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Wahlberichterstattung im BR Interview mit Chefredakteur Christian Nitsche

Stand: 01.09.2021 00:47 Uhr

Christian Nitsche (Chefredakteur Bayerischer Rundfunk), März 2021. | Bild: BR/Markus Konvalin

Herr Nitsche, die Bundestagswahl am 26. September findet vor dem Hintergrund von Corona statt. Die Pandemie und die Auseinandersetzungen, wie man damit umgeht, haben dazu beigetragen, die gesellschaftliche Stimmung teilweise stark aufzuheizen. Wie reagiert der BR darauf in seiner Berichterstattung rund um die Bundestagswahl?

Seit Beginn der Pandemie berichten wir ausführlich über Corona und lassen viele verschiedene Experten zu Wort kommen. Unser Ziel ist es, den Menschen eine gute Informationsbasis zu geben. Corona greift tief ein in das Leben und es gibt ständig neue Informationslagen. Dies rechtfertigt aus unserer Sicht, dass Corona über Monate zum Schwerpunkt unserer Berichterstattung wurde, natürlich ohne andere wichtige Themen aus dem Blick zu verlieren. Unbestritten ist, dass Corona auch polarisiert. Umso wichtiger ist, dass es Medien wie uns gibt, die sachlich Zahlen aufbereiten, Studien übersetzen und auch Falschbehauptungen identifizieren. Dies ist gerade in einer Zeit wichtig, in der Menschen ihre Wahlentscheidung treffen.

Mit dem #Faktenfuchs von BR24 und unserer Wissenschaftsredaktion konnten wir schon viele gezielte Falschinformationen korrigieren. Verlässliche Informationen haben den Menschen durch die Pandemie geholfen und während intensiver Debatten wie vor einer Bundestagswahl werden sie noch bedeutender. Auf unserer BR24-App sind ganz viele Informationen zu Corona gebündelt. Wer Fragen hat, bekommt sie dort beantwortet. 

Ein Stichwort, das im Zusammenhang mit Wahlberichterstattung immer wieder auftaucht, ist Ausgewogenheit. Wie stellt der BR als öffentlich-rechtliches Medienhaus sicher, dass er ausgewogen berichtet? Gibt es dafür besondere Regeln, wenn es um Wahlen geht?

In der Tat sind Verlässlichkeit und Ausgewogenheit zentrale Punkte für die Glaubwürdigkeit eines Qualitätsmediums. Wir haben in den zurückliegenden Monaten ganz intensiv die Berichterstattung in der heißen Wahlkampfphase vorbereitet: Wie viele Sondersendungen haben wir? Welche Parteien werden wann eingeladen? Wie werden wir unserer Verantwortung gerecht, den Wählerinnen und Wählern eine fundierte Urteilsfindung für ihre Wahlentscheidung zu ermöglichen?

Auf Basis juristischer Vorgaben werden viele Kriterien berücksichtigt, damit der Wettstreit der Parteien auch medial fair abgebildet werden kann. Wichtig ist etwa die Frage, wie viele Stimmen eine Partei bei zurückliegenden Wahlen erhalten hat und wie sie sich langfristig auch in Umfragen entwickelt. Es geht letztlich darum, die Bedeutung, die ihnen die Wählerinnen und Wähler beigemessen haben, zu berücksichtigen. Der juristische Terminus technicus dazu ist das "Prinzip der abgestuften Chancengleichheit".

Natürlich beziehen sich diese ganzen Pläne auf das Gerüst der Wahlberichterstattung. Die Inhalte, die in den letzten Wahlkampfwochen eine Rolle spielen, können wir Monate im Voraus schwer vorhersagen. Dass zum Beispiel Afghanistan diese Rolle spielen wird, ist eine neue Entwicklung in diesem Wahlkampf, auf die wir journalistisch eingehen. 

Als Chefredakteur des BR werden Sie in der nächsten Zeit politische Diskussionen und Wahlsendungen im Fernsehen moderieren. Welchen Herausforderungen sieht man sich da als Moderator gegenüber? Es kommt ja immer wieder vor, dass Gäste durcheinander reden, sich ins Wort fallen oder vor allem ihre Botschaften rüberbringen wollen und kritische Fragen nicht wirklich beantworten.

Als Moderator ist man immer Anwalt des Publikums. Ziel ist, dass die Menschen nach der Sendung schlauer sind und sich mit Blick auf Inhalte und Personen leichter tun, sich zu entscheiden. Dann war die Zeit gut investiert. Ein fairer Wettstreit der Meinungen, bei dem jeder zu Wort kommt, ist in einer Diskussion wichtig. Klar ist, dass Politiker möglichst viele Punkte für sich machen wollen. Ein Moderator sollte eine faire Balance in den Wortanteilen herstellen, ohne eine Diskussion abzuwürgen. Das könnte dann ein schwieriges Unterfangen werden, wenn sich ein Gast partout nicht an Gesprächsregeln halten will und sich ständig das Wort nimmt. Allerdings würde sich dieser damit letztlich selbst schaden, weil das Publikum nicht schätzt, wenn jemand keine Diskussionskultur pflegt.

Wichtig ist mir, dass die inhaltlichen Positionen im Vordergrund stehen, dass Fragen tatsächlich beantwortet werden. Die Politik Deutschlands wird letztlich dadurch bestimmt, welche Parteien miteinander eine Koalition bilden, was sie also in der Lage sind, miteinander zu vereinbaren. Die Sendungen sollten politische Positionen erkennbarer machen. Klar ist, dass das Publikum auch Persönlichkeitsnoten vergibt. Das passiert automatisch.