Eine Fotomontage zeigt oben das Krankenhaus in Schongau und unten das Klinikum in Kaufbeuren
Bildrechte: BR/Rupert Waldmüller; Krankenhaus GmbH Weilheim-Schongau / Montage: Jennifer Kujawa

Das Krankenhaus in Schongau (oben) und das Klinikum in Kaufbeuren (unten)

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Klinik-Umbau Schongau: Ärger um "Abwerbung" aus dem Ostallgäu

Die Krankenhäuser im Landkreis Weilheim-Schongau werden umstrukturiert. Rund 200 Menschen werden entlassen. Mehrere Kliniken werben um das Personal. Der Klinikverbund im Ostallgäu würde ganze Teams übernehmen – doch das geht manchen zu weit.

Über dieses Thema berichtet: Mittags in Schwaben am .

Sie leiden an Personalmangel und hohen Defiziten, zwischenzeitlich drohte auch die Insolvenz: Die Kliniken im Landkreis Weilheim-Schongau müssen sich neu aufstellen. Die Klinik in Weilheim wird zum Schwerpunktversorger ausgebaut. Aus dem Krankenhaus in Schongau soll zum 1. März ein Ambulanzzentrum werden. Ganze Stationen und Abteilungen werden dort geschlossen. Rund 200 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vor allem der Schongauer Klinik haben ihre Kündigung erhalten.

In Zeiten von Pflegenotstand und Personalmangel ruft das die Kliniken und Pflegeeinrichtungen aus der Umgebung auf den Plan. "Die werben alle bei uns am Bunten Brett: Kliniken aus Murnau, Starnberg, Landsberg und Garmisch, private Pflegedienste und Altenheime", sagt der Betriebsratsvorsitzende im Schongauer Krankenhaus, Roberto Hänsel.

Ostallgäuer Klinikverbund wirbt um Mitarbeiter und Teams

Auch die Kliniken aus dem westlichen Nachbarlandkreis, zusammengeschlossen im Klinikverbund Ostallgäu-Kaufbeuren, werben um die gekündigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Schongau. Denn die Personalnot ist auch bei den Kliniken im Ostallgäu groß: "Im Klinikum Kaufbeuren kann derzeit eine komplette Station mit rund 30 Betten nicht betrieben werden, weil das Personal nicht da ist", sagt Pflegedirektor Axel Wagner. Allein im Kaufbeurer Krankenhaus fehlten derzeit 20 Pflegekräfte, im ganzen Klinikverbund mit seinen 1.000 Mitarbeitenden in der Pflege seien insgesamt 50 Stellen frei.

Ende Dezember habe man schon mehrere Gespräche mit Mitarbeiterinnen aus Schongau geführt, sagt Pflegedirektor Wagner. "Das größte Thema war für die Bewerberinnen, dass sie nicht mehr als Team zusammenarbeiten können." Deshalb sei die Idee aufgekommen, auch ganze Teams oder zumindest Teile davon in Kaufbeuren, Füssen oder Buchloe einzustellen. "Ich habe ihnen gesagt: Wenn ihr weiter zusammenarbeiten wollt, dann schauen wir, ob das geht, und finden Lösungen", erzählt der Pflegedirektor.

Stationsteams komplett übernehmen - keine einfache Aufgabe

Zwei Dreier-Teams aus Schongau würden zum 1. März bereits in Kaufbeuren anfangen. Der Ostallgäuer Pflegedirektor kann sich aber auch vorstellen, größere Einheiten zu übernehmen: "Wenn jetzt eine ganze Station aus Schongau nach Kaufbeuren käme, könnten wir auch eine Lösung finden", glaubt Wagner. Allerdings sei es nicht leicht, komplette Stationsteams einfach so zu übernehmen. Das habe die Erfahrung gezeigt, als der Klinikverbund vor einem Jahr die Neurologie der Bezirkskliniken übernommen hat. "Das ist suboptimal gelaufen", sagt Wagner. "Da muss man schon schauen, dass jemand mit im Team ist, der die Abläufe im Klinikum kennt."

Schongauer Geschäftsführer ist sauer: "Sie gießen Öl ins Feuer"

In der Chefetage der Kliniken im Landkreis Weilheim-Schongau kommt die Ankündigung aus dem Ostallgäu gar nicht gut an. "Ich bin sauer auf die Massivität, die der Klinikträger beim Abwerben an den Tag legt", sagt der Geschäftsführer der Krankenhaus GmbH im Landkreis Weilheim-Schongau, Thomas Lippmann. Er wirft den Kliniken Ostallgäu-Kaufbeuren vor, die schwierige Situation seiner Krankenhäuser auszunutzen. Lippmann fürchtet, dass dadurch auch die noch verbleibenden und dringend gebrauchten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in seinem Unternehmen weiter verunsichert würden und abwandern könnten. "Wenn die da so draufspringen, gießen sie Öl ins Feuer", sagt Lippmann und spricht von einem schlechten Stil.

