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Beruf Geburtshelferin Die Hebamme: Unverzichtbar bei Schwangerschaft und Geburt

Hebammen bieten schwangeren Frauen Hilfe und Sicherheit – vor, bei und nach der Geburt. Ein wichtiger, emotionaler Beruf, für den sie große Dankbarkeit ernten, aber auch dringend bessere Arbeitsbedingungen bräuchten.

Von: Veronika Keller, Veronika Beer

Stand: 16.04.2024

Wenn eine Frau im Kreißsaal ein Kind auf die Welt bringt, ist das für Hebamme Silvia Kiel etwas ganz Besonderes – aber auch Berufsalltag. Sie ist seit 22 Jahren Hebamme und arbeitet in der Frauenklinik des Rotkreuzklinikums München. Was macht es mit ihrer Gefühlswelt, wenn eine eigentlich fremde Frau mit ihrer Hilfe ein Kind auf die Welt bringt?

"Gewöhnen kann man sich gar nicht dran! Natürlich hängt man da emotional mit drin. Ich weine auch mit denen, wenn die sich so freuen. Und den Männern laufen die Tränen runter, dann laufen mir auch die Tränen runter."

Silvia Kiel, Hebamme, Frauenklinik des Rotkreuzklinikums, München

Hebamme: Ambulanzdienst und sehr gut ausgebildete Hände

Zu Silvia Kiels Arbeit gehört auch der Ambulanzdienst. Ihre Patientin Mara Sturm ist in der 16. Schwangerschaftswoche. Sie ist zur Voranmeldung für die Geburt hier. Silvia Kiel hört die Herztöne des Kindes ab und kontrolliert mit den Händen, ob das Baby so wächst, wie es soll.

Dabei schaut sie, dass der Fundus nicht viel zu hoch steht, denn dann wäre irgendwas nicht in Ordnung. Der Fundus ist die Oberkante von der Gebärmutter. Sie darf nicht zu weit unten sein in der 16. Schwangerschaftswoche, sondern muss deutlich über dem Schambeinbogen sein. Daran orientieren sich Hebammen wie Silvia Kiel immer, weil sie so überprüfen können, ob die Kinder zeitgerecht wachsen.

Die werdende Mutter Mara Sturm ist selbst Frauenärztin in der Geburtshilfe – und legt trotzdem Wert auf eine erfahrene Hebamme.

"Selbst wenn man vom Fach ist, gibt so viele Dinge, die man dann doch nicht weiß. Also ohne (Hebamme) nicht vorstellbar für mich!"

Mara Sturm, werdende Mutter

Die Vorteile für eine Beleghebamme

Silvia Kiel ist Beleghebamme. Das bedeutet, dass sie eine freiberufliche Hebamme ist, die selbstständig mit den Krankenkassen abrechnen darf. Der Vorteil: Beleghebammen sind finanziell bessergestellt. Sie dürfen auch Zwölf-Stunden-Schichten arbeiten, denn sie sind nicht an gesetzliche Vorgaben gebunden mit Schonzeiten zwischen Tag-Nacht-Dienstwechsel. Sie können einfach so arbeiten wie sie wollen und es sinnvoll erscheint.

Auch für die Ärzte wie Dr. Ina Rühl sind die Hebammen im Haus extrem wichtig. Denn auch wenn sie den Ultraschall bei den schwangeren Patientinnen übernehmen, sind bei den Hebammen die Hände sehr gut ausgebildet.

"Die Hebamme ist die Spezialistin für die normale Schwangerschaft, die normale Geburt. Wir werden nur gebraucht, wenn vielleicht etwas nicht ganz so normal ist."

Dr. Ina Rühl, Frauenklinik des Rotkreuzklinikums, München

Geburtshelferin: Frühdienst und geplante Kaiserschnitte

Der Tag von Silvia Kiel beginnt häufig gegen 6 Uhr früh mit einer Übergabe. Das Team bespricht, was heute ansteht und verteilt die Aufgaben.  

An diesem Tag kümmert sich Silvia Kiel zunächst um die geplanten Kaiserschnitte. Darauf wartet das Paar Alina und Konstantin Kaplan bereits. Sie haben schon eine Tochter. Jetzt ist ein Junge unterwegs.

Erstversorgung des Babys direkt nach der Geburt

Im OP-Saal betreut Silvia Kiel die Mutter während der Spinalanästhesie, die das Schmerzempfinden in Bauch, Becken und Beinen ausschaltet. Während des Eingriffs ist es auch ihre Aufgabe, für die Mutter da zu sein und sie bei Bedarf zu beruhigen. Danach ist sie für die Erstversorgung des neugeborenen Kindes zuständig.

"Wir kümmern uns jetzt gleich ums Kind gleich, schauen, ob die Herztöne in Ordnung sind, und dann nehme ich das Kind in Empfang, kümmere mich dann, trockne es ab, bringe es wieder zurück."

