LKW Stau auf A8.
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Einer der regelmäßigen Rückstaus durchs Inntal bis auf die A8 - wegen der Blockabfertigung für LKW bei Kufstein.

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Bayern, Tirol und Südtirol gemeinsam gegen die LKW-Flut

Bayerns Verkehrsminister Bernreiter hat mit seinen Kollegen aus Tirol und Südtirol den Aufbau eines digitalen Verkehrsmanagements für den Brenner-Korridor vereinbart. Grundlage dafür könnte ein Slot-System sein, in dem LKW Zeitfenster buchen müssten.

Über dieses Thema berichtet: BR24 am .

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Bei einem Treffen in Bozen am Freitagnachmittag haben die Verkehrsverantwortlichen von Bayern, Tirol und Südtirol beschlossen, den Schwerlastverkehr auf den Autobahnen durch den Brenner-Korridor zwischen Rosenheim und Trient in Zukunft gemeinsam und digital zu managen. Der dafür notwendige Datenaustausch soll organisiert und gewährleistet werden. Welches System für dieses Vorhaben am besten funktioniere, sei noch auszuloten, hieß es aus der Runde, die zum ersten Mal in dieser Zusammensetzung verhandelt hatte. Für Bayern war Verkehrsminister Christian Bernreiter gekommen, für Tirol Verkehrslandesrat René Zumtobel, und die Südtiroler Seite vertrat der Landesrat für Mobiliät, Daniel Alfreider.

Letzterer als Gastgeber skizzierte das Ziel der Verhandlungen so: "Wir wollen Sicherheit für die Verkehrsteilnehmer, mehr Lebensqualität für die Anrainer und natürlich auch Entlastung für die Umwelt erreichen, das geht nur, wenn die Staaten den Korridor als Gemeinsames sehen."

Slot-System statt Blockabfertigung?

Eine Expertengruppe aus den drei Ländern hatte Vorschläge erarbeitet, die bei dem Treffen in Bozen diskutiert und überprüft wurden. Der nächste Schritt soll eine gemeinsame Erklärung der Länder sein. Einen Entwurf für eine solche Erklärung habe man heute erarbeitet, so Christian Bernreiter. Ein grenzüberschreitendes Verkehrsmanagement würde nach seinen Worten das Ende der Staus bei Blockabfertigung bedeuten. "Es liegt noch Arbeit vor uns", so Bernreiter, "aber die Zusammenarbeit ist sehr konstruktiv."

Bernreiter erwähnte auch das sogenannte Slot-System als Möglichkeit für die Steuerung des LKW-Verkehrs. Zu dieser Idee aus Südtirol wurde erst kürzlich eine Machbarkeitsstudie veröffentlicht, in der eine Verkehrslenkung über Zeitfenster, die von den Speditionen gebucht werden müssen, schon sehr konkret dargestellt wird.

Runde der Verkehrsverantwortlichen am Tisch.
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Das Treffen in Bozen: Links vorne Daniel Alfreider aus Südtirol, ihm gegenüber Christian Bernreiter, rechts vorne René Zumtobel aus Tirol.

Wie würde das Slot-System funktionieren?

In dieser Machbarkeits-Studie wird von Experten verschiedener Fachrichtungen ein 5-Phasen-System entworfen, mit dem Verkehrsspitzen in Zeitfenster verlagert werden, in denen es weniger Verkehr gibt. Dabei orientiert man sich an den Slot-Systemen, mit denen seit langem zum Beispiel Luft- und Seefahrt ihre Häfen organisieren.

Demnach müssten künftig die Speditionen für ihre LKW-Fahrten zwischen Rosenheim und Trient Zeitfenster buchen. Sie melden also zunächst ihren Bedarf an – bei einer von den drei Ländern noch zu schaffenden Verwaltung - , bekommen dann eine Bestätigung, oder, wenn der Slot schon ausgelastet ist, den nächstmöglichen Zeitraum für den Transit. Das soll, so die Experten, nach dem Prinzip "Wer zuerst kommt, fährt zuerst" geschehen. Wie beim jetzt bereits existierenden digitalen Maut-System in Tirol werden an Check-In- und Check-Out-Punkten die Lastwagen registriert.

