Schaumstoff bei Firma Nußbaumer in Reisbach

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Die Folgen der BASF-Produktionspanne: Erste Rückrufe

Fehlender Umsatz, mögliche Gesundheitsgefahren, Angst um den Ruf - die Produktionspanne bei BASF, durch die Matratzen, Polster und Autositze mit giftigem Schaum belastet sind, machen vielen Firmen zu schaffen - gerade auch in Bayern. Von Jana Roller

Über dieses Thema berichtet: BR24.

Verzweiflung und Existenzangst sind ihm ins Gesicht geschrieben: Gerhard Nußbaumer steht in seiner Produktionshalle im niederbayerischen Reisbach. Eigentlich laufen hier Maschinen, doch seit Montag steht alles still. Keine einzige Matratze verlässt den Betrieb. Normalerweise sind es 150 am Tag. Von den 40 Mitarbeitern arbeiten nur wenige, den Rest hat der Chef des Familienunternehmens nach Hause geschickt.

"Es ist momentan für mich eine sehr große Katastrophe: Es fehlt der Umsatz, es besteht möglicherweise Gesundheitsgefahr." Gerhard Nußbaumer

Wer bezahlt?

So wie ihm geht es auch vielen anderen Matratzen-, Polstermöbel- oder Autositz-Herstellern: Metzeler in Memmingen zum Beispiel, Mayser in Lindenberg, Webema in Kulmbach, Rummel in Neustadt an der Aisch. Andere wollen auf Nachfrage lieber nichts sagen, sie fürchten um ihren Ruf. Gerhard Nußbaumer auch - und er fragt sich, wie lange sein Betrieb einen Produktionsstopp verkraftet.

"Ich kann nicht sagen: Können wir das eine Woche, zwei Wochen, vier Wochen. Das ist natürlich sehr mit Kosten verbunden. Dann kommt es darauf an: Wer bezahlt uns das alles? Der Vorlieferant, BASF? Keine Ahnung. Wir müssen in Vorleistung gehen. Die Situation ist nicht einfach." Gerhard Nußbaumer

Krebserregend?

Alle Unternehmen hängen in der Luft, seit der Chemiekonzern BASF am vergangenen Freitag seine Kunden über eine Produktionspanne in seinem Stammwerk in Ludwigshafen informiert hat. Erst gestern gab es eine offizielle Pressemitteilung. Bei dem Kunststoffvorprodukt TDI, das für Schaumstoffe verwendet wird, sei eine deutlich erhöhte Konzentration von Dichlorbenzol festgestellt worden. Dichlorbenzol kann Haut, Atemwege und Augen reizen und steht im Verdacht, Krebs zu verursachen. Außerdem ist es umweltschädlich.

Kritik an Informationspolitik

7.500 Tonnen belastetes TDI seien an 50 Kunden europaweit ausgeliefert worden, heißt es heute von BASF. In wie vielen Matratzen oder Polstern es verarbeitet wurde oder wie viele schon beim Kunden zu Hause gelandet sind, ist noch unklar. Mit der Informationspolitik des Chemiekonzerns ist auch Ulrich Leifeld, Geschäftsführer des Fachverbands Matratzen-Industrie in Essen, nicht zufrieden.

"Der Vorfall ist Ende August passiert, wir haben heute Oktober. Ich finde, das dauert ein bisschen lange, bis wir Informationen konkreter Art über die Gefahrensituation haben. Das betrübt mich, weil ich gerne wissen möchte: Welche Gefahren gehen konkret von Schaumstoffen aus, die in Matratzen verarbeitet werden?" Ulrich Leifeld

Das wird momentan untersucht - etwa beim TÜV Rheinland in Nürnberg:

"In verschiedene Prüfkammern werden die zu testenden Produkte hineingelegt, dann mit einer definierten Luftwechselrate versehen. Wir gucken dann durch verschiedene Messungen: Was gast aus dem Produkt aus? Was würde ich einatmen, wenn ich zum Beispiel auf einer Matratze sitzen würde? Womit komme ich in Kontakt? Was kommt aus dem Stoff heraus? Wir gucken uns das über einen definierten Zeitverlauf an, weil sich manche Stoffe über einen bestimmten Zeitraum auch verflüchtigen, dann ist dieses Produkt ganz normal zu verwenden." Rainer Weiskirchen, Pressesprecher TÜV Rheinland

Verbrauchertipps vom TÜV

Erste Ergebnisse gibt es in ein paar Tagen, endgültige erst in einigen Wochen. Kunden, die erst kürzlich zum Beispiel eine Matratze gekauft haben, rät Rainer Weiskirchen:

"Wenn ich mir nicht sicher bin, stelle ich mein Produkt - die Matratze oder das Polster - auf den Balkon oder in den Garten und lasse das erst mal richtig auslüften. Das mache ich ein paar Tage, ein paar Wochen. Dann verflüchtigt sich ein sehr, sehr großer Teil. Dann sind wir in einem Bereich, der nicht mehr gesundheitsschädlich ist." Rainer Weiskirchen

Erste Rückrufaktion

Oder aber die Kunden fragen bei ihrem Verkäufer nach. Dunlopillo, Matratzen-Hersteller aus Frankfurt, hat als erster bereits gestern reagiert und freiwillig eine Rückrufaktion gestartet - ohne auf die endgültigen Prüfergebnisse zu warten.