Wissenschaftler am Lasersystem der Extreme Light Infrastructure
Bildrechte: Marvel Fusion

Wissenschaftler am Lasersystem der Extreme Light Infrastructure

Per Mail sharen
Artikel mit Audio-InhaltenAudiobeitrag

Bayerisches Start-up möchte ab 2030 Kernfusions-Reaktoren bauen

Das Münchner Start-up "Marvel Fusion" will ab 2030 mit dem Bau erster Kernfusions-Reaktoren beginnen. Deutschlandweit ist es das einzige Unternehmen, das zur Kernfusion forscht. Experten bezweifeln, dass diese Form der Energiegewinnung bald klappt.

Über dieses Thema berichtet: BR24 am .

Es ist der jahrzehntelange Traum von einer unerschöpflichen Energiequelle: die Kernfusion. Sie könnte laut Experten viele unserer Energieprobleme lösen. Nun kam die Nachricht, dass Forscherinnen und Forschern in Kalifornien erstmals der große Coup gelungen ist: Sie haben mittels Kernfusion geschafft, dass mehr Energie freigesetzt wird, als vorher an Energie vorhanden war. Diese spezielle Forschung zu Kernfusion findet aber nicht nur in Kalifornien statt, sondern auch hier in Bayern.

Menschheit versucht Sonne zu imitieren

Seit Jahrmilliarden macht die Sonne nichts Anderes als das, was nun in Kalifornien passiert ist: Kernfusion. In der Sonne nämlich verschmelzen Wasserstoffteilchen und das setzt Energie frei. Die Menschheit versucht diesen Effekt nachzuahmen – also Atomkerne so zu erhitzen, dass sie verschmelzen und Energie freisetzen. Die Forscherinnen und Forscher in Kalifornien haben dies mithilfe von Laserstrahlen geschafft.

Münchner Start-up erforscht laserbasierte Kernfusion

Auch in Bayern wird an einer solchen laserbasierten Kernfusion geforscht, nämlich beim Münchner Start-up "Marvel Fusion". Durch die Fusion hätte man eine saubere, CO2-freie und sichere Energiequelle, ohne langlebigen radioaktiven Abfall, betont Marvel Fusion-Sprecherin Heike Freund. Das sei "genau die Energiequelle, die wir hier am Wirtschaftsstandort Deutschland bräuchten". In dem Unternehmen, das es seit drei Jaren gibt, sind sechzig Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigt.

Selber Effekt, andere Erhitzung: Magnetbasierte Kernfusion

Ein anderer Ansatz ist die magnetbasierte Kernfusion. Hier wird das fusionsfähige Material, in dem Fall Plasma aus Atomkernen, eingesperrt. Mit starken Magneten soll es erhitzt werden, sodass die Kerne verschmelzen. Daran forscht zum Beispiel das Max-Planck-Institut für Plasma-Physik in Garching. "Das ist eigentlich der Hauptpunkt – zu verstehen, wie kommt man dazu, das Plasma heiß zu machen und bei diesen hohen Temperaturen zu halten", erklärt der Plasma-Physik Bereichsleiter Professor Hartmut Zohm. Dies sei die entscheidende Forschung in seinem Institut.

Weltweit nur 30 Unternehmen, die an Kernfusion forschen

Neben verschiedenen Universitäten gibt es laut Heike Freund weltweit nur dreißig privatwirtschaftliche Firmen, die sich mit laser- und magnetbasierter Kernfusion befassen; lediglich drei haben sich auf die laserbasierte Kernfusion spezialisiert. Um die laserbasierte Kernfusion besser zu erforschen, kooperiert das Münchner Start-up "Marvel Fusion" seit diesem Jahr mit der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität (LMU). "An der LMU steht eine der stärksten Laseranlagen in Europa", sagt Marvel Fusion-Sprecherin Heike Freund. In den kommenden Monaten soll dieser Laser weiter optimiert werden. "Bei Lasern bedeutet das zum Beispiel: bessere Spiegel und bessere Optiken, die eingebaut werden."

Marvel Fusion will ab 2030 erste Reaktoren bauen

Das Münchner Start-up Marvel Fusion kann sich vorstellen, ab 2030 erste kommerzielle Kernfusions-Kraftwerke zu bauen. "Wir haben hier am Standort München die besten Laser-Wissenschaftler, Plasmaphysiker, aber auch Unternehmer zusammengezogen", so Freund. Schon jetzt gebe es zahlreiche Reaktor- und Kraftwerkskonzepte. "In unserem Fall kann man sich das so vorstellen, dass ein Laser zehnmal pro Sekunde in einen Reaktor reinschießt und eine Fusionsreaktion auslöst." Im Sommer habe es diesbezüglich erfolgsversprechende "Experimente" gegeben.

Bildrechte: LMU
Artikel mit Bild-InhaltenBildbeitrag

Wissenschaftsminister Markus Blume (li.) am CALA-Lasersystem der LMU, mit LMU-Professor Dr. Stefan Karsch und Heike Freund von Marvel Fusion.

Bayern subventioniert und will Unterstützung vom Bund

Der Freistaat Bayern unterstützt die Partnerschaft zwischen dem Start-up Marvel Fusion und der LMU und schießt zweieinhalb Millionen Euro für die Forschung zu, vor allem, um den Laser noch leistungsfähiger zu machen. "Die umweltfreundliche Energiegewinnung mit Kernfusion war jahrzehntelang ein abstrakter Traum – jetzt kann sie konkrete Hoffnung werden", sagt Bayerns Wissenschaftsminister Markus Blume (CSU) dazu. Gleichzeitig möchte der Minister mehr Unterstützung vom Bund. "Ich würde mir wünschen, dass auch die Bundesregierung dieses Potenzial erkennt."

Energiegewinnung durch Kernfusion weiterhin Zukunftstraum?

Das Problem allerdings ist, dass die Fusionsreaktion nur extrem kurz anhält. Eine Fusion ist zu wenig, um nutzbare Energie bereitzustellen. Zudem ist die Herstellung der Fusion noch sehr energieintensiv. Experten gehen deshalb davon aus, dass es noch Jahrzehnte dauert, bis wir auf diese Technologie tatsächlich zurückgreifen können. Der Physiker Riccardo Betti von der Universität Rochester sagte beispielsweise zur dpa, die Menschheit sei an einem ähnlichen Punkt wie vor der Erfindung des Autos im 19. Jahrhundert. Von da an sei es allerdings noch ein weiter Weg gewesen, bis wirklich Autos fuhren. Ähnlich sei es bei der Kernfusion: "Man hat noch keinen Motor und man hat noch keine Reifen", sagte Betti. "Man kann nicht sagen, dass man ein Auto hat."

Bislang wurde also nur für den Bruchteil einer Sekunde eine kleine Sonne auf der Erde gezündet, zum Dauerscheinen reicht es noch nicht.

"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht's zur Anmeldung!