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Ingenieursausbildung zu altmodisch

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Bauingenieurmangel führt zu kommunalem Planungsstau in Bayern

Die Baubranche in Bayern boomt. Niedrigzinsen und staatliche Investitionen sorgen für private und öffentliche Aufträge. Mittlerweile macht sich überall in Bayern ein gravierender Mangel an Bauingenieuren bemerkbar. Von Mathias Flasskamp

In Augsburg sind derzeit 13 Stellen für Bauingenieure offen. Nürnberg muss sieben Positionen unbesetzt lassen und im Baureferat München sind sogar 17 von 47 Ingenieursstellen unbesetzt. Gleichzeitig wird immer mehr gebaut. Im staatlichen Bauamt im Landkreis Aichach-Friedberg nahm die Zahl der Bauanträge allein im vergangenen Jahr um rund 20 Prozent zu.

Drastische Mittel um Objekte tatsächlich umsetzen zu können

Neue Bauingenieure waren auf dem leer gefegten Markt aber nicht zu bekommen. Deshalb hat Landrat Klaus Metzger (CSU) einen ungewöhnlichen Schritt unternommen. Jeden Dienstag und Mittwoch bleibt das Bauamt für Besucher geschlossen.

"Wir mussten diese Einschränkung machen, um den Mitarbeitern den nötigen Freiraum zu verschaffen, sich zumindest an zwei Tagen auf wichtige Projekte konzentrieren zu können. Auch telefonische Anfragen werden an diesen Tagen nicht durchgestellt. Nur so können wir den Ansturm überhaupt noch bewältigen." Klaus Metzger, Landrat Landkreis Aichach-Friedberg

In dieser Situation fährt der Staat jetzt seine Investitionen wieder hoch und heizt den Markt damit weiter an. Bei der Autobahndirektion Südbayern hat sich das Investitionsvolumen seit 2003 von 250 Millionen Euro auf gut 700 Millionen nahezu verdreifacht. Die Zahl der Mitarbeiter ist dagegen gleichgeblieben. Auch hier würden eigentlich sofort weitere 15 Bauingenieure gebraucht, aber die Personalchefs finden niemanden. Im Gegenteil: In dieser Situation müssen öffentliche Arbeitgeber damit rechnen, dass Ihnen die verbliebenen Mitarbeiter auch noch abspenstig gemacht werden, sagt Sprecher Josef Seebacher.

Brutaler Kampf um verbliebene Fachkräfte

"Wir haben mittlerweile die groteske Situation, dass Headhunter hier in der Behörde anrufen und bis zum Straßenmeister herunter versuchen, die Leute abzuwerben. Das ist eine neue Qualität im Wettbewerb und macht uns große Sorgen, weil wir dadurch auch schon in laufenden Projekten Mitarbeiter verloren haben. Plötzlich war der Projektleiter weg - abgeworben!" Josef Seebacher, Sprecher Autobahndirektion Südbayern

Abwerben ist das letzte Mittel. Denn es kommen kaum junge Arbeitskräfte nach. Nur 12.000 Absolventen gibt es bundesweit pro Jahr im Bereich Bauingenieurwesen. Weniger als die Hälfte der Absolventenzahlen im Bereich Maschinenbau. Die Bologna-Reform an den Hochschulen habe ebenfalls zu Problemen geführt, beklagen Brancheninsider. Der Präsident der Bayerischen Ingenieure-Kammer Bau etwa vermisst die früheren gefragten Generalisten mit Diplom. Die Bachelor-Studiengänge seien oft viel zu speziell, meint der Experte.

"Die Reform hat dazu geführt, dass sich die Studiengänge im Bauingenieurwesen verdreißigfacht haben. Da gibt es interessant klingende Abschlüsse wie Aquatik, von denen wir aber gar nicht wissen, wofür wir die Absolventen hinterher einsetzen sollen." Norbert Gebbeken, Präsident der Bayerischen Ingenieure-Kammer Bau

Eine schnelle Lösung des Problems ist also nicht in Sicht. Generell verzögert der Ingenieurmangel überall Bauprojekte - vor allem öffentliche. In Augsburg etwa ist das geplante Parkleitsystem momentan auf Eis gelegt. Und private Bauherren müssen sich in ganz Bayern auf längere Wartezeiten bei der Bearbeitung von Bauanträgen einstellen.