In der Studie findet sich dieser Satz zu Nachtfahrten: "Die Vergabe der Slot-Buchungen lässt sich grundsätzlich in Tages- und Nachtslots unterteilen. Letztere werden limitiert und nur unter der Erfüllung besonderer Prämissen vergeben wie beispielsweise Antriebstechnologie, EURO-Klasse 6, Bereifung oder Durchqueren mit verminderter Geschwindigkeit."

Buchung kostenlos, aber Strafen bei Verstößen

Laut der Südtiroler Studie sind Gebühren für einen solchen Slot derzeit nicht erlaubt: "Die geltende Wegekostenrichtlinie ermöglicht den Mitgliedstaaten ... nur die Erhebung von Benutzungsgebühren oder von Mautgebühren; andere Gebühren sind untersagt." Erlaubt seien aber "finanzielle Sanktionen", die bei Nichteinhaltung oder Verletzung des Slot-Management-Systems verhängt werden. "Sie müssen eine abschreckende Wirkung haben, dürfen gleichzeitig aber nicht unverhältnismäßig sein", schreiben die Autoren der Studie.

Professor Walter Obwexer, Rechtswissenschaftler von der Universität Innsbruck, sieht keine rechtlichen Hürden, die auf europäischer oder nationaler Ebene einem solchen digitalen Verkehrsmanagement im Weg stehen würden: "Das Slot-System ist rechtlich möglich." Allerdings müsse die Anzahl der Slots klar definiert werden und an der maximalen Kapazitätsgrenze der Infrastruktur ausgerichtet sein. Bei der Vergabe dürfe niemand diskriminiert werden, so Obwexer. In der Studie heißt es dazu: "Das Prinzip 'First Come First Serve' würde dies sicherstellen."

Slot-System auch für PKW?

Dass dieses Slot-System bei der geplanten Steuerung wohl eine große Rolle spielen wird, zeigte sich bei der Reaktion auf die Frage des Reporters am Rande der Gespräche, ob denn das Slot-System auch auf den PKW-Verkehr angewendet werden könnte oder sollte. Die Antwort: erstmal nicht, später aber möglicherweise schon. Das lässt sich auch aus diesem Satz aus der Machbarkeitsstudie herauslesen: "Übergeordnete Zielstellung des Systems ist es, nach der erfolgreichen Pilotphase alle Verkehrsmodi entlang des Brennerkorridors zu erfassen, um einen fließenden Verkehr sicherzustellen." Eine solche Erfassung, heißt es weiter, bedeute nicht automatisch auch die Einordnung in das Slot-System, sondern zunächst mal nur die "Sicherstellung" aller Daten zur Verkehrslage. Das lässt alles offen. E

s kann also durchaus sein, dass in einigen Jahren die Urlaubsreise in den Süden nur zu bestimmten Zeiten angetreten werden kann. Wenn es im Ausgleich keinen Stau gibt, wäre das wohl eine bedenkenswerte Option.

Nächste Hürde: Rom, Wien und Berlin müssen mitspielen

Die drei betroffenen Regionen also sind sich weitgehend einig. Wenn demnächst ein gemeinsamer Beschluss zustande kommt, dann hätte das Projekt eine erste hohe Hürde genommen. Danach müssten allerdings noch die Regierungen von Deutschland, Österreich und Italien mitspielen, denn auf dieser Ebene wäre ein Staatsvertrag abzuschließen, mit dem das Slot-System für die Fahrt zwischen Rosenheim und Trient geregelt wird. Und das könnte mühsam werden, nicht zuletzt, weil der italienische Verkehrsminister Salvini heißt.

Der Lega-Chef hat erst kürzlich zum Slot-System geäußert, darüber könne erst dann verhandelt werden, wenn Tirol die Blockabfertigung beendet habe.

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Das von den Tirolern sogenannte Dosiersystem bei Kufstein. Bis zum nächsten Grün werden die Sekunden heruntergezählt.

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