Ganz Deutschland schaut nach Oberfranken: In Bamberg beginnt am Mittwoch (08.11.17) ein Prozess gegen einen früheren Chefarzt des Bamberger Klinikums, der eine Mitarbeiterin vergewaltigt haben soll. Es ist der erste Fall, bei dem das neue Sexualstrafrecht angewendet wird. Deshalb hat der Prozess nach Ansicht von Rechtsexperten bundesweit Bedeutung.
Zum Oralverkehr gedrängt
Laut Staatsanwaltschaft soll der 46-jährige Palliativmediziner im Dezember 2016 eine Mitarbeiterin gegen ihren Willen zum Oralverkehr gedrängt haben. Das kann juristisch als Vergewaltigung bewertet werden. Zuvor soll sie mit dem Arzt jedoch einvernehmlich Sexualkontakte gehabt haben – genau wie mehrere weitere Krankenhausmitarbeiterinnen. Allerdings hatte keine der Frauen den Mann angezeigt, auch nicht das mutmaßliche Opfer.
Neues Sexualstrafrecht
Im Sexualstrafrecht war im vergangenen Jahr das Prinzip "Nein heißt Nein" festgeschrieben worden. Demnach macht sich nicht nur strafbar, wer Sex mit Gewalt oder Gewaltandrohung erzwingt. Es reicht vielmehr aus, wenn sich der Täter über den "erkennbaren Willen" des Opfers hinwegsetzt.
Hausverbot für Mediziner
Die Sozialstiftung Bamberg, der Träger des Klinikums Bamberg, hatte den leitenden Mediziner nach Bekanntwerden des Falls freigestellt und ihm ein Hausverbot erteilt. Grund für die Entscheidung sei allein ein arbeitsrechtliches Fehlverhalten, so die Klinikleitung damals.
Selbstmordversuch des Arztes
Der Palliativmediziner hatte ebenfalls Ende Dezember seine Kündigung eingereicht, da er eine neue Stelle in Aussicht hatte. Nachdem der Fall öffentlich wurde, hatte der Mediziner versucht, sich das Leben zu nehmen. Nur kurze Zeit später sei er direkt aus der Intensivstation heraus vorläufig festgenommen worden, sagte Anwalt Dieter Widmann dem Bayerischen Rundfunk. Der Anwalt kündigte an, das seiner Ansicht nach völlig überzogene Vorgehen der Staatsanwaltschaft im Prozess zu hinterfragen. Im Februar wurde der Untersuchungshaftbefehl außer Vollzug gesetzt. Seitdem befindet sich der Angeklagte auf freiem Fuß.
Viele Zeugen geladen
Nach der Verlesung der Anklageschrift wird der Angeklagte am ersten Prozesstag zu seiner Person befragt – eventuell auch zum Fall, falls er dazu Angaben machen will. Wie Gerichtssprecher Nino Goldbeck dem BR weiter erklärte, sollen ab Donnerstag (09.11.17) erste Zeuginnen vernommen werden. Insgesamt sind rund ein Dutzend Zeugen geladen. Für den Prozess sind bereits vier weitere Verhandlungstage festgelegt.
Lange Haftstrafe möglich
Im Fall einer Verurteilung wegen Vergewaltigung droht dem 46-jährigen Mediziner eine Haftstrafe zwischen zwei und 15 Jahren. Sein Verteidiger Dieter Widmann erklärte dem BR, er gehe davon aus, dass sein Mandant freigesprochen werde. Allerdings habe er erfahren, dass die Staatsanwaltschaft bei einem Freispruch auf jeden Fall in Revision gehen werde. Die Verantwortlichen hätten Interesse an diesem Präzedenzfall.
"Das ist so eine Art 'Rechtsfortbildung' auf dem Rücken meines Mandanten. Dass diese Fortbildung die Existenz meines Mandanten vernichtet und zum Teil bereits vernichtet hat, spielt offensichtlich keine Rolle." Dieter Widmann, Anwalt des Mediziners
Verwechslungsgefahr mit "Chefarzt-Prozess"
Dieser neue Prozess hat nichts mit dem anderem "Chefarzt-Prozess" zu tun, der bereits abgeschlossen ist. Dieser Prozess hatte ebenfalls bundesweit für Aufsehen gesorgt. Ein ehemaliger Chefarzt des Bamberger Klinikums war im Oktober 2016 wegen Vergewaltigung und weiterer Vergehen zu sieben Jahren und neun Monaten Haft verurteilt worden.
Das Landgericht Bamberg sah es als erwiesen an, dass der Mediziner zwölf Frauen zunächst betäubt und sich dann an ihnen vergangen hatte. Unter den Frauen waren auch Patientinnen. Der Mann hatte die Vorwürfe vor Gericht stets bestritten und medizinische Forschungen vorgeschoben. Sowohl Staatsanwaltschaft als auch Verteidigung hatten nach dem Urteil Revision beantragt. Darüber hat der Bundesgerichtshof aber bisher noch nicht entschieden.er hat der Bundesgerichtshof aber bisher noch nicht entschieden.