Den radikalislamischen Taliban ist während ihrer aktuellen Groß-Offensive in Afghanistan erstmals die Einnahme einer Provinzhauptstadt gelungen. Nach Angaben der Vize-Gouverneurin der Provinz Nimros, Roh Gul Chairsad, eroberten die Islamisten am Freitagmittag die im Südwesten Afghanistans gelegene Provinzhauptstadt Sarandsch.
Damit haben die Taliban kurz vor Abzug der letzten US-Soldaten einen strategisch bedeutsamen Sieg errungen. Zudem töteten sie am Freitag den Chefsprecher der Regierung, Dawa Chan Menapal. Im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen stellte die US-Sonderbeauftragte für Afghanistan, Deborah Lyons, den Friedenswillen der Taliban infrage und erklärte, der Krieg sei in eine neue, tödlichere und destruktivere Phase eingetreten.
Polizei klagt über fehlender Unterstützung
Die Provinzpolizei machte das Ausbleiben von Verstärkungen durch die Zentralregierung in Kabul für die Niederlage verantwortlich. Ein Beobachter in der Provinz berichtete, die Taliban hätten den Gouverneurspalast, das Polizeipräsidium und einen Posten nahe der iranischen Grenze besetzt.
Taliban: "Dies ist erst der Anfang"
Ein Taliban-Kommandeur betonte die strategische Bedeutung der Eroberung: "Dies ist der Anfang und Sie werden sehen, wie die anderen Provinzhauptstädte rasch in unsere Hände fallen." Die Taliban, die eine fundamentalistische Variante des Islam mit Gewalt durchsetzen wollen, haben in den vergangenen Monaten Dutzende Bezirke und Grenzübergänge unter ihre Kontrolle gebracht. Trotzdem ziehen sich die internationalen Streitkräfte zurück. Ende August sollen die letzten US-Soldaten aus Afghanistan ausgeflogen werden, die Bundeswehr hat bereits alle Einsatzkräfte zurückgeholt.
Regierungssprecher Menapal in Kabul getötet
Der enge Mitarbeiter des Präsidenten Aschraf Ghani, Regierungssprecher Menapal, wurde nach Angaben des Innenministeriums beim Freitagsgebet ums Leben gebracht. Die Taliban sprachen von einer gezielten Strafaktion. Die Tötung Menapals ist die jüngste in einer Reihe anderer, die darauf abzielen, Ghanis demokratisch gewählte, vom Westen unterstützte Regierung zu schwächen. Zu den Opfern zählen Aktivisten, Journalisten, Beamte, Richter und bekannte Personen, die sich für einen liberalen islamischen Staat einsetzten.
US-Beauftragter: Im letzten Monat über Tausend zivile Opfer
Im vergangenen Monat seien mehr als Tausend Zivilsten während der Offensive der Taliban getötet worden, sagte die Afghanistan-Beauftragte der USA. "Eine Partei, die aufrichtig einer vereinbarten Einigung verpflichtet wäre, würde nicht so viele zivile Opfer riskieren, denn sie würde wissen, dass der Prozess der Aussöhnung schwieriger wird, je mehr Blut geflossen ist", sagte Lyons. Die Taliban hatten den USA zugesagt, mit der Kabuler Regierung eine Verhandlungslösung zu suchen.
Der Vertreter Russlands im Sicherheitsrat warnte, Kämpfer aus Afghanistan könnten verkleidet als Flüchtlinge in die Region einsickern. Dies sei eine Gefahr für alle zentralasiatischen Staaten. Der Vertreter Chinas rief die USA auf, die Bemühungen zum Erhalt der versprochenen Stabilität in Afghanistan zu verstärken.
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