Mit Postkarten in Briefkästen und einem großflächigen Plakat vor dem Krankenhaus hätten die Kliniken Ostallgäu-Kaufbeuren versucht, gezielt Mitarbeiter abzuwerben. "Wenn wir so miteinander umgehen, wird es schwierig. Denn alle Kliniken werden in nächster Zeit vor solchen Umstrukturierungen stehen", sagt Geschäftsführer Lippmann. Er verweist auf andere Klinikunternehmen, die in Absprache mit der Geschäftsführung und dem Betriebsrat mit Aushängen im Schongauer Krankenhaus werben würden - aber eben nicht mit solcher Massivität wie die Ostallgäuer Kliniken. Die Ankündigung, möglicherweise ganze Teams zu übernehmen, bezeichnet Lippmann als absoluten Affront. "Das ist stillos und nicht angebracht", kritisiert der Geschäftsführer.

Betriebsrat und Landrätin sehen Angebot weniger kritisch

Der Betriebsratsvorsitzende im Schongauer Krankenhaus, Roberto Hänsel, sieht das Angebot aus dem Ostallgäu weniger kritisch. "Ich glaube nicht, dass da jetzt 50 Mann auf einmal nach Kaufbeuren gehen", sagte er im Gespräch mit BR24. Von den verbleibenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in Schongau würden viele erst mal abwarten, wie sich die Situation dort entwickle. Und beim gekündigten Personal rechnet er auch nicht mit einer großen Abwanderungswelle Richtung Ostallgäu. "Es werden ein paar in Rente gehen, ein paar werden der Pflege den Rücken kehren und die anderen teilen sich auf die Krankenhäuser, Pflegedienste und Altenheime in der Nähe auf."

Die Weilheim-Schongauer Landrätin Andrea Jochner-Weiß ist von dem Ringen um die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Kliniken ihres Landkreises nicht begeistert: "Ich finde das in unserer Situation natürlich nicht schön, wenn ich von Nachbarkrankenhäusern höre, die ganze Teams von uns abwerben", sagte die Landrätin zu BR24. "Aber ich denke, dass unsere Teams, die jetzt noch im Krankenhaus verbleiben, so stabil sind und so gern bei uns sind, dass sie nicht komplett weggehen und wir unsere Teams halten können."

Ostallgäuer Pflegedirektor: Mitarbeitende in der Pflege halten

Bei den Kliniken Ostallgäu-Kaufbeuren kann man die Aufregung um das Angebot für die Mitarbeiter aus Schongau nicht verstehen. Dass andere Kliniken und Pflegeeinrichtungen um die Mitarbeiter aus Schongau werben, findet der Ostallgäuer Pflegedirektor Axel Wagner richtig. Schließlich bestehe die Gefahr, dass von den gekündigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern etliche den Pflegeberuf aufgeben könnten, sollten sie keine attraktiven Angebote bekommen. "Wenn wir die ziehen lassen, und die machen am Ende alle was anderes – dann machen wir unseren Job verkehrt!", sagt Wagner. Es gebe genug andere Angebote außerhalb der Gesundheitsversorgung.

Dass die Kliniken Ostallgäu-Kaufbeuren mit Postwurfsendungen und Plakaten auch im Raum Schongau um neue Beschäftigte geworben hätten, bestätigt der Klinikverbund. "Diese Maßnahmen richteten sich jedoch nicht nur an Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Krankenhaus GmbH Weilheim-Schongau, sondern zielten generell auf Interessierte ab, die im Pflegeberuf arbeiten möchten", teilen die Kliniken mit. Und weiter: "Wir nutzen die Situation in Schongau nicht aus, sondern versuchen im Gegenteil, die negativen Folgen für die Bevölkerung so gering wie möglich zu halten." Die Umstrukturierungen in Schongau führten schon jetzt dazu, dass die Kliniken im Ostallgäu mehr Patientinnen und Patienten aus dem westlichen Teil des Landkreises Weilheim-Schongau zu versorgen hätten. "Und dafür benötigen wir natürlich auch genügend Fachpersonal", heißt es aus dem Klinikverbund. Anfang Februar soll es deshalb auch zwei Bewerbertage für interessierte Fachkräfte in der Klinik in Füssen und dem Klinikum Kaufbeuren geben.

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