Bayerischer Landtag

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Der Kampf um die dritte Strophe der Bayernhymne

Der Ausschuss für Verfassung, Recht und Parlamentsfragen befasst sich seit vergangener Woche mit einer Petition der ÖDP: Sie fordert die Wiedereinführung der dritten Strophe der Bayernhymne. Von David Friedman

Nach Ansicht der Initiatoren, dem ÖDP-Landesvorsitzenden Bernhard Suttner und zweier Parteifreunde, wäre die dritte Strophe "das Kontrastprogramm zum dumpfen Slogan ‚Bayern first‘: Denn sie öffne den Blick, auf das Recht aller Menschen“. Wer die dritte Strophe singe, müsse sofort die Verbindungen der Politik zu den Waffenexporteuren kappen und maximal restriktive Bedingungen für die Rüstungsindustrie einführen, so die Initiatoren.

Blick ins Paradies?

Die dritte Strophe der Bayernhymne stammt aus der Feder des Schriftstellers Joseph Maria Lutz (1893–1972). Vielen ist er bekannt als Bühnen-Autor des volkstümlichen Theaterstücks „Der Brandner Kasper schaut ins Paradies“. Er schrieb die dritte Strophe im Jahr 1948 auf –also kurz nach dem Ende des II. Weltkrieges.

Obwohl 1966 vom damaligen Ministerpräsidenten Alfons Goppel empfohlen, wurde sie nie übernommen. Vielleicht weil auch die Bayernpartei die Einführung unterstützt hat – eine damals ernst zu nehmende Rivalin der CSU unter Franz Josef Strauß. Letzterer war bekanntlich für eine Wiederaufrüstung und atomare Bewaffnung der jungen Bundesrepublik.

Und so lautet die dritte Strophe von Josef-Maria-Lutz:

"Gott mit uns und Gott mit allen,
die der Menschen heilig Recht
treu beschützen und bewahren
von Geschlechte zu Geschlecht.
Frohe Arbeit, frohes Feiern,
reiche Ernten jedem Gau!
Gott mit dir, du Land der Bayern
unterm Himmel, weiß und blau!"
Dritte Strophe der Bayernhymne

Die Mitglieder des Verfassungsausschusses haben die Wiedereinführung dieser dritten Strophe nicht abgelehnt, sondern die ÖDP-Petition an die Staatsregierung verwiesen. Sie sei einer "filigranen Prüfung würdig“.

Die Entstehung der Bayernhymne

Zur Entstehungsgeschichte des Bayernliedes könnte man frei nach dem Johannes-Evangelium so formulieren: Zuerst war das Wort. Und das Wort war bei Michael Öchsner, einem Münchner Pädagogen und Schriftsteller. Und Öchsner veröffentlichte das Wort in seiner Lehrerzeitung. Und siehe da, ein gewisser Musikdirektor namens Konrad Max Kunz aus Schwandorf in der Oberpfalz sah das Wort und beschloss es neu zu vertonen. Und so geschah es im Jahr des Herrn 1860.

Die Bayernhymne sollte die auseinanderstrebenden gesellschaftlichen Strömungen im damaligen Bayern zusammenbringen und miteinander versöhnen. Ihr früher Erfolg ist aber wohl weniger auf die Worte von Öchsner zurückzuführen, als auf die populäre Melodie von Konrad Max Kunz.

Die Bayernhymne – entstanden aus einem schlechten Gewissen?

Im Jahr 1859 hatten sich in München die Regimenter der Habsburger versammelt, um die Einheit Italiens zu verhindern. Die Münchner Bürger versorgten die österreichischen Soldaten, wollten aber nicht mit ihnen über die Alpen ziehen. Als die österreichischen Heere von den Franzosen und Italienern bei Solferino vernichtend geschlagen wurden, bekam das Münchner Bürgertum Gewissensbisse. Man fühlte sich mitverantwortlich für die schmähliche Niederlage der österreichischen Brüder.

Außerdem bedrohten die Franzosen die bayerische Pfalz am Rhein. Das Gefühl der Niedergeschlagenheit und Bedrohung wurde noch durch die Industrialisierung verstärkt und der Angst vor einem Aufstand des Proletariats. In dieser niedergedrückten Stimmung entstand die “Bayernhymne”.

Die dritte Strophe hatte es immer schon schwer

Die dritte Strophe war zunächst dem Wohlergehen des Königs gewidmet. Nach dem I. Weltkrieg wurde diese sogenannte "Königs-Strophe“ ersatzlos gestrichen. Die Weimarer Zeit besang lieber Demokraten. In der Zeit des Nationalsozialismus wurde die Bayernhymne bei offiziellen Anlässen überhaupt nicht gesungen.

Nach dem II. Weltkrieg dichtete Josef Maria Lutz seine dritte Strophe und "entrümpelte“ die beiden anderen. In der ersten Strophe ersetzte er die “Deutsche Erde” durch “Heimaterde” - und in der zweiten Strophe entfielen “Deutschlands Bruderstämme” zugunsten der geografischen Standortbestimmung “vom Alpenland zum Maine”. Beamte des Kultusministeriums verwandelten schließlich noch den “Gegner” aus Vers zwei in einen neutralen “ein jeder”. Während Franz Josef Strauß auf die Formulierung "Deutsche Erde“ und "Bruderstämme“ beharrte und die „Heimaterde“ wieder raus schmiss, mochte Ministerpräsident Alfons Goppel die Lutz’sche Neufassung und empfahl das Bayernlied für Staatsempfänge.

Bis heute aber werden offiziell nur die beiden ersten Strophen gesungen – denn die dritte Strophe ist ja nie per Gesetz festgelegt, sondern "nur“ empfohlen worden.

Übrigens:

Im Jahr 2012 haben eine Stiftung und die Staatsregierung einen Wettbewerb für eine dritte Strophe ausgelobt. Gewonnen hat die Version von Tatjana Sommerfeld, Muhammad Agca und Benedikt Kreisl von der beruflichen Oberschule Bad Tölz. Die SPD hat daraufhin einen Dringlichkeitsantrag im Landtag eingereicht, um die Bayernhymne mit dieser dritten Strophe zu ergänzen. Der Antrag wurde von der CSU-Mehrheit abgelehnt. Sie Strophe der damaligen Schüler lautet:

"Gott mit uns und allen Völkern,
ganz in Einheit tun wir kund:
In der Vielfalt liegt die Zukunft,
in Europas Staatenbund.
Freie Menschen, freies Leben,
gleiches Recht für Mann und Frau!
Goldne Sterne, blaue Fahne
und der Himmel, weiß und blau."
Wettbewerbssieger für eine dritte Strophe der Bayernhymne 2012