Silvia Kiel, Hebamme, Frauenklinik des Rotkreuzklinikums, München

Silvia Kiel trocknet und wickelt das Baby, misst seine Länge und den Kopfumfang. Es bekommt von ihr auch ein Armband mit seinem Namen.

"Jetzt tasten wir im Mund, ob alles geschlossen ist, der Kiefer. Dann schaut man bei der U1, ob irgendwelche Geburtsverletzungen da sind. Dann dreht man einmal um, schaut auf den ganzen Rücken, ob der zu ist, ob alles da ist, was da sein soll. Dann guckt man auf die Öhrchen, ob irgendwelche Anhängsel sind."

Silvia Kiel, Hebamme, Frauenklinik des Rotkreuzklinikums, München

In der Geburtshilfe gibt es auch jede Menge Papierkram. Hebammen müssen das Geburtsprozedere und die Geburtsverletzungen protokollieren – aber nicht nur das.

"Du schreibst eigentlich jeden Atemzug auf. Frau dreht sich von rechts nach links, Frau hustet, Frau setzt sich auf. (…) Das ist für die Forensik sehr wichtig, dass wenn was nicht gut gelaufen ist, ich sagen kann: Aber ich habe die Frau engmaschig betreut."

Silvia Kiel, Hebamme, Frauenklinik des Rotkreuzklinikums, München

Geburtsvorbereitungskurs: Richtiges Atmen und Schreien lernen

Auch noch eine wichtige Aufgabe von Hebammen: Schwangere auf die Geburt vorzubereiten – etwa durch richtiges Schreien. Die Mütter in spe lernen in einem Geburtsvorbereitungskurs bei Silvia Kiel, wie das geht.

"Töne geben wahnsinnig viel Kraft. Deshalb ist es für unter der Geburt total wichtig, dass ihr den Mund lockerlasst. Ihr dürft wirklich Öööööö, tiefe Töne, machen. Das Zwerchfell hilft euch, das Kind nach unten zu schieben."

Silvia Kiel, Hebamme, Frauenklinik des Rotkreuzklinikums, München

Nachsorge im Wochenbett

Auch in der ersten Zeit nach der Geburt helfen Hebammen. Sie kommen zur Wochenbettnachsorge zu den Familien nach Hause, unterstützen bei Still-Problemen, wiegen die Kinder und geben gute Ratschläge.

Der Verein "Hebavaria" ist eine Koordinierungsstelle für Hebammen in München. Zurzeit ist dank eines Geburtenrückgangs die Versorgung mit Wochenbett-Hebammen in München-Stadt und München-Land wieder ganz gut. Vorstandsmitglied Melanie Marwitz findet die Arbeitsbedingungen dennoch mangelhaft.

"Die Hebammen machen es überwiegend, weil sie für den Beruf brennen. Ich weiß aber auch, dass das Brennen irgendwann aufhört. Und wenn wir jetzt nicht gucken, dass wir den Hebammenberuf ordentlich finanzieren und honorieren und respektieren, dass es weniger wird."

Melanie Marwitz, Vorstandsmitglied des Vereins Hebavaria, München

Eine Hebamme verdient vergleichsweise immer noch wenig. Wie viel ist es genau?

"Wenn man jetzt mal hochrechnet: Man bekommt grob für einen Hausbesuch 38 bis 40 Euro, da bin ich eine Stunde mindestens unterwegs, Anfahrtszeit etc. Und das ist Umsatz, da geht noch alles weg. Und wenn man das runterbricht, haben wir wahrscheinlich einen Nettolohn von nicht mal den Mindestlohn, wenn es dumm läuft. Damit kann ich in München keine Miete zahlen."

Melanie Marwitz, Vorstandsmitglied des Vereins Hebavaria, München

Rückbildungskurse – 6 bis 8 Wochen nach der Geburt

Dabei sind Hebammen über einen langen Zeitraum rund ums Kind nicht wegzudenken. Denn auch nach der Geburt und dem Wochenbett hört die ihre Arbeit noch lange nicht auf.

Silvia Kiel bietet selbst auch noch Rückbildungskurse im Elternzentrum des Krankenhauses an. Mit dem Rückbildungstraining sollte man sechs bis acht Wochen nach der Geburt beginnen. Da ist die hormonelle Lage am besten, um die Muskeln in Bauch, Rumpf und Beckenboden wieder aufzubauen.

Das Training sei extrem wichtig, damit die Frauen im Alter nicht inkontinent werden, betont Silvia Kiel. An dieser Stelle dürfe sich die junge Mutter in all ihrer Zeitnot und verständlichen Müdigkeit keinesfalls selbst vernachlässigen. Denn es gehe um ihre Gesundheit.


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