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Manuel Neuer

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Fehlende Fitness: Fußballer vor der Weltmeisterschaft

Heute ist Tag der Entscheidung: Jogi Löw verkündet, wen er für WM-tauglich hält. Ob Kapitän Manuel Neuer nach der langen Verletzungspause Höchstleistungen bringen kann, bewertet Dr. Stephan Lorenz, Chefarzt der Sportorthopädie in München.

Über dieses Thema berichtet: radioWelt am .

Bayern 2-radioWelt: Seit Tagen wird über die WM-Tauglichkeit von Manuel Neuer spekuliert. Wie viel Spielpraxis und auch Training braucht ein Spieler, um bei einem WM-Turnier mithalten zu können?

Dr. Stephan Lorenz, Chefarzt der Sportorthopädie, München: Ich glaube, dass der Torhüter noch der beste Posten in einer Fußballmannschaft ist, wo man am wenigsten Spielpraxis braucht, um wieder auf Normalform zu kommen. Das wäre vielleicht bei einem Spielgestalter, der viele Spielzüge sehen muss oder viel erkennen muss, viel schwieriger. Beim Torhüter ist es wahrscheinlich eher die körperliche Fitness, die Schnelligkeit, die ihn wieder auf Normalform bringen kann.

Bayern 2-radioWelt: Das heißt, die fehlende Fitness könnte Neuer vielleicht mit Erfahrung ausgleichen?

Stephan Lorenz: Er hat natürlich Erfahrung aus vielen Turnieren und hat ständig in einer Spitzenmannschaft, dem FC Bayern, gespielt, so dass er wahrscheinlich schon die Chance hat, wieder hinzukommen an seine alte Stärke. Man muss sehen, wie das mit dem Fuß ist. Weite Abschläge muss er trotzdem machen können und darf dabei keine Schmerzen haben, aber sicher kann er das auch in großem Maß mit Erfahrung ausgleichen.

Bayern 2-radioWelt: Drei Mal hat sich Neuer schon in sehr kurzer Zeit den Mittelfußknochen gebrochen, ist das eine ganz besonders empfindliche Stelle für Fußballprofis?

Stephan Lorenz: Der Fuß ist natürlich wichtig beim Fußballspieler. Dieser spezielle Knochen ist ein sehr kleiner Knochen, und wenn der nicht richtig zusammenwächst oder erneut verletzt wird, dann wird es immer schwieriger, bis dieser Knochen heilt.

Bayern 2-radioWelt: Manuel Neuer hat letzte Woche erklärt, bevor er wieder spiele, müsse er ein gutes Gefühl haben. Wie schwierig ist es, nach einer so langen Verletzungspause wieder ein gutes Körpergefühl zu bekommen?

Stephan Lorenz: Ich glaube, dass in einem Mannschaftssport viel davon abhängt, ob die Mitspieler ihm vertrauen, also auch die, die vor ihm in der Abwehr spielen. Dass sie ihm das Gefühl geben, dass er wieder dazugehört, dass sie auch für ihn in die Bresche springen. Ich denke, er muss schmerzfrei sein, sich auf dem Platz gut fühlen, so dass er nicht mehr an seinen Fuß denken muss, weil in dem Moment, wo er an seinen Fuß denkt, ist der Ball wahrscheinlich schon im Tor.

Bayern 2-radioWelt: Haben Fußballprofis aus Ihrer ärztlichen Sicht überhaupt genug Zeit, sich wieder auszukurieren?

Stephan Lorenz: Das ist sicher ein großes Problem in unserer Zeit, wo natürlich sehr viel Geld im Spiel ist, wo die Mannschaften auch sehr oft spielen müssen. Man hat ja auch jetzt am Ende der Saison gesehen, dass der Akku ein bisschen leer ist. Dann mehren sich auch die Verletzungen in der Muskulatur, kleiner und größere, die ja auch schon zu einigen Ausfällen in der Nationalmannschaft geführt haben.

Bayern 2-radioWelt: Würden Sie sagen, dass die Verletzungsgefahr bei einem so hochklassigen Turnier wie einer WM ganz besonders groß ist?

Stephan Lorenz: Das glaube ich auf jeden Fall. Die Spieler spielen jeden dritten, vierten Tag, der Druck ist wahnsinnig hoch, das Medieninteresse ist wahnsinnig hoch, auch der psychische Druck ist groß, nicht nur der physische. Die Erholungszeit nach der langen Saison ist nur sehr kurz, man muss ja dann schon wieder mit der Nationalmannschaft trainieren, also sicherlich ein Turnier auf höchstem Belastungsniveau.