Abendstimmung auf dem Andreasmarkt 2023
Bildrechte: Stadtmarketing Karlstadt / Carolin Janke

Der Christbaum in der Mitte täuscht: Der Andreasmarkt in Karlstadt am Main ist kein Advents- oder Weihnachtsmarkt.

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Beleidigungen und Fake News nach Imam-Ruf auf Andreasmarkt

Ein kurzes Video mit dem Ruf eines Imams beim Andreasmarkt in Karlstadt hat sich millionenfach auf rechtspopulistischen Internetseiten verbreitet. Stadt und Muslime wehren sich gegen Angriffe, die vor allem auf Fake-News basieren.

Über dieses Thema berichtet: Regionalnachrichten aus Mainfranken am .

Ein Sturm der Empörung ist über die Stadt Karlstadt im Landkreis Main-Spessart hereingebrochen. Hintergrund ist ein 30 Sekunden langes Handyvideo, das mittlerweile millionenfach geklickt wurde. Aufgenommen wurde das Video auf dem Karlstadter Andreasmarkt am 26. November. Es zeigt den Gebetsruf des Imams der örtlichen Sultan-Süleyman-Moschee, gefolgt von einem Schwenk auf den Weihnachtsbaum und dem ironischen Kommentar des Filmenden: "Sehr weihnachtlich!"

Falsche Behauptung: "Bratwürste und Glühwein sind verboten"

Das Video kursierte schnell auf rechtspopulistischen Internetseiten. In einem Facebook-Post wird davon gesprochen, dass "ein Imam (…) über 90 Minuten das Programm dominiert" habe. Andere Beiträge sprechen davon, dass auf dem "Weihnachtsmarkt" Bratwürste und Glühwein verboten wurden. Die Folge: Mitarbeitende der Stadt Karlstadt wurden mit Anfragen, aber auch mit Beleidigungen bombardiert.

Die Stadt Karlstadt und die Vertreter des Stadtmarketings wehren sich jetzt gegen die falschen Anschuldigungen und Kommentare. In einer Pressekonferenz am Dienstag sorgten Karlstadts Bürgermeister Michael Hombach (CSU) und Stadtmarketing-Chefin Carolin Müller für eine Klarstellung.

Rezitieren von Koranstellen "mit Stadt abgesprochen"

Der Andreasmarkt sei kein Advents- oder Weihnachtsmarkt, sondern ein Markt rund um den verkaufsoffenen Sonntag – auch mit Glühwein und Bratwürsten, betonte die Leiterin des Stadtmarketings, Carolin Müller. Bei solchen Märkten gehe die Stadt gezielt auf Vereine und Glaubensgemeinschaften zu und bitte um Mitwirkung am Bühnenprogramm. Heuer hätten sich lediglich die beiden muslimischen Gemeinden gemeldet.

Das Bühnenprogramm, das unter dem Motto "Orient trifft Okzident" gestellt wurde, sei vorher mit der Stadt abgesprochen worden – auch, dass der Imam der Sultan-Süleyman-Moschee Teile aus dem Koran rezitieren würde. Die Koranstellen sollten die friedlichen Aspekte im Islam und die Gemeinsamkeiten mit dem Christentum unterstreichen, so Müller. Das darauf folgende Programm hätten Kinder und Jugendliche der Diyanet-Ditib-Moschee gestaltet: Sie führten Tänze und einen Sketch auf und sangen Lieder. Zudem gab es einen Stand, an dem die Mitglieder beider Moscheen Essen bereiteten.

Rathauschef Hombach: "Gegenseitiger Respekt wichtig für friedliches Zusammenleben"

"Wir wollen miteinander im Gespräch sein. Wir wollen verstehen, wie wir denken, was wir tun – und friedlich miteinander leben!", betonte Karlstadts Bürgermeister Michael Hombach in der Pressekonferenz. Aktuell besäßen rund 17 Prozent der Bürgerinnen und Bürger eine ausländische Staatsbürgerschaft.

Seit vielen Jahrzehnten lebten Muslime in Karlstadt. Ihr Glaube werde in den zwei Moscheen aktiv gelebt: "Es gibt keine Gründe, diesen Mitbürgerinnen und Mitbürgern eine Teilnahme am Andreasmarkt zu verweigern. Das friedliche Zusammenleben seit vielen Jahrzehnten ist auch dadurch möglich, dass man sich gegenseitig respektiert, auf Augenhöhe begegnet und sich nicht abgrenzt oder pauschal gegenseitig ausschließt", betonte Hombach.

Muslime betonen "gutes Miteinander"

"Der Shitstorm bringt die Gemüter durcheinander. Mich interessiert, ob das endlich bald vorbei ist oder weiter geht. Wir leben hier friedlich zusammen und das klappt gut in Karlstadt", sagt Cem Açıkgöz auf BR24-Anfrage. Seit über zehn Jahren ist er Vorstand der Sultan-Süleyman-Moschee. Er suche immer das Positive, ergänzt Açıkgöz. Er hoffe sehr, dass sich die negativen Emotionen in positive Eindrücke wandeln.

Cengiz Sarıoğlu von der Diyanet-Ditib-Moschee betont: "Wir sind keine geschlossene Gesellschaft, sondern eine offene. Zum Beispiel besprechen wir monatlich aktuelle Themen mit den christlichen Kirchen." Sarıoğlu nennt Beispiele für das gute Miteinander in Karlstadt mit seinen rund 900 türkischstämmigen Bürgerinnen und Bürgern: So habe man selbstverständlich gesammelt für die Flutopfer im Ahrtal. Kleidersammlungen für die Opfer des Ukrainekriegs ebenso wie auch für die Erdbebenopfer in der Türkei seien organisiert worden. Die muslimischen Gemeinden würden die Menschen in Karlstadt etwa auch zum Fastenbrechen einladen.

Nach dem Andreasmarkt habe es auch viele positive Reaktionen gegeben, etwa über das Essen und das Programm auf der Bühne. "Was geht jemanden in Nordrhein-Westfalen an, was hier bei uns in Karlstadt abläuft", fragt sich Sarıoğlu. Und er betont noch einmal, dass es eine Einladung der Stadt war, sich als muslimische Gemeinden zu präsentieren.

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