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Sars-Cov-2-Viren Können Nasensprays im Kampf gegen Corona helfen?

Um sich vor Corona- und anderen Viren zu schützen, greift so mancher zu Nasensprays. Sie legen eine kurzzeitige Schutzschicht über die Nasenschleimhaut und sollen so das Eindringen von Viren verhindern. Doch Experten warnen davor, sich nur auf Nasensprays zu verlassen.

Von: Veronika Scheidl

Stand: 25.10.2022

Nasenspray gegen Corona? | Bild: picture-alliance/dpa

Nasskaltes Herbstwetter, der Winter steht vor der Tür: Corona-, Grippe- und Erkältungsviren machen derzeit verstärkt die Runde. Eintrittspforte für die Viren und Atemwegsinfekte sind Mund und Nase. Um sich vor einer Ansteckung zu schützen, greifen manche Menschen zu Nasensprays, die mit einer schützenden Schicht auf der Nasenschleimhaut die Viren abwehren sollen.

Marc Schmid betreibt eine Apotheke in Landsberg und beobachtet die steigende Nachfrage nach solchen Sprays. "Vor allem Menschen, die in Flugzeugen und in Zügel viel reisen, möchten die Sprays haben", sagt Schmid. Und grundsätzlich sei es auch eine gute Idee, diese Sprays zu verwenden, zusätzlich zum Maske tragen.

"Bei engen Räumen und Begegnungen zwischen Leuten wäre das eine gute Chance, einen zusätzlichen Effekt zu haben."

Marc Schmid, Apotheker, Landsberg am Lech

Nasenspray-Hersteller verspricht Schutz vor Corona

Und nun drängt ein weiteres Nasenspray auf den Markt. Der Hersteller verspricht: Das Spray soll das Infektionsrisiko mit Viren, und damit auch Corona, über die Nase drastisch senken. Der Münchner Apotheker Ingo Beer ist zwar neugierig, aber auch skeptisch:

"Das als Medizinprodukt eingestufte Spray ist mit Sicherheit was fürs Portfolio. Aber auch da muss man ganz ehrlich sein, dass es kein Zaubermittel ist, auch nicht gegen die Corona-Infektion."

Ingo Beer, Apotheker, München

Der Hersteller des neuen Nasensprays beruft sich auf Studien, die vielversprechend klingen. So soll man mit dem Nasenspray etwa zwei Stunden lang mit hoher Wahrscheinlichkeit vor einer Corona-Ansteckung geschützt sein. Und: Bei Corona-Infizierten soll die Viruslast innerhalb von zwei Tagen um mehr als 99 Prozent abnehmen.

Viruslast reduziert sich über die Zeit

Der Immunologe Carsten Watzl hat die Hersteller-Studien genau unter die Lupe genommen und bremst diesen Optimismus.

"Der Hersteller sagt, dass sich mit dem Nasenspray diese Viruslast um einen großen Prozentsatz reduziert hat. Was nicht gesagt wird: Natürlich reduziert sich auch bei Leuten, die das Nasenspray nicht anwenden, über die Zeit die Viruslast deutlich, weil das Immunsystem die Viren bekämpft."

Prof. Dr. rer. nat. Carsten Watzl, Leiter Fachbereich Immunologie, Leibniz Institut für Arbeitsforschung an der TU Dortmund

Zwar reduziere das Nasenspray die Viren etwas stärker. "Aber diese 99 Prozent, die dabei gesagt werden, suggerieren ein bisschen mehr, als was das Nasenspray vielleicht wirklich kann."

Watzl geht davon aus, dass das Nasenspray durchaus wirksam gegen Viren sein kann. Atemwegserreger seien nach dem Einatmen sofort dort, wo sie hinwollen, "nämlich in den Epithelien unserer Nase und des Rachenraumes oder in der Lunge und können sofort dort Zellen infizieren. Das heißt, um solche Erreger abzuwehren, brauche ich direkt eine Schutzschicht auf diesen Oberflächen", erklärt Watzl.

Mit Carragelose oder Stickstoffmonoxid gegen Viren

Um eben diese Barriere gegen Viren zu bilden, enthalten bisherige Nasensprays beispielweise Carragelose, einen natürlichen Wirkstoff aus der Rotalge. Das neue Nasenspray enthält unter anderem Zitronensäure, denn eine saure Umgebung ist schlecht für Viren. Zudem kommt Stickstoffmonoxid ins Spiel. "Stickstoffmonoxid ist auch ein Abwehrmechanismus, den unser Immunsystem einsetzt, um Erreger abzutöten", erklärt Immunologe Watzl. Die chemische Substanz führe dazu, dass etwa beim Coronavirus das Spike-Protein verändert werde und so Zellen schlechter infiziert werden können.

Pharmazeutin Mona Tawab vom Zentrallaboratorium Deutscher Apotheker hat aber Zweifel.

