Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) zeigt sich entsetzt über einen Beschluss der bayerischen AfD zur "Remigration". Das gesamte Papier mache deutlich, "dass die AfD unter Remigration eine extrem ausländerfeindliche und zum Teil auch rassistische Politik versteht", sagt Herrmann im BR-Interview. "Das ist indiskutabel." Der AfD-Beschluss sei "überhaupt nicht mit unseren Grundsätzen von Humanität und Ordnung zu vereinbaren".
Die AfD hatte am Wochenende auf einem Landesparteitag in Greding mit großer Mehrheit eine "Bayerische Resolution für Remigration" beschlossen. Kurzfristig eingebracht wurde sie von Landesvize Rainer Rothfuß: Dieses "rechtswidrige Überfluten unseres Landes" mit Migranten müsse ein Ende haben, "illegale Migration" müsse "rückabgewickelt" werden, forderte er in seiner Rede.
AfD: Millionenfache Ausweisung als Staatsziel
In dem Papier verlangt die AfD eine "Remigrationsagenda", "um dem Staatsziel einer umfassenden Remigration im Millionenbereich für die kommenden zehn Jahre gerecht zu werden". Asylsuchende sollen demnach "umgehend in ein außereuropäisches Schutzzentrum" gebracht werden. Auch wenn Flüchtlinge aus außereuropäischen Staaten Anspruch auf Schutz vor Verfolgung haben, sollen sie laut AfD nicht auf europäischem Territorium leben, sondern "ausschließlich außerhalb Europas in heimatnahen Schutzzentren oder in sicheren Teilgebieten des Herkunftslandes".
Außerdem verlangt die AfD die "Rückführung" von "Personengruppen mit schwach ausgeprägter Integrationsfähigkeit und -willigkeit" in ihre Heimat. Wann eine fehlende Integrationsfähigkeit vorliegt, lässt das Papier offen. Auch will es die AfD ermöglichen, die deutsche Staatsbürgerschaft "bei schweren Verstößen gegen das geltende Recht" wieder zu entziehen.
Der Ex-AfD-Landtagsabgeordnete Uli Henkel rief in der Debatte: "Der Begriff Remigration ist ein Markenzeichen – wie Tempotaschentücher." Als "enorm wichtiges Signal" bezeichnete in sozialen Medien der AfD-Abgeordnete Richard Graupner die Resolution: "Wir lassen uns die Deutungshoheit über den Begriff – als Markenkern der AfD – nicht nehmen!"
Herrmann: So können wir die Zukunft nicht gestalten
Die bayerische Staatsregierung fordert laut Herrmann zwar, dass Menschen mit doppelter Staatsangehörigkeit im Fall einer schweren Straftat die deutsche entzogen werden sollte. International unzulässig sei aber, "Staatenlose zu produzieren". Einem originär Deutschen könne die Staatsbürgerschaft grundsätzlich nicht aberkannt werden.
Zudem blende das AfD-Papier aus, "dass wir auch für unseren Arbeitsmarkt Menschen brauchen, dass wir qualifizierte Zuwanderung brauchen", betont der CSU-Politiker. "Es wird nur davon gesprochen, Ausländer rauszuschmeißen. Und so können wir die Zukunft unseres Landes nicht gestalten."
Grüne: AfD-Verbot vorantreiben
Für die bayerische Grünen-Fraktionsvorsitzende Katharina Schulze zeigt die AfD erneut ihr wahres Gesicht: "Sie ist rassistisch, sie ist rechtsextrem." Auf Bundesebene müsse das Prüfverfahren für ein AfD-Verbot vorangetrieben werden.
Während sich AfD-Landesvize Rothfuß in Greding dagegen verwahrte, dass von AfD-Deportationsplänen die Rede sei, erneuert Schulze den Vorwurf: Mit der Verwendung des Begriffs der "Remigration" wolle die AfD ihr eigentliches Vorhaben verschleiern. Deswegen müsse man klar benennen, was die AfD-Pläne bedeuten: "nämlich die millionenfache Ausweisung, Deportation von Menschen, die hier leben."
Auch die Chefin der Grünen-Bundestagsfraktion, Britta Haßelmann, rief dazu auf, die Demokratie zu verteidigen. Im Kurznachrichtendienst X schrieb sie: "Die AfD schmiedet ihre Deportationspläne nicht mehr in Geheimtreffen wie in Potsdam, sie beschließt das auf Parteitagen wie jetzt in Bayern."
Türkische Gemeinde: Angriff auf Grundwerte
Die Türkische Gemeinde in Bayern warnt, die AfD greife die Grundwerte der Gesellschaft an. Der Vorsitzende Vural Ünlü beklagt, die Forderung nach Rückführung von Menschen mit schwach ausgeprägter Integrationsfähigkeit richte sich nicht nur gegen straffällig gewordene Asylbewerber, "sondern pauschal gegen Menschen, die allein aufgrund ihres Namens, ihres Aussehens oder ihrer Religion nicht in das Weltbild der AfD passen". Dies sei ein gezielter Angriff auf Millionen Bürgerinnen und Bürger mit Migrationshintergrund, "die in Bayern geboren wurden und den Freistaat als ihre Heimat sehen".
Politologe: "Remigration" soll salonfähig werden
Philipp Adorf, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Politische Wissenschaft und Soziologie der Universität Bonn, erläutert, der Begriff "Remigration" sei in der Vergangenheit eher in rechten und rechtsradikalen Kreisen populär gewesen. Die bayerische Resolution sei ein Versuch, Begriff und Konzepte dazu in den "Mainstream" zu bringen und salonfähig zu machen. Dabei müsse man berücksichtigen, dass die Basis für das Konzept der Remigration "Verschwörungserzählungen zu einem Bevölkerungsaustausch" seien.
Mit dem Beschluss wolle der Landesverband auch die Bundes-AfD dazu bewegen, "Remigration" im Wahlkampf zu thematisieren. Während Teile der AfD den Begriff lediglich als Ausdruck für eine Abschiebeoffensive verwendeten, greife die bayerische Resolution eine Interpretation auf, die von rechten Aktivisten und der identitären Bewegung propagiert werde, sagt der Politologe. In diesen Schriften gehe es um ein Konzept, das eine grundlegende Veränderung der Gesellschaft wolle, "in der einzelne Personen ausgegrenzt werden sollen, in der deutsche Staatsbürger zu Staatsbürgern zweiter Klasse gemacht werden sollen – einfach nur aufgrund ihres ethnischen Hintergrundes".
Audio: Kritik an bayerischer AfD-Resolution für "Remigration"
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