Blick durchs Schaufenster der "Buchhandlung Lesezeichen" in Kempten
Bildrechte: BR / Carina Müller

Als Genossenschaft wird die "Buchhandlung Lesezeichen" in Kempten seit fünf Monaten weitergeführt.

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Buchhandlung drohte das Aus – dann übernahmen die Kunden

Kurz vor der Schließung stand der kleine Buchladen "Lesezeichen" in Kempten, doch Personal und Kunden wollten nicht auf ihre liebgewonnene Buchhandlung verzichten. Sie fanden eine Lösung und mischen jetzt selber mit.

Über dieses Thema berichtet: Mittags in Schwaben am .

Seit fünf Monaten hat die Buchhandlung "Lesezeichen" am Rathausplatz in Kempten neue Besitzer. Der eine Nachfolger oder die eine Nachfolgerin ließ sich nicht finden – deshalb sind es jetzt 34.

Die ehemalige Chefin des Buchladens, Daniela Haberkorn, gründete zusammen mit Stammkunden und Verkäuferin Andrea Straub eine Genossenschaft: "Der Zweck war nicht, mordsmäßig Gewinn zu erwirtschaften, sondern diesen Laden zu erhalten. Das können wir jetzt, nach fünf Monaten schon sagen: Diesen Zweck hat es erfüllt", sagt Straub, die auch erste Vorsitzende des Genossenschaftsvorstands ist.

Bücher verkaufen, Schaufenster gestalten, Müll entsorgen – viele helfen mit

Zwei Tage die Woche arbeitet Straub im Laden. Der Verkauf im Geschäft ist aber nur eine von vielen Aufgaben, die rund um die "Buchhandlung Lesezeichen" anfallen: Das Schaufenster wird einmal im Monat neu gestaltet, das kleine Beet vor dem Laden muss gepflegt werden, der Newsletter muss geschrieben und die Kartons müssen zum Wertstoffhof gefahren werden.

Alles Aufgaben, bei denen sich die Genossinnen und Genossen einbringen können, so wie die langjährige Kundin Susi: Sie fährt zwei Mal im Monat zum Wertstoffhof. "Das ist eine Arbeit, die sich gut machen lässt", sagt sie. Zum Wertstoffhof müsse sie ja ohnehin und dann packe sie einfach den Kofferraum ihres Kombis voll. 1992 ist sie ins Allgäu gezogen und dann schnell in die Frauenszene geraten, erzählt Susi weiter. Der Laden war damals ein Frauenbuchladen und hieß noch gar nicht "Lesezeichen". Damals habe sie ihn lieben gelernt. "Als es so aussah, als würde der zumachen, war das die einzige Reaktion Genossin zu werden", sagt sie.

Rentnerin startet mit der Genossenschaft ins zweite Berufsleben

Lisa Birke ist die zweite Vorsitzende der Genossenschaft. Für sie ist der Buchladen nicht nur ein Herzensprojekt, sondern auch eine neue Herausforderung. Birke arbeitete jahrzehntelang als Sozialpädagogin in einer psychiatrischen Klinik und ist jetzt in Rente. Aktuell lernt sie noch viel von ihrer Kollegin Andrea Straub und sagt: "Also für mich als Neue ist es sozusagen mein zweites Berufsleben. Ich hab gedacht, so ein Minijob wäre noch ganz schön und ich finde es auch schön, hier zu arbeiten." Bereiche wie die Warenwirtschaft hätten ja in ihrem früheren Berufsleben gar keine Rolle gespielt, betont Birke. Sie will jetzt erst einmal einen ganzen Jahreszyklus im "Lesezeichen" miterleben, Erfahrungen sammeln und sehen, was sich über die Monate verändert.

Eine Buchhandlung von Frauen für Frauen

Die Mitglieder der Genossenschaft sind größtenteils Frauen, und dass das "Lesezeichen" früher ein Frauenbuchladen war, ist auch heute noch an vielen Stellen zu erkennen. Zwar kann hier fast alles gefunden und alles bestellt werden, aber in den Regalen fällt auf: Es sind viele Bücher von Frauen und über Frauen. Gerade in der Gesundheitsecke geht es vor allem um frauenspezifische Themen – wie zum Beispiel die Gebärmutterkrankheit Endometriose.

Kommunikation in der Genossenschaft verbessern

Die Auswahl der Bücher trifft das Ladenteam – also die fünf Frauen, die auf Mini-Job-Basis im "Lesezeichen" arbeiten. Aber auch die Genossinnen und Genossen schreiben mal Rezensionen und bringen ihre Bücherempfehlungen in den Laden rein.

Es sind die vielen kleinen Aufgaben, die hier gemeinsam gestemmt werden. Jeder und Jede, wie er oder sie mag. Pflicht war die Geldeinlage für einen Genossenschaftsanteil, und einige Mitglieder engagieren sich weit übers Finanzielle hinaus.

Ein Arbeitsfeld für die nähere Zukunft sieht Andrea Straub in der Kommunikation untereinander. Das Zusammenspiel der Genossinnen und Genossen soll damit noch besser werden, als es bislang schon ist. 

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