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Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF)

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BAMF-Affäre: Wer wusste was – und wann?

Waren die falschen Asylbescheide die Verfehlungen einzelner Mitarbeiter oder steckte ein System dahinter? Das muss die Politik ebenso aufklären, wie die Frage, ob es in der Affäre Akteure gab, die den Skandal vertuschen wollten. Von Anita Fünffinger

Über dieses Thema berichtet: BAYERN 1 am Nachmittag am .

Allein in Bremen müssen 18.000 Asylbescheide neu überprüft werden. Seit Mittwoch darf die BAMF-Außenstelle an der Weser keine Verfahren mehr entscheiden. Auch die Außenstellen Schweinfurt und Zirndorf in Bayern werden nun genau unter die Lupe genommen. Wie in acht anderen Standorten in Deutschland gibt es den Verdacht der Manipulation, weil die Zahl der positiven Asylbescheide deutlich vom Bundesdurchschnitt abweichen.

Wie alles begann: Unregelmäßigkeiten in der BAMF-Außenstelle Bremen

Die Mitarbeiter des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge in Bremen waren für das Asylverfahren zweier Jesiden aus dem Irak eigentlich gar nicht zuständig. Deren Anträge auf Asyl waren im Jahr 2013 von der Außenstelle Oldenburg abgelehnt worden. Nach einer Klage vor Gericht schaltete sich die Außenstelle Bremen ein. Die beiden Iraker wurden schließlich doch als Flüchtlinge anerkannt.

Nach Informationen des Nachrichtenmagazins "Spiegel" beschwerte sich der Leiter der Außenstelle Oldenburg darüber bei der BAMF-Zentrale in Nürnberg. Nachdem es keine Reaktion gab, schickte er weitere zweifelhafte Fälle mit Aktenzeichen nach Nürnberg. Konsequenzen blieben vorerst aus.

Leiterin des BAMF in Bremen wird erst Jahre später suspendiert

Zwischen den ersten Vorwürfen gegen die Leiterin des BAMF in Bremen und deren Suspendierung vergingen fast vier Jahre. Immer wieder hat es laut "Spiegel" Krisengespräche mit ihr gegeben, wieso es in ihrer Behörde überdurchschnittlich viele positive Asylbescheide gibt. Nach der Darstellung des damaligen Leiter des Bundesamtes, Frank-Jürgen Weise, wurde bereits im August 2016 ein Disziplinarverfahren gegen die Frau eingeleitet. Warum sie zunächst weiterhin Zugriff auf Asylverfahren hatte, kann Weise sich nicht erklären. Die Staatsanwaltschaft Bremen ermittelt nun gegen die ehemalige Leiterin und fünf weitere Personen, unter anderem auch Rechtsanwälte. Sie sollen gemeinsam systematisch überwiegend Jesiden zu einem positiven Asylbescheid verholfen haben. Seit Mittwoch darf das BAMF in Bremen keine Asylentscheidungen mehr treffen.

Wurde Josefa Schmid der Politik zu lästig?

Die Bayerin Josefa Schmid gilt als ausgewiesene Asylrechtskennerin. Die Juristin bekam von allen Behörden, in denen sie gearbeitet hatte, Bestnoten. Anfang des Jahres schickte das BAMF Schmid nach Bremen, sie sollte dort für Ordnung sorgen. Schmid aber war offenbar zu fleißig: Ende März sandte sie einen fast hundertseitigen Bericht über die Unregelmäßigkeiten der Bremer Asylverfahren an das Bundesinnenministerium, ausdrücklich bat sie dabei um Weiterleitung an Horst Seehofer persönlich.

Tagelang geschah nichts. Wie Josefa Schmid der "Zeit" schildert, schrieb sie auch an Seehofer eine SMS, die nicht beantwortet wurde. Anfang Mai wurde Schmid schließlich gegen ihren Willen nach Deggendorf versetzt. Ein hoher BAMF-Beamter habe ihr das per Telefon bereits drei Wochen vorher angedroht. Ihre Versetzung geschah möglicherweise auf Weisung von ganz oben. Ein Referatsleiter des BAMF hat nach Berichten der "Zeit" eidesstattlich versichert, BAMF-Präsidentin Jutta Cordt habe gesagt, sie lasse sich von Frau Schmid „nicht weiter auf der Nase herumtanzen“.

Schützt Staatssekretär Mayer Innenminister Seehofer?

Der Staatssekretär im Bundesinnenministerium, Stephan Mayer, habe Josefa Schmid am 4. April versprochen, ihren ausführlichen Bericht binnen 48 Stunden mit dem Minister zu besprechen, so Schmid in der "Zeit". Mayer bestreitet dieses Versprechen. Horst Seehofer erklärte in dieser Woche, Mayer habe ihm gesagt, Schmids Bericht erst zwei Wochen später gelesen zu haben.

Im Unklaren bleibt, wann nun genau Mayer Seehofer den Bericht von Josefa Schmid vorgelegt hat. Der erfahrene Innenpolitiker Mayer muss sich nun einige Frage gefallen lassen: Warum ließ er so viel Zeit verstreichen? Hat er die Brisanz der Vorgänge in Bremen unterschätzt? Hätte er den Minister nicht früher informieren müssen? Der Skandal an sich fällt streng genommen gar nicht in Seehofers Amtszeit, die Aufarbeitung dagegen sehr wohl.

Seehofer verspricht Aufklärung, notfalls auch im Untersuchungsausschuss

Von den Vorgängen in Bremen erfuhr Innenminister Horst Seehofer nach eigener Darstellung am 19. April. Einen Tag zuvor hatte die Staatsanwaltschaft in Bremen begonnen, die Büros der BAMF-Außenstelle zu durchsuchen. Seehofer wehrt sich nicht gegen einen von FDP und AfD angedrohten Untersuchungsausschuss. SPD und Union zögern noch, ob ein Untersuchungsausschuss das richtige Mittel ist. Erst einmal sollen Seehofer und BAMF-Präsidentin Jutta Cordt am kommenden Dienstag im Innenausschuss des Bundestags Rede und Antwort stehen.