucht, was den Brand ausgelöst haben könnte und ob alle Vorschriften eingehalten wurden.
"Wer ein Auto fahren will, braucht einen Führerschein", sagte Kielwasser. Ähnlich sehe es für alle aus, die Leute beherbergen wollten: Sie bräuchten das grüne Licht einer Sicherheitskommission, die nach ihrem Besuch Empfehlungen abgebe, wie etwa zur Zahl der Übernachtungsgäste. "Wir legen eine Reihe von Sicherheitsregeln dafür fest."
Bei dem niedergebrannten Gebäude handelt es sich um eine rund 500 Quadratmeter große ehemalige Scheune im typischen Fachwerkstil der Region, die vor wenigen Jahren komplett renoviert und umgebaut wurde. Die Staatsanwaltschaft geht von einem Schwelbrand aus, das Holz habe wohl erst nach einigen Stunden wirklich Feuer gefangen. Etwa 300 von 500 Quadratmetern verbrannten.
Nach ersten Erkenntnissen verfügte die Herberge über moderne Rauchmelder, die aber für Herbergen nicht ausreichten, sagte Kielwasser. Ob sich auch Feuerlöscher in dem Gebäude befanden, sei derzeit noch unklar. Auch die eigentliche Brandursache sei weiter unbekannt.
Eigentümerin unter Schock - zu viele Gäste untergebracht?
Die Eigentümerin der Unterkunft steht laut der Vize-Staatsanwältin unter Schock und wurde nicht in Gewahrsam genommen. Sie wohnt genau gegenüber und hatte die Feuerwehr alarmiert.
Diese war rund eine Viertelstunde später zur Stelle, doch für die meisten Bewohner, die nicht im Erdgeschoss untergebracht waren, kam jede Rettung zu spät. Vermutlich seien sie an Rauchvergiftung gestorben, sagte der Leiter des Rettungseinsatzes, Philippe Hauwiller, am Mittwoch.
Nach Angaben des Bürgermeisteramts von Wintzenheim befanden sich 28 Menschen in der Unterkunft, als der Brand ausbrach. Demnach hatte die Besitzerin aber einen Vertrag zur Unterbringung von nur 16 Übernachtungsgästen unterzeichnet. Laut Kielwasser dauerten die Ermittlungen, ob die erlaubte Maximalzahl für die Unterkunft eingehalten wurde, noch an.
Der stellvertretende Bürgermeister von Wintzenheim, Daniel Leroy, hatte am Mittwoch versichert: "Wir kennen diese Herberge. Diese Unterkunft hat sehr gut funktioniert und keine Probleme gemacht." Vertreter der Gemeinde hätten das Haus von innen gesehen. Alles sei renoviert und in "perfektem Zustand" gewesen.
Große Betroffenheit
Ministerin Khattabi betonte am Unglücksort, die Familien der Opfer stünden nun unter Schock. Konkrete Fragen zu dem Vorfall hätten sie nicht an sie gerichtet. Die Regierungsvertreterin sagte, auch diejenigen, die mit behinderten Menschen arbeiteten, habe der Brand mitgenommen. "Ein ganzer Sektor ist getroffen, ist heute in Trauer." Anwohner legten in der Nähe der Unterkunft in Gedenken an die Opfer Blumen ab.
Die Feriengäste in dem Haus wurden von zwei sozialen Organisationen aus den Städten Nancy und Besançon betreut. Laut Staatsanwaltschaft kamen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Freizeit aus der französischen Region Grand Est. Ministerin Khattabi zufolge hatten zwei Personen aus der Reisegruppe die Unterkunft ausgesucht. Eine von ihnen sei schon einmal dort gewesen und hätte so positive Erinnerungen an den Aufenthalt gehabt.
Großes Glück hatte dem Vorsitzenden der Organisation aus Nancy, Denis Renaud, zufolge eine junge Frau, die an der Freizeit teilnahm. Sie habe sich durch einen Sprung aus dem Fenster retten können. Es sei wie ein doppeltes Wunder gewesen. Zum einen, weil die Frau aufgewacht sei, und zum anderen, weil sie ein Mensch unten aufgefangen habe. Die Frau habe noch versucht, andere aus der Gruppe zu alarmieren und sei dann aus einem Überlebensreflex herausgesprungen. Die meisten der Überlebenden des Brandes hatten sich im Erdgeschoss der Unterkunft aufgehalten.
Mit Informationen von dpa, AFP und AP.
Im Video - Todesopfer nach Feuer in Ferienheim für behinderte Menschen:
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