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Barrierefreiheit

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Wie weit ist Bayern auf dem Weg zur Barrierefreiheit?

Vor fünf Jahren hat Ex-Ministerpräsident Horst Seehofer das große Ziel ausgegeben, dass Bayern bis 2023 komplett barrierefrei sein soll. Jetzt zur Halbzeit fordern Behindertenvertreter weiterhin Investitionen. Von Margit Ringer

Alexander Grundler ist der Behindertenbeauftragte der Stadt Weiden und sitzt im Rollstuhl. Wenn er einkaufen oder in der Innenstadt bummeln will, muss er über sehr viel Kopfsteinpflaster holpern. Hat er einen Termin in einer anderen Stadt oder will er mit seiner Familie in den Zoo, gibt es große Probleme am Bahnhof. Denn Weiden ist einer von 600 Bahnhöfen in Bayern, die nicht barrierefrei sind. Nur 400 sind entsprechend aus- oder umgebaut, also nicht mal die Hälfte der bayerischen Bahnhöfe.

Kein Aufzug, kein vollständiges Blindenleitsystem

In Weiden ist für Alexander Grundler am Bahnsteig 1 bereits Schluss, es gibt keinen Aufzug. Unterstützung vom so genannten Mobilitätsservice muss er mindestens zwei Tage vorher anfordern. Ein Blindenleitsystem gibt es nur auf den Gleisen 4 und 5 – aber wie sollen die Blinden dorthin überhaupt kommen, wenn sie nicht über Treppen und Gleise finden?

"Man fühlt, dass das Menschenrecht der Barrierefreiheit mit Füßen getreten wird. Das empfindet man. Und dass man ein Mensch zweiter Klasse ist." Alexander Grundler, Behindertenbeauftragter der Stadt Weiden

Barrierefreiheit eine Frage der Prioritäten von Ministerpräsident Söder

Er fordert zudem barrierefreie Formulare und Bescheide, oder auch Gebärdensprache in Behörden – da holpere es noch sehr in Bayern, sagt Grundler. Die Opposition im Landtag befürchtet, dass Ministerpräsident Markus Söder die Barrierefreiheit nicht so wichtig sei.

"In Bayern ist genügend Geld da, aber es ist immer eine Frage der Prioritäten. Und wenn ich als Ministerpräsident von einem Hyperloop schwandroniere und von Reiterstaffeln träume, aber die Bedürfnisse der Menschen mit Mobilitätseinschränkungen aus den Auge verliere, dann ist das die falsche Politik." SPD-Landtagsabgeordnete Annette Karl

Das Sozialministerium betont, die Barrierefreiheit habe weiter hohe Priorität in Bayern. Und verweist auf die bisherigen Erfolge. Demnach seien 90 Prozent der Linienbusse im ÖPNV in Bayern inzwischen barrierefrei. Auch in anderen Bereichen gebe es bereits "beachtliche Erfolge". Und die Behindertenbeauftragte der Staatsregierung, Irmgard Badura, fügt hinzu:

"Wir sind wirklich mittendrin in den Prozessen und sowohl von bayerischer Seite, als auch von den Bezirken her wird in diesem Jahr einfach wahnsinnig viel gearbeitet und gedacht und man kann noch gar nicht sagen, wo es hinaus gehen wird." Irmgard Badura, Behindertenbeauftragte der Staatsregierung

Sozialministerium will sich nicht festlegen

Barrierefreiheit sei eine Daueraufgabe, heißt es aus dem Sozialministerium, wo man sich nicht festlegen will, ob das Ziel "Bayern barrierefrei 2023" einzuhalten sei. Sozialministerin Kerstin Schreyer betont auch deutlich, dass dazu auch das Abbauen der Barrieren im Kopf gehöre. 

"Menschen sind in erster Linie Menschen, ob mit oder ohne Behinderung. Wenn wir das alle verinnerlichen, sind wir ein großes Stück weiter auf dem Weg in eine inklusive Gesellschaft." Kerstin Schreyer, Sozialministerin

Zahlungen an die Kommunen gefordert

Der Behindertenbeauftragte der Stadt Weiden schlägt jährliche Zahlungen des Freistaates an die Kommunen vor, die nur für Barrierefreiheit verwendet werden sollen. Nur so könne das Menschenrecht der Barrierefreiheit und der Teilhabe für alle Wirklichkeit werden. Zum Weidener Bahnhof gibt es derzeit einen Runden Tisch aus Stadt, Deutscher Bahn und Kommunalpolitikern. Er soll klären, wann der barrierefreie Ausbau beginnen kann und wer ihn finanziert.