"Das ist das angeblich Innovative an diesem Spray. Allerdings gibt der Hersteller selbst bekannt, dass die Menge des freigesetzten Stickstoffmonoxids zwanzigfach unter der therapeutisch wirksamen Menge liegt. Und daher frage ich mich, ob das Stickstoffmonoxid, was dann durch diesen Spray freigesetzt wird, überhaupt irgendeine virenabtötende Wirkung hat."

Prof. Dr. phil. nat. Mona Tawab, stellv. wissenschaftliche Leiterin, Zentrallaboratorium Deutscher Apotheker

Nasenspray kein Arzneimittel, sondern Medizinprodukt

Würde das Stickstoffmonoxid in viel höheren Konzentrationen freigesetzt werden, nämlich in "therapeutisch wirksamen Konzentrationen, dann müsste man das Spray als Arzneimittel einstufen", sagt Prof. Tawab. Doch das neue Nasenspray ist kein Arzneimittel, sondern ein Medizinprodukt – und ist damit frei verkäuflich und einfacher in der Zulassung.

"Insofern ist es wirklich sehr, sehr wichtig, dass die Wirksamkeit von solchen Medizinprodukten tatsächlich unabhängig überprüft wird. Weil nur dann hat man auch die Garantie, dass eine unabhängige Evaluation vorliegt, der man auch vertrauen kann", sagt die Pharmazeutin.

Experten: Nasensprays ersetzen weder Masken noch Impfung

Tawab warnt davor, sich mit den Nasensprays in falscher Sicherheit zu wiegen.

"Es ist mit und ohne Spray genauso wichtig, auf schützende Maßnahmen zu achten, sprich Abstand zu halten und eine Maske zu tragen. Und meine Befürchtung geht eher dahin, dass solche Sprays eine falsche Sicherheit beim Anwender erzeugen und dass dann tatsächlich die Gefahr für eine Ansteckung noch größer wird."

Prof. Dr. phil. nat. Mona Tawab, stellv. wissenschaftliche Leiterin, Zentrallaboratorium Deutscher Apotheker

In der aktuellen Corona-Situation können Nasensprays nur einen kleinen Beitrag leisten, sagt auch Immunologe Carsten Watzl:

"Es kann weder die Maske noch die Impfung wirklich ersetzen. Und in bestimmten Bereichen würde ich auch eher die Maske vorziehen, als mir ständig so ein Nasenspray zu applizieren."

Prof. Dr. rer. nat. Carsten Watzl, Leiter Fachbereich Immunologie, Leibniz Institut für Arbeitsforschung an der TU Dortmund

Denn auch über den Mund können Viren eindringen – und dort wirkt das Nasenspray natürlich nicht.

Forscher arbeiten an nasalen Corona-Impfstoffen

Das Prinzip, bereits über die Nase das Eindringen von Viren zu verhindern, wollen auch Forscher wie Josef Rosenecker nutzen. Sie arbeiten an einem nasalen Impfstoff gegen das Coronavirus – der soll nicht nur vor schweren Verläufen, sondern auch vor einer Corona-Infektion schützen. Versuche an Mäusen mit einem nasalen mRNA-Impfstoff haben bereits vielversprechende Ergebnisse gezeigt, sagt Prof. Rosenecker:

"Wenn wir diesen Impfstoff in die Nase sprühen, dann werden sehr hohe Konzentrationen von diesen IgA-Antikörpern gebildet, die spezifisch das Virus abfangen, bevor es an die Zellen andocken kann. Vergleichen wir die Konzentration der IgA-Antikörper nach einer intramuskulären Impfung mit unserer nasalen Impfung so sehen wir, dass die nasale Impfung etwa hundertfach höhere Konzentrationen an IgA-Antikörpern hervorruft."

Prof. Dr. med. Josef Rosenecker, Facharzt für Kinderheilkunde, Forschungsleiter Nasale Impfstoffe, Dr. von Haunersches Kinderspital München

In der Nasenschleimhaut und der Rachenschleimhaut sei also eine sehr starke Immunabwehr aufgebaut worden. Rosenecker und sein Team erhoffen sich, dass die nasalen Impfstoffe besser verträglich sind.

"Wir brauchen keine Nadel, keine Injektion, um diesen Impfstoff zu applizieren. Damit fallen die Schmerzen weg, was gerade für mich auch als Kinderarzt von großer Bedeutung ist."

Prof. Dr. med. Josef Rosenecker, Facharzt für Kinderheilkunde, Forschungsleiter Nasale Impfstoffe, Dr. von Haunersches Kinderspital München

Der große Vorteil sei zudem, dass der nasale Impfstoff gefriergetrocknet und auch als Trockensubstanz verabreicht werden könne. "Dadurch muss dieser Impfstoff nicht gekühlt werden und kann im Grunde genommen bei Raumtemperatur aufbewahrt werden, was gerade für die Impfung in der Dritten Welt von großer Bedeutung ist", sagt Rosenecker.

Doch dieser Impfstoff ist Zukunftsmusik, es stehen noch klinische Studien und jahrelange Arbeit vor den Forschern.


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