"Kein Täter kann sich sicher fühlen – Mord verjährt nicht!" So die Botschaft aus Aschaffenburg nach einem Treffen hochrangiger Vertreter der deutschen Polizei und Justiz. Dort geht es vor allem um die Zusammenarbeit bei Cold Cases, also ungeklärten Kriminalfällen. Die Aschaffenburger Kriminalpolizei zieht bisher eine positive Bilanz und spricht von einem erfolgreichen Netzwerken. Landeskriminalamt, Bundeskriminalamt, Oberstaatsanwalt, Bundeswehr, weißer Ring – die Liste der Teilnehmer am Altfall-Symposium in Aschaffenburg war lang.
Der Fall Hasenkopf: Ein brutales Verbrechen
270 Experten von Hamburg bis Passau waren angereist. "Ich merke, dass die Kolleginnen und Kollegen dürsten nach einem Netzwerk", bilanziert Markus Schlemmer, Leiter der Aschaffenburger Kriminalpolizei und Organisator der Veranstaltung.
In Aschaffenburg sitzt die in Bayern bisher einzige Cold Case-Einheit, die sich ausschließlich mit lange zurückliegenden Verbrechen beschäftigt. 2017 konnte sie ein besonders brutales Verbrechen aufklären, das 30 Jahre zurücklag.
Jörg Albert von der Aschaffenburger Kriminalpolizei läuft durch den Laubwald am sogenannten Hasenkopf, wie das Gebiet genannt wird. Heute steht hier das städtische Klinikum. Im Januar 1988 noch nicht. Hier erlebte eine junge Frau damals ein unbeschreibliches Martyrium. Jörg Albert schaut sich am Tatort von damals um: "Hier wurde sie über Stunden auf brutalste Art und Weise vergewaltigt und gedemütigt. Er hatte sie vorher in der Innenstadt überfallen und gezwungen, mit ihrem eigenen Auto hierher zu fahren." 17-mal sticht der Täter anschließend auf die 22-Jährige ein und verscharrt die Totgeglaubte im Wald. Doch sie überlebt wie durch ein Wunder.
DNA-Spur sorgt für späte Gerechtigkeit
Im Jahr 2015 holt Jörg Albert den Hasenkopf-Fall aus dem Archiv. Er schickt Spuren ein, die Kollegen 1988 gesichert hatten. Zwei Jahre lang dauert die Auswertung. 2017 kommt der Anruf des Bayerischen Landeskriminalamts: "Treffer – wir haben ihn!" Dem Mann wird 30 Jahre nach der Tat der Prozess gemacht. Er sitzt eine lebenslange Haftstrafe ab. "Ja, das war ein Klebestreifen, mit dem ein Kollege damals das Auto der Geschädigten abgeklebt hat. Und glücklicherweise wurden eben auch Spuren von Sperma von ihm gesichert. Das ist als Ermittler schon sehr außergewöhnlich, wenn so ein Anruf kommt", erinnert sich Jörg Albert. Es war die Geburtsstunde der Aschaffenburger Cold Case Einheit. Gemeinsam mit seinem Kollegen Maik Schloth kümmert sich Albert ausschließlich um lange zurückliegende Verbrechen.
Auch Stephanie Helfer vom LKA in München kann sich an den Erfolg im Fall Hasenkopf erinnern: "Das ist tatsächlich was Außergewöhnliches, doch tägliches Business geht vor. Daher dauert die Bearbeitung bei uns leider auch manchmal relativ lange. Gerade aktuell werden sehr viele Cold Cases wieder aufgerollt – wir haben genug zu tun!" Jörg Langner vom Bundeskriminalamt weist im Rahmen eines Vortrags auf die neue Rubrik "Cold Cases" auf der BKA-Webseite hin.
"Wir haben nur einen Schuss"
Eine Spezialisierung auf Cold Cases – von Seiten der Polizei aber auch der Justiz – würde Bambergs Generalstaatsanwalt Wolfgang Gründler durchaus begrüßen. Er betont gegenüber dem Bayerischen Rundfunk in Aschaffenburg aber auch die enge Personaldecke. Und Gründler mahnt: "Bei der Ermittlungsarbeit und der Frage, ob man Anklage erhebt, muss man beachten, dass wir nur eine Möglichkeit haben, einen Beschuldigten vor Gericht zu bringen. Wenn er freigesprochen wird, ist nach den Regeln, die das Bundesverfassungsgericht unlängst erneut wieder aufgestellt hat, eine weitere Anklage nur unter ganz engen Voraussetzungen möglich." Diesbezüglich hätte sich der Generalstaatsanwalt eine andere Entscheidung gewünscht.
Forensik, Archäologie, DNA-Analyse, Psychologie und Medienarbeit – der Bogen, der beim Altfall-Symposium in Aschaffenburg gespannt wurde, ist weit. Das Signal: Kein Täter kann sich sicher fühlen, Mord verjährt nicht!
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