Religion & Orientierung


1

Jüdisches Leben in München Integration der Zuwanderer

Gemeindepräsidentin Knobloch hatte die Hoffnung ausgedrückt, dass die Münchner jüdische Gemeinde wieder so groß werde wie in den 1920er-Jahren. Nun ist sie es fast. Groß wurden damit aber auch die Aufgaben - vor allem in Sachen Integration.

Stand: 26.10.2006 | Archiv

Kopie des Passes eines jüdischen Zuwanderers | Bild: BR

Die Israelitische Kultusgemeinde (IKG) war zunächst kaum vorbereitet auf die Tausenden von Immigranten, die seit den frühen 1990er-Jahren nach München kamen. Nach und nach gelang ihr es aber, die Infrastruktur zu schaffen, um den Neuankömmlingen die Eingliederung zu erleichtern.

Nachhaltige Arbeit für Integration ist in der Tat heute eine der wichtigsten Aufgaben der IKG, Integration nicht nur in die jüdische Gemeinde, sondern auch in die deutsche Gesellschaft. Die IKG ist für die Zuwanderer erste Anlaufstelle, aber auch quasi Sozialamt: Gesorgt werden muss für Wohnung, Arbeit und Vermittlung von Deutschkenntnissen.

Akademiker ohne Beruf

Infografik: In Bayern augenommene jüdische Emigranten | Bild: BR/Henrik Ullmann zur Infografik Bayern Jüdische Einwanderer 1991 - 2011

Starker Knick nach 2005: Seitdem gilt nicht mehr das Kontingentflüchtlingsgesetz. Es wurde durch einen strengeren Aufnahmekatalog ersetzt. [mehr]

Dabei würde es nicht an hoch qualifizierten Leuten mit Diplomen im Reisegepäck mangeln, 80 Prozent sind Akademiker. Das Problem ist: Häufig wird ihr im Herkunftsland erworbener Hochschulabschluss hier nicht anerkannt. Nächstes Problem: Die Zuwanderer verfügen in der Regel über wenig Geld. Schon den Nachwuchs in den - privaten - jüdischen Kindergarten zu schicken, ist für sie kaum bezahlbar. Die Gemeinde muss in solchen Fällen finanziell helfen. Für nicht wenige Immigranten gilt: bei Ankunft Sozialfall.

Nachsitzen im Fach Religion

Kippa: rituelle Kopfbedeckung für Männer

Auch in religiösen Belangen bestehen Hürden: Die Münchner IKG ist orthodox ausgerichtet, die älteren Mitglieder pflegen diese Tradition - mehr oder weniger. Die Neuankömmlinge jedoch konnten oder durften sich in ihren Herkunftsländern - selbst bei Interesse - kaum mit jüdischen Bräuchen und Riten auseinandersetzen. Schon der Besuch einer Synagoge konnte in der UdSSR gefährlich sein - kein Wunder, dass innerhalb der Gemeinde ein Gefälle besteht bei der Vertrautheit mit jüdischer Tradition. Umso mehr sieht es die Kultusgemeinde als eine ihrer Aufgaben an, ihren neuen Mitgliedern wieder Wissen über Judentum zu vermitteln. Daneben gibt es aber auch viele - vor allem Jüngere -, für die jüdische Tradition überhaupt keine Rolle mehr spielt. Sie wollen in erster Linie ein Leben als Münchner, Würzburger oder Augsburger führen.


1