Beim Projekt "Wohnen für Hilfe" helfen Mitbewohner Senioren im Alltag und wohnen dafür günstig - wie hier Katharina Myronets (li.), die bei Eva Schönauer lebt.
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Beim Projekt "Wohnen für Hilfe" helfen Mitbewohner Senioren im Alltag und wohnen dafür günstig.

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Wie das Projekt "Wohnen für Hilfe" funktioniert

Eigentlich ist "Wohnen für Hilfe" eine Win-Win-Situation. Das Projekt verbindet günstiges Wohnen für Auszubildende und Studierende mit der Alltagshilfe für Seniorinnen und Senioren. Dennoch wurde das Projekt in einigen Städten wieder eingestellt.

Über dieses Thema berichtet: radioWelt am .

Besuch in Kirchheim bei München. Seit 50 Jahren wohnt Eva Schönauer hier in ihrem Reihenhaus. Als die beiden Söhne ausgezogen waren, ihre Mutter starb und später auch ihr Ehemann, da fühlte sich die heute 85-Jährige in ihrem Haus allein und immer häufiger auch hilflos.

Ein Auszug wäre aber für sie nicht in Frage gekommen. Und so meldete sie sich vor sieben Jahren beim Projekt "Wohnen für Hilfe" beim Verein "Seniorentreff Neuhausen" in München an.

Seniorinnen und Senioren können im eigenen Zuhause bleiben

Und heute? Die 85-jährige Eva Schönauer lebt mit der 32-jährigen Katharina Myronets zusammen. Und das immer noch in ihrem geliebten Reihenhaus. Die Seniorin ist sogenannte Wohnraumgeberin in der Initiative "Wohnen für Hilfe". Katharina Myronets ist mittlerweile ihre dritte Wohnpartnerin.

Zusammen sitzen sie an diesem Samstagvormittag im Wohnzimmer und erzählen von ihrem ersten Treffen. Wie war damals ihr Gefühl? "Von Anfang an eigentlich sehr gut", sagt Eva Schönauer. Gleich am nächsten Morgen hat sie die junge Frau angerufen und ihr mitgeteilt, dass sie sich für sie als Mitbewohnerin entschieden hat. "Das war nett", erinnert sich Katharina Myronets. "Und auch ein bisschen unerwartet schnell", fügt sie mit einem Schmunzeln hinzu.

Katharina Myronets wagt das Neue und zieht ins Zimmer unters Dach - in das alte Kinderzimmer von Eva Schönauers Söhnen. Wenn sie jetzt in ihrem gut 20 Quadratmeter großen Zimmer steht, erzählt sie mit einem Strahlen von ihrem Einzug. An ihrem ersten Tag stand auf dem Tisch einen Teller mit Obst. Das Bett war gerichtet. "Dieser Empfang von Frau Schönauer, der hat mich auch sehr beeindruckt, und da habe ich auch verstanden, dass es wahrscheinlich klappen wird", erinnert sich Katharina Myronets.

"Wohnen für Hilfe": Solidarisches Miteinander der Generationen

Seit drei Jahren klappt es zwischen den beiden. Katharina Myronets stammt aus der Ukraine. Bei ihrem Einzug war sie Studentin im Fach "Deutsch als Fremdsprache". Sie suchte kostengünstigen Wohnraum. Eva Schönauer wollte in ihrem Haus wohnen bleiben, brauchte aber Unterstützung beim Putzen und im Garten. So fanden sie zusammen. Und obwohl Katharina Myronets mittlerweile als Lehrerin an einer Sprachschule arbeitet, führen die beiden ihre Wohn-Partnerschaft fort.

Bei "Wohnen für Hilfe" geht es genau um dieses solidarische Miteinander. Und das nach einer einfachen Rechnung: Pro Quadratmeter Wohnfläche ihres Zimmers hilft Katharina eine Stunde pro Monat im Haushalt mit. Dafür zahlt sie ihre Nebenkosten, aber keine weitere Miete.

In München startete das Projekt als eines der ersten in Bayern

Vermittelt werden die Wohnpartnerschaften vom Verein "Seniorentreff Neuhausen" in München. Seit 26 Jahren. Geschäftsführerin Marion Schwarz und ihre Kollegin betreuen derzeit 80 Wohn-Paare. "Die kürzeste Wohnpartnerschaft hat zwei Tage gedauert. Die Längste dafür 14 Jahre", sagt Schwarz. Der Seniorentreff empfiehlt ein Probe-Wochenende vor dem Einzug. "Das kann auch hilfreich sein, um schon mal zu sehen: Stimmt denn die Chemie?", sagt die Geschäftsführerin des "Seniorentreff Neuhausen".

"Wohnen für Hilfe" ist kein Selbstläufer

Das Projekt "Wohnen für Hilfe" gibt es bayernweit. Es verbindet günstiges Wohnen für Auszubildende und Studierende mit der Alltagshilfe für Seniorinnen und Senioren. Träger sind Vereine, Landratsämter oder Wohlfahrtsverbände. Kooperationspartner sind häufig Studentenwerke. In der Bundesarbeitsgemeinschaft sind insgesamt acht bayerische Städte aufgeführt. Von Bamberg über Deggendorf bis Landsberg am Lech. Doch nur in München läuft das Projekt derzeit aktiv – sprich: Es werden weiterhin neue Wohnpartnerschaften vermittelt.

Steuerfragen führten in Landsberg am Lech zum Aus

In Bamberg wurde das Projekt eingestellt, da sich nicht genügend Seniorinnen und Senioren meldeten, die Wohnraum geben wollten. In Landsberg am Lech führten Steuerfragen zum Aus. Denn: Wohnraumgebende müssen ihre Einnahmen durch "Wohnen für Hilfe" versteuern. Doch die Seniorinnen und Senioren erzielen ja gar keine Miet-Einnahmen. Das führt zu Irritationen und so rudern manche Initiatoren zurück. Das Landratsamt Landsberg am Lech schreibt auf BR-Anfrage: "Bei uns ruht das Projekt leider seit einiger Zeit, da das Interesse im Zusammenhang mit der steuerrechtlichen Neubewertung (Versteuerung eines geldwerten Vorteils) stark rückläufig war."

Dabei lag 2019 bereits ein bundesweiter Gesetzentwurf vor, der "Wohnen für Hilfe" steuerfrei gestellt hätte. Auf ihn hatte auch Marion Schwarz vom Seniorentreff Neuhausen gehofft: "Wohnen für Hilfe hat ja nicht die Gewinnerzielungsabsicht. Bei Wohnen für Hilfe geht es tatsächlich um ein solidarisches Miteinander der Generationen."

Seit Beginn 846 Wohnpartnerschaften in München

In München sprechen die wohnraumgebenden Seniorinnen und Senioren die Steuer-Frage mit ihren Steuerberaterinnen und Steuerberatern an. Und bislang gab es hier keine Probleme. So konnten in 26 Jahren 846 Wohnpartnerschaften zusammen finden.

Auch für die 85-jährige Eva Schönauer ist "Wohnen für Hilfe" ein Gewinn. Obwohl auch sie schon mal eine Wohnpartnerin hatte, mit der sie sich nicht gut verstand und die nach einem halben Jahr wieder auszog. Eva Schönauer rät trotzdem, es einfach auszuprobieren: "Viele in meinem Alter, die ich angesprochen habe, ob sie nicht auch jemanden nehmen wollen, haben Angst. Sie sagen, dann bin ich nicht mehr Herr in meinem Haus." Aber das sei nicht so. Man müsse nur ein bisschen offen sein, meint die Münchnerin.

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