Schloss Neuschwanstein
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Bürgerentscheid: Soll Neuschwanstein zum Weltkulturerbe werden?

Bei einem Bürgerentscheid stimmen die Schwangauer am Sonntag ab, ob sie den Welterbe-Antrag für die Schlösser König Ludwigs II. unterstützen oder nicht. Der Freistaat strebt den Titel an. In der Gemeinde unterhalb von Neuschwanstein gibt es Bedenken.

Über dieses Thema berichtet: Mittags in Schwaben am .

Das Schloss Neuschwanstein – es könnte bald in der gleichen Liga spielen wie das Taj Mahal, Machu Picchu, die Akropolis in Athen oder die Lagune von Venedig. Eine große Chance sehen die Befürworter in einem Welterbetitel für die Königsschlösser Neuschwanstein, Herrenchiemsee, Linderhof und das Königshaus am Schachen – gerade für Schwangau: Sie erhoffen sich einen langfristigen Schutz für das Schloss Neuschwanstein und sehen die Möglichkeit, endlich ein nachhaltiges Besuchermanagement rund um die weltbekannte Sehenswürdigkeit zu entwickeln.

Mehr Touristen und Auflagen durch Welterbe-Status?

Aber in der Gemeinde gibt es auch Bedenken: Etliche Einheimische glauben, dass ein Welterbetitel noch mehr Touristen in den 3.300-Einwohner-Ort locken könnte. Und sie fürchten zusätzliche Auflagen durch den Welterbe-Status für den Ort und seine Bürger. Vor Corona besuchten knapp 1,5 Millionen Menschen pro Jahr das Schloss. Zur Hauptsaison leiden gerade die Anwohner im Ortsteil Hohenschwangau unter den Touristenmassen.

Gemeinderat lässt Bürger entscheiden

Auch innerhalb des Gemeinderats in Schwangau ist der Welterbe-Antrag umstritten. Deshalb hat das Gremium beschlossen, die Schwangauer bei dem Bürgerentscheid selbst über Zustimmung zur Bewerbung abstimmen zu lassen. "Demokratischer geht's nicht", sagt Bürgermeister Stefan Rinke. Schließlich handele es sich um eine Entscheidung mit großer Tragweite.

Schwangauer könnten den Welterbe-Antrag stoppen

Der Ausgang des Bürgerentscheids wird nicht nur in Schwangau mit Spannung verfolgt: Sollten die Schwangauer gegen den Welterbeantrag stimmen, wäre die gesamte Bewerbung des Freistaats um einen Welterbe-Titel für die Schlösser Neuschwanstein, Herrenchiemsee, Linderhof und das Königshaus am Schachen in seiner jetzigen Form hinfällig. Voraussetzung für die Einreichung des Antrags sei die Zustimmung aller betroffenen Gemeinden, heißt es aus dem zuständigen Finanz- und Heimatministerium. Und eine Sprecherin des Kunst- und Wissenschaftsministeriums teilt mit: "Der Antrag umfasst alle Königsschlösser als Gesamtkunstwerk, eine fachliche Aufteilung ist nicht möglich. Wenn die Gemeinde Schwangau gegen den Antrag stimmt, kann der Freistaat den Antrag nicht einreichen."

Welterbe-Antrag mit langer Geschichte

Bestrebungen, Neuschwanstein in die Unesco-Welterbe-Liste aufnehmen zu lassen, gibt es schon seit 22 Jahren. 2007 hat der Landtag dann beschlossen, sich auch mit den anderen Königsschlössern Linderhof, Schachen und Herrenchiemsee zu bewerben. Seit 2015 stehen die vier Schlösser offiziell auf der deutschen Vorschlagsliste. Die Bayerische Schlösserverwaltung arbeitet derzeit die Bewerbung aus. Am 1. Februar 2024 soll sie der UNESCO-Kommission vorgelegt werden. Eine Entscheidung, ob die Königsschlösser in die UNESCO-Welterbeliste aufgenommen werden, könnte voraussichtlich im Sommer 2025 fallen - wenn die Schwangauer die Bewerbung nicht noch kurz vor dem Ziel stoppen.

Experten werben für den Welterbe-Titel

Im Vorfeld des Bürgerentscheids fanden in Schwangau zwei große Info-Veranstaltungen statt. Vertreter der zuständigen Ministerien, der Bayerischen Schlösserverwaltung und der Wissenschaft warben dort noch einmal eindringlich für die Bewerbung um den Welterbetitel. "Die Schlösser sind es wert", sagte Alexander Wisneth, der bei der Bayerischen Schlösser- und Seenverwaltung für die Bewerbung zuständig ist. Bei der Behörde rechnet man nicht mit einem größeren Ansturm durch einen Welterbetitel auf das Schloss im Ostallgäu. "Schloss Neuschwanstein ist bereits weltbekannt, eine Steigerung der Besucher ist nicht zu erwarten", heißt es von der Schlösserverwaltung. Ein zentrales Bestreben aller am Welterbe-Antrag Beteiligten sei es vielmehr, den Massentourismus einzugrenzen.

In Schwangau läuft heute ein Bürgerentscheid um Neuschwanstein und die Frage, ob es auf die Liste des Weltkulturerbes kommen soll.
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In Schwangau läuft heute ein Bürgerentscheid um Neuschwanstein und die Frage, ob es auf die Liste des Weltkulturerbes kommen soll.

Kein verschärftes Denkmalrecht durch Welterbe

Zu den befürchteten Auflagen – gerade das Denkmalrecht betreffend – schreibt die Schlösserverwaltung: "Im Umfeld des künftigen Welterbes Neuschwanstein gibt es keine Verschärfung des geltenden Denkmalrechts." Lediglich bei großen Wiederherstellungs- oder Neubaumaßnahmen in der Kern- oder Pufferzone, die möglicherweise den von der UNESCO anerkannten universellen Wert der Welterbestätte gefährden könnten, müsse die UNESCO vorab eingeschaltet werden. "Dabei handelt es sich erfahrungsgemäß aber um äußerst seltene Einzelfälle", so die Schlösserverwaltung.

"Chance, die wir ergreifen müssen“

Alfred Bauer, Dekan der Fakultät Tourismusmanagement an der Hochschule Kempten und Vorsitzender des Bayerischen Zentrums für Tourismus, spricht sich ebenfalls für den Welterbe-Antrag aus. "Das ist eine Chance, die wir ergreifen müssen", sagte Bauer bei einer Podiumsdiskussion in Schwangau Ende Mai. Ein Welterbetitel könne der Startschuss sein, um Verbesserungen für einen Qualitäts- statt Massentourismus voranzubringen. "Nehmt das Label mit und macht was Tolles draus!", rief Bauer den Schwangauern zu.

Alle Skeptiker konnte er damit aber sicher nicht überzeugen. Auch kurz vor dem Bürgerentscheid waren im Ort immer noch etliche kritische Stimmen zu hören. Es bleibt also spannend, wie sich die Schwangauer entscheiden: Welterbe Neuschwanstein – "Ja, bitte!" oder "Nein, danke